Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Sorialistengesetz und Concessionspolitik. 43 
  
Kaiser, und ich suche in dieser Kenntniß der Situation den 
Grund, aus welchem Se. Majestät meine Anwesenheit in Berlin 
nicht wünschte und mir den Ausdruck dieses Wunsches direct 
und indirect wiederholt zugehen ließ in Fassungen, die für mich 
den Charakter einer Allerhöchsten Weisung hatten. Eine schärfere 
Position, von mir als Kanzler öffentlich genommen, hätte dem 
Kaiser die entgegenkommende Haltung den Socialdemokraten 
gegenüber erschwert, für die er damals schon durch den Groß- 
herzog von Baden, Boetticher, Hinzpeter, Berlepsch, Heyden, 
Douglas gewonnen war und die in dem Kronrath vom 24. Ja- 
nuar ihren durch Herrn von Boetticher verlesenen, mich und andere 
Minister überraschenden Ausdruck fand. Wenn sich der Plan ver- 
wirklicht hätte, für den der Kaiser im Februar gestimmt war, 
den Se. Majestät aber, wie ich glaube unter badischem Einfluß, 
nach einigen Tagen wieder aufgab, der Plan, daß ich unter 
Rücktritt aus allen preußischen Aemtern Reichskanzler bliebe, 
so konnte Herr von Boetticher sich Hoffnung machen, preußjscher 
Ministerpräsident zu werden, da er die Geschäfte als Vicepräsi- 
dent in der Hand hatte. Damit wären er und seine Gemahlin 
in die erste Rangstufe, die sogenannte Feldmarschallsklasse auf- 
gerückt. Ich würde ihn freilich nicht zu dieser Stellung emp- 
fohlen haben. Ich fürchtete, daß aus den Vorgängen von 1889 
und der ermuthigenden Stimmung des Kaisers Unruhen folgen 
würden, und mit Rücksicht auf die liberalen Sympathien der 
Minister des Innern und des Krieges (Polizei und Militär) 
und die Apathie des Justizministers (Staatsanwälte) empfahl 
ich das Präsidium wenigstens in militärische Hände zu legen. 
Die Thatsache, daß Boetticher bei meinem Wiedereintritt in 
die ministeriellen Discussionen in allen Fragen, in welchen ihm 
die Abweichung meiner Ansichten von den ihm früher als mir 
mitgetheilten kaiserlichen bekannt war, als Advokat des kaiser- 
lichen Willens mich in Gegenwart Sr. Majestät und in dem 
Staatsministerium bekämpfte, war für meine politische, ich möchte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.