Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

154 Zwölftes Kapitel: Handelsvertrag mit Oestreich. 
  
lands in den Stand gesetzt wird, so wird sie natürlich jedes 
ungeschickte Entgegenkommen deutscher Politik benutzen, um ihren 
inneren Schwierigkeiten abzuhelfen und die ungarischen und 
galizischen Agrarier zu gewinnen. Die Kosten dafür, soweit 
sie nicht von der deutschen Gutmüthigkeit bestritten werden, 
würde das mehr industrielle als agrarische Element von Cis- 
leithanien nach Abzug Galiziens zu decken haben. Dasselbe ist 
für die östreichische Politik weniger gefährlich und weniger 
widerstandsfähig, als ungarische und polnische Unzufriedenheiten 
sein würden. Der Deutsche ist fügsamer nach oben und auf 
dem Gebiete der inneren Politik ungeschickter als die andern 
Nationalitäten Oestreichs, wie der doctrinäre Verlauf des con- 
stitutionellen Kampfes zeigt, welchen die Herbstzeitlosen gegen 
den natürlichsten und stärksten Bundesgenossen der Deutschen, 
gegen die eigne Dynastie, bis zum Bruch geführt haben. 
Es ist also erklärlich, daß die wirthschaftliche Politik des 
Donaureichs auf die deutschen Industriellen wenig und auf die 
nichtdeutschen Agrarier mehr Rücksicht nimmt. Auch in der 
böhmischen Spaltung wird das Czechenthum auf agrarischer, 
das Deutschthum auf industrieller Seite stärker vertreten sein. 
Daß es den Ungarn, Polen und Czechen zu lebhafter Genug- 
thuung gereicht, wenn in erster Linie ihre Interessen gepflegt 
werden und der Deutsche zunächst in Cisleithanien, hauptsächlich 
aber im Deutschen Reiche die Zeche dafür bezahlt, ist nicht zu 
verwundern, wohl aber muß man sich fragen, wie die deutsche 
Reicheregirung dazu kommt, die Preisgebung der deutschen 
Agrar-Interessen in Wien anzubieten. Der in der Presse da- 
für geltend gemachte Grund, daß das politische Bündniß einen 
wirthschaftlichen Verschmelzungsproceß zur nothwendigen Folge 
habe, ist eine inhaltlose Phrase, bei der sich praktisch nichts 
denken läßt. Wir sind mit Rußland und in der Vergangen- 
heit mit England in der größten politischen Intimität gewesen 
unter sehr schwierigen beiderseitigen Zollverhältnissen, und der
	        
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