Werth der englischen Freundschaft. 149
Kriege versagte dieselbe zu der Zeit, wo wir sie am dringendsten
brauchten, und auf dem Wiener Congresse würde sie ihre Be—
sieglung gemäß dem Vertrage mit Frankreich und Oestreich
vom 3. Januar 1815 gefunden haben, wenn nicht die Rückkehr
Napoleons von Elba die Coulissen der politischen Bühne in
überraschender Weise verschoben hätte. England gehört eben
zu des Geschickes Mächten, mit denen nicht nur kein ewiger
Bund, sondern auch keine Sicherheit zu flechten ist, weil daselbst
die Grundlage aller politischen Beziehungen wandelbarer ist
als in allen andren Staaten, das Erzeugniß von Wahlen und
daraus hervorgehenden Majoritäten. Nur ein zur Kenntniß
des Parlaments gebrachter Staatsvertrag gewährt gegen plötz-
liche Wandlungen einige Sicherheit, und auch diese hat für
meinen Glauben erheblich verloren seit der spitzfindigen Aus-
legung, welche der Vertrag über die Neutralität Luxemburgs
vom 11. Mai 1867 von englischer Seite erfahren hat.
Wenn nun auch meines Erachtens die Freundschaft Deutsch-
lands für den, welcher sie gewinnt, sichrer ist als die englische,
so glaube ich doch auch, daß bei richtiger Leitung der deutschen
Politik England früher in die Lage kommen wird, unfrer
Freundschaft praktisch zu bedürfen, als wir der seinigen. Unter
richtiger Leitung verstehe ich, daß wir die Pflege unserer Be-
ziehungen zu Rußland nicht um deshalb aus den Augen ver-
lieren, weil wir uns durch den gegenwärtigen Dreibund gegen
russische Angriffe gedeckt fühlten. Auch wenn diese Deckung
nach Festigkeit und Dauer unerschütterlich wäre, hätten wir
doch kein Recht und kein Motiv, dem deutschen Volke für
englische oder östreichische Orient-Interessen die schweren und
unfruchtbaren Lasten eines russischen Krieges näher zu rücken,
als sie vermöge eigner deutscher Interessen und denen an der
Integrität Oestreichs uns stehen. Wir waren im Krimkriege
der Zumuthung ausgesetzt, die Kriege Englands wie indische
Vasallenfürsten zu führen. Ist das stärkere Deutsche Reich