Stimmungswechsel und späteres Verhalten. 35
auf den Kaiser, die ich als störend für meine Politik bezeichnet
habe, machte sich geltend in den Fragen, welche Haltung der
Kaiser gegenüber den Arbeitern und in Betreff des Socialisten-
gesetzes beobachten werde. Es ist mir glaubhaft mitgetheilt
worden, daß der Kaiser im Winter 1890, bevor er den plötz-
lichen Uebergang von der Absicht, den Widerstand zu leisten, den
ich empfohlen, zum Nachgeben machte, den Großherzog zu Rathe
gezogen, und daß dieser im Sinne der badischen Traditionen
das Gewinnen statt des Bekämpfens der Gegner befürwortet
habe, aber überrascht und unzufrieden gewesen sei, als der
Wechsel in den Absichten Sr. Majestät meine Entlassung herbei-
führte.
Sein Rath würde auch nicht durchgeschlagen haben, wenn
nicht bei Sr. Majestät die Neigung vorhanden gewesen wäre,
zu verhindern, daß die richtige Würdigung der eignen mon-
archischen Leistungen ferner durch die Zweifel beeinträchtigt
werden könnte, ob die Allerhöchsten Entschließungen kaiserlichen
oder kanzlerischen Ursprungs seien. Der „neue Herr“ hatte
das Bedürfniß, nicht nur von einem Mentor frei zu werden,
sondern auch für Gegenwart und Zukunft die Verdunklung nicht
zuzulassen, welche eine kanzlerische Wolke etwa wie die Richelieu's
und Mazarin's entwickeln würde. Einen nachhaltigen Ein-
druck hatte auf ihn eine gelegentlich von dem Grafen Waldersee
beim Frühstück in Gegenwart des Flügeladjutanten Adolf von
Bülow mit Berechnung gethane Aeußerung gemacht: „daß
Friedrich der Große nie der Große geworden sein würde,
wenn er bei seinem Regirungsantritt einen Minister von der
Bedeutung und Machtstellung Bismarck's vorgefunden und be-
halten hätte“.
Nach meiner Verabschiedung hat der Großherzog Partei
gegen mich genommen. Als im Februar 1891 in der Gemeinde-
behörde von Baden-Baden angeregt worden war, mir das
Ehrenbürgerrecht zu ertheilen, ließ er den Oberbürgermeister