Politik der Versöhnung und des Entgegenkommens im Innern. 131
archische Wille nicht die Macht hat, die Natur der Dinge und
des Menschengeschlechtes umzuwandeln. Der Kaiser war ohne
eine Erfahrung auf dem Gebiete menschlicher Leidenschaften und
Begehrlichkeiten; daß er aber das frühere Vertrauen zu dem
Urtheil und der Erfahrung Anderer verloren hatte, war ein
Ergebniß von Intriguen, durch welche er in der Unterschätung
der Schwierigkeit des Regirens bestärkt wurde nicht nur von
unberufenen Rathgebern wie Hinzpeter, Berlepsch, Heyden,
Douglas und anderen unverfrorenen Schmeichlern, sondern auch
von strebsamen Generälen und Adjutanten, von Collegen, auf
deren Unterstützung ich angewiesen war, wie Boetticher, der
ein anderes Ressort als das, mich zu unterstützen, als Minister
nicht hatte, sogar von einzelnen meiner Räthe, die gleich dem
Präsidenten von Berlepsch sich gern und heimlich hergaben,
wenn der Kaiser sie mit Umgehung ihrer Vorgesetzten besragte.
Vielleicht wird er der Socialdemokratie gegenüber bei derselben
Enttäuschung anlangen wie sein Großvater 1862 gegenüber der
Fortschrittspartei.
Dieselbe Politik des Entgegenkommens, um nicht zu sagen
Nachlaufens, ist mit dem Centrum angenommen worden, mit
Windthorst, den nur gesprochen zu haben der Kaiser zu einem
der äußerlichen Anlässe des Bruches mit mir nahm und dessen
amtliche Ehrung nach meiner Entlassung bis zur Apotheose
nach seinem Tode gesteigert wurde — ein wunderlicher „preu-
ßischer“ Heiliger. Es ist zu befürchten, daß auch diese be-
günstigte Stütze der Monarchie eine weichende sein wird in
Momenten, wo man ihrer bedarf. ZJedenfalls wird die volle
Befriedigung der Bundesgenossen, welche die preußische Mon-
archie und das evangelische Kaiserthum bei dem Centrum und
dem Jesuitenorden finden könnte, sich als ebenso unerreichbar
erweisen wie die der Socialisten, und es wird sich im Falle
der Gefahr und Noth um analoge Ergebnisse handeln, wie bei
dem Verfall des Deutschen Ordens in Preußen den Söldnern