8 Erstes Kapitel: Prinz Wilhe'm.
schwiegen — halte es aber jetzt für meine Pflicht, um weiteren
Mißverständnissen und Mißdeutungen vorzubeugen, Ew. Durch-
laucht über den wirklichen Sachverhalt klar zu unterrichten.
Im vorigen Jahre wurde mir von vielen Hochgestellten in und
außer Berlin wiederholt der Wunsch ausgesprochen, im Inter-
esse der Armen Berlins zeitweise größere Festlichkeiten zu ver-
anstalten, deren Erträge eine dauernde Beihülfe für die
Berliner Stadtmission geben sollten. Mit Genehmigung Sr.
Majestät des Kaisers wurde unter meinem Protectorat ein
Reiterfest in Aussicht genommen. Dasselbe unterblieb damals.
Der Gedanke wurde in diesem Herbst von Neuem angeregt,
aber wegen der schweren Erkrankung meines Vaters wieder
sallen gelassen, und statt dessen meine Frau gebeten, wie schon
vor zwei Jahren das Protectorat über einen großen Bazar
zu übernehmen. Da indessen die Frau Prinzessin durch die
stets mehr beunruhigenden Nachrichten über den Kronprinzen
zu erschüttert war, wünschte sie, daß auch von dem Bazar
und sonst noch projectirten Festlichkeiten Abstand genommen
würde, und daß man sich durch einen Aufruf zu einer großen
Collecte direct an alle Freunde der Stadtmission und der Noth-
leidenden wenden möchte.
Zu diesem Zwecke sollte ein größeres Comité gebildet wer-
den, welchem beizutreten ich Freunde der Sache aus allen Pro-
vinzen und zwar absichtlich aus den verschiedensten politischen
Parteien und verschiedenen Confessionen auffordern ließ. An die
Spitze dieses Comité's traten auf meinen Vorschlag: Graf Stol-
berg, Mimster von Puttkamer, Minister von Goßler, Graf
Waldersee und Graf Hochberg mit ihren Gemahlinnen.
Zum 28. November luden meine Frau und ich ungefähr
30 Personen zu einer Vorbesprechung beim Grafen von Walder=
see ein. Ich legte dort den Herren meine Absichten ans Herz
und betonte, daß es mir vom größten Interesse sei, bei dieser
Arbeit christlicher Liebe Leute verschiedener politischer Parteien