112 Neuntes Kapitel: Graf Caprivi.
Fühlung, die er mit demselben habe, dergestalt zu unterbrechen,
daß er sie beim Ausbruch eines Krieges erst wieder zu er-
neuern habe. Ich empfahl namentlich, Caprivi an der Leitung
des Generalstabes zu betheiligen, sobald der Graf Moltke der
Unterstützung bedürfe. Dieser war aber nicht geneigt, sich von
Caprivi unterstützen zu lassen, und erklärte lieber abzugehn,
was der Kaiser jedenfalls verhüten wollte. Außerdem hatte
Se. Majestät das zweifellos berechtigte Bedürfniß, durch einen
militärisch geschulten Charakter wie Caprivi gewisse Schäden
auszugleichen, die unter dem General von Stosch in der
Marine eingerissen sein sollten. Mein Wunsch war, die Leitung
der Marine in seemännische Hand gelegt zu sehen. Der ana-
loge Vorgang wiederholte sich, als Kaiser Friedrich, in seiner
Verstimmung über Waldersee's und der Gräfin Waldersee
Beziehungen zu Stöcker, mir eröffnete, daß er Waldersee im
Generalstabe zu ersetzen wünsche, und ich für den Fall Caprivi
als geeigneten Nachfolger neben Graf Häseler nannte. Dem
Kaiser war Caprivi vertrauter, er stieß aber bei Sondirung
des Feldmarschalls auf dieselbe entschiedene Ablehnung wie
sein Vater. Für Kaiser Wilhelm II. war Caprivi auf mili-
tärischem Gebiete zu unabhängig im Urtheil, auf politischem
aber war er Sr. Majestät an Vorbildung nicht gewachsen.
Ich bin freiwillig nur von dem Posten des Handelsministers
zurückgetreten, weil ich die verantwortliche Contrasignatur für
verlorne Liebesmüh bei der Socialdemokratie und für die
Arbeiterzwangs= und Sonntagsgesetze in der Richtung, für die
der Kaiser hinter meinem Rücken durch regirende Herren, durch
Boetticher und andre Hintertreppenintriganten gewonnen war,
nicht leisten wollte. Ich hatte damals noch die Absicht, Kanzler
und Ministerpräsident zu bleiben, weil ich dies im Angesicht
der Schwierigkeiten, welche ich von der nächsten Zukunft be-
fürchtete, für eine Ehrenpflicht hielt. Namentlich glaubte ich
im auswärtigen Reichsdienste die Verantwortung für mein