Vergleichende Charakteristik der Vorfahren. 123
Ihm waren zwei einander fördernde Begabungen eigen, des
Feldherrn und eines hausbackenen, bürgerlichen Verständnisses
für die Interessen seiner Unterthanen. Ohne die erste würde
er nicht in der Lage gewesen sein, die zweite dauernd zu be-
thätigen, und ohne die zweite würde sein militärischer Erfolg
ihm die Anerkennung der Nachwelt nicht in dem Maße er-
worben haben, wie es der Fall ist — obschon man von den
europäischen Völkern im Allgemeinen sagen kann, daß diejenigen
Könige als die volksthümlichsten und beliebtesten gelten, welche
ihrem Lande die blutigsten Lorbeern gewonnen, zuweilen auch
wieder verscherzt haben. Karl XII. hat seine Schweden eigen-
sinnig dem Niedergange ihrer Machtstellung entgegen geführt,
und dennoch findet man sein Bild in den schwedischen Bauern-
häusern als Symbol des schwedischen Ruhmes häufiger als das
Gustav Adolfs. Friedliebende, civilistische Volksbeglückung
wirkt auf die christlichen Nationen Europas in der Regel nicht
so werbend, so begeisternd wie die Bercitwilligkeit, Blut und
Vermögen der Unterthanen auf dem Schlachtfelde siegreich zu
verwenden. Ludwig XIV. und Napoleon, deren Kriege die
Nation ruinirten und mit wenig Erfolg abschlossen, sind der
Stolz der Franzosen geblieben, und die bürgerlichen Verdienste
anderer Monarchen und Regirungen treten gegen sie in den
Hintergrund. Wenn ich mir die Geschichte der europäüschen
Völker vergegenwärtige, so finde ich kein Beispiel, daß eine
ehrliche und hingebende Pflege des friedlichen Gedeihens der
Völker für das Gefühl der letzteren eine stärkere Anziehungs-
kraft gehabt hätte als kriegerischer Ruhm, gewonnene Schlachten
und Eroberungen selbst widerstrebender Landstriche.
Im Gegensatz gegen seinen Vater hatte Friedrich II. unter
dem Einfluß der veränderten Zeiten und seines Verkehrs mit
ausländischen Schöngeistern ein Beifallsbedürfniß, das sich früh
im Kleinen verrieth. In seinem Briefwechsel mit dem Grafen
Seckendorff sucht er diesem alten Sünder durch Excesse auf dem