20 Erstes Kapitel: Prinz Wilhelm.
von Anhängern das Leben schwer und die große conservative
Partei unsicher und zwiespältig gemacht. Die „Innere Mission“
aber ist ein Boden, aus dem er wie der Riese Antäus stets
neue Kräfte saugen und auf dem er unüberwindlich sein wird.
Die Aufgabe Ew. und Höchstihrer dereinstigen Minister würde
wesentlich erschwert werden, wenn sie die Vertretung der
einneren Mission" und der Organe derselben in sich schließen
sollte. Der evangelische Priester ist, sobald er sich stark genug
dazu fühlt, zur Theokratie ebenso geneigt wie der katholische,
und dabei schwerer mit ihm fertig zu werden, weil er keinen
Papst über sich hat. Ich bin ein gläubiger Christ, aber ich
fürchte, daß ich in meinem Glauben irre werden könnte, wenn
ich, wie der Katholik, auf priesterliche Vermittlung zu Gott
beschränkt wäre.
Ew. sprechen in Höchstdero Schreiben vom 21. v. M. die
Meinung aus, daß ich Anlaß gehabt hätte, schon früher bei
Höchstdenselben über die vorliegende Frage Erkundigungen ein-
zuziehn; ich bin aber erst durch Ew. jüngstes Schreiben von
der Lage der Sache informirt worden, und meine Antwort hat
keine andere Unterlage als den Inhalt besagten Schreibens.
Was ich bis dahin wußte, genügte zwar, um mir einige Sorge
über Preßangriffe auf Ew. zu wecken, aber ich hatte zu wenig
Glauben an den Ernst der Sache, um mich direct an Höchst-
dieselben zu wenden. Erst der Brief vom 21. überzeugte mich
vom Gegentheil.
Ew. wollen die freimüthige Offenheit, mit der ich meine
Ansicht in Vorstehendem ausspreche, mit Nachsicht aufnehmen.
Das Vertrauen, mit dem Hochdieselben mich jederzeit beehrt,
und die Gewißheit, welche Ew. in Betreff meiner ehrerbietigen
Anhänglichkeit haben, lassen mich auf diese Nachsicht rechnen.
Ich bin alt und matt und habe keinen andern Ehrgeiz mehr,
als mir die Gnade des Kaisers und Seiner Nachfolger zu be-
wahren, wenn ich meinen Herrn überleben sollte. Mein Pflicht-