116 Neuntes Kapitel: Graf Caprivi.
Unterschrift meines Nachfolgers habe ich bei meiner Entlassung
und später weder amtlich noch vertraulich zu sehn bekommen,
außer unter einem für mich nachtheiligen Entscheide betreffend
meine Pensionirung &). Meine Erfahrung in unfrer Politik
reichte 40 Jahre zurück, und durch den Amtswechsel war mein
Nachfolger nicht vertrauter mit der politischen Lage geworden,
als er in der Front des 10. Corps gewesen war.
Die Gründe, welche Se. Majestät bestimmt haben, mich zu
entlassen und mir in meinen Jahren einen plötzlichen Wechsel
der Wohnung und der Thätigkeit zu befehlen, sind mir amtlich
oder aus dem Munde Sr. Majestät niemals bekannt geworden,
auch nicht beim Wiedersehn nach 4 Jahren; ich habe sie mir
nur durch Conjectur zurechtlegen können, und vielleicht niemals
genau. Es mögen allerhand Lügen an den Herrn gelangt
sein, er hat mir von keiner Kenntniß gegeben und keine Auf-
klärungen von mir verlangt. Ich habe den Eindruck gehabt,
daß der Kaiser mein Erscheinen in Berlin vor und nach Neu-
jahr 1890 nicht wünschte, weil er wußte, daß ich mich meiner
Ueberzeugung nach über die Socialdemokratie im Reichetage
nicht im Sinne derjenigen aussprechen würde, die inzwischen
die seinige geworden war und die mir erst in dem Conseil am
24. Januar bekannt wurde. Nach meinen direct und durch
meinen Sohn erhaltnen Weisungen hatte sich Se. Majestät
die Bestimmung der Zeit meiner Rückkehr vorbehalten. Ich
erhielt sie in Gestalt der Einladung zu dem Conseil am
24. Januar mit dem Befehl, eine halbe Stunde vorher zum
Vortrag zu erscheinen. Ich nahm an, daß ich dabei er-
fahren würde, worüber im Conseil berathen werden solle.
Es geschah das nicht, und ich folgte Sr. Majestät durch den
Nonnengang zum Conseil ebenso unbekannt mit den uns
&) Ich wurde u. a. veranlaßt, die Quote meines am 1. Januar
erhobenen Quartalgehalts für die 11 Tage vom Datum meiner Ver-
abschiedung (20.—31. März) wieder herauszugeben.