Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

156 Zwölftes Kapitel: Handelsvertrag mit Oestreich. 
  
besten Bündnisse versagen den Dienst, den man bei dem Ab- 
schlusse von ihnen erwartet hat, wenn die Stimmung und 
Ueberzeugung, unter denen sie geschlossen sind, zur Zeit des 
asus foederis erloschen ist; und wenn schon heut unter den 
östreichisch-ungarischen Agrariern die Stimmung vorherrscht, daß 
unser Bündniß werthlos sei, falls es ihnen keine finanziellen 
Vortheile gewähre, so befürchte ich, daß unser Vertrag zur 
Verfallzeit nicht wirksamer sein wird als die von 1792 bis 
1795, und um so weniger, wenn sich inzwischen im Deutschen 
Reiche die Ueberzeugung festgesetzt hat, daß unser Bündniß- 
vertrag einen Handelsvertrag im Gefolge habe, der einer 
Tributzahlung Deutschlands gleich stehe, und daß diese Zah- 
lung für Erhaltung eines Bündnisses, welches für Oestreich 
nothwendiger ist als für uns, auf Versprechungen beruhe, welche 
die leitenden Staatsmänner Oestreichs vermöge ihrer reiferen 
Erfahrung und Sachkunde in Geschäften der Art den Ver- 
tretern der deutschen Interessen im gastlichen Verkehr in Schle- 
sien und in Wien abgewonnen haben &#). Es ist möglich, daß 
die deutschen Gäste an letzterem Orte in der Hoffnung auf 
reiche handelspolitische Trinkgelder eine noch freundlichere Auf- 
nahme gefunden haben, als ohnehin der Fall gewesen sein 
würde; aber die Revision der deutschen Rechnung durch die 
öffentliche Meinung der Nation erfolgt doch, wenn auch erst 
) Eine Berliner Mittheilung des „Pester Lloyd“ hatte die bekannte 
Thatsache, daß die Anfänge der Handelsverträge auf die Rohnstocker 
Zusammenkunft von 1890 zurückreichen, mit dem Zusatze in Erinnerung 
gebracht, dem neuen Kanzler sei alsbald nach der Uebernahme des 
Amtes von höchster Stelle die Linie für sein handelspolitisches Ver- 
halten vorgeschrieben worden. Die „Münchner Allgemeine Zeitung“ 
macht dazu die Anmerkung: „Dies würde die vielfach verbreitete An- 
nahme rechtfertigen, daß der eigentliche Träger dieser handelspolitischen 
Wendung Herr Miauel ist und daß die letztere aus dem Frankfurter 
Besuch des Kaisers im November 1889 datirt.“ (Börsenzeitung, 16. De- 
cember 1891.)
	        
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