52 Fünftes Kapitel: Der Kronrath vom 24. Januar.
sönlicher Erkundigung die Arbeiter stets nur dann einverstanden
gesunden, wenn ihnen zugesichert werden konnte, daß der Wochen-
lohn für sechs Arbeitstage ebenso hoch sein werde wie früher
für sieben. Mit dem Verbote oder der Beschränkung der Arbeit
Nicht-Erwachsener waren die Eltern der von der Arbeit Aus-
zuschließeenden nicht einverstanden, und unter den Nicht-Erwach-
senen nur Individuen von bedenklicher Lebensrichtung. Die
Ansicht, daß der Arbeiter von dem Arbeitgeber dauernd ge-
zwungen werde, auch gegen seinen Willen zu bestimmten Zeiten
zu arbeiten, kann bei der heutigen Eisenbahnverbindung und
Freizügigkeit doch nur ausnahmsweise bei ganz besondren Ar-
beits= und Communications-Verhältnissen richtig sein, schwerlich
in der Ausdehnung, daß ein die Gesammtheit treffender Eingriff
in die persönliche Freiheit dadurch gerechtsertigt erschiene. Bei
den Streiks hatten diese Fragen keine Rolle gespielt.
Wie dem auch sei, Thatsache ist, daß der König von Sachsen
trotz allem Wohlwollen für mich auf die kaiserlichen Auffassungen
in einer Richtung eingewirkt hat, welche der von mir seit Jahren,
namentlich in der Rede vom 9. Mai 1885 über die Sonmtags-
ruhe vertretenen entgegengesetzt war. Daß sich an diesen Aus-
gangspunkt mein Ausscheiden aus dem Dienste knüpfen würde,
hatte er nicht erwartet und bedauerte dieses Ergebniß. Dasselbe
hätte sich auch schwerlich daran geknüpft, wenn nicht durch den
Einfluß des Großherzogs von Baden und der Minister Boet-
ticher, Verdy, Herrfurth und Andrer die kaiserliche Stimmung
ohnehin soweit bearbeitet gewesen wäre, daß Se. Majestät über-
zeugt war, mein seniler Eigensinn sei ein Hinderniß für sein
Streben, die öffentliche Meinung zu gewinnen und die Gegner
der Monarchie in Anhänger derselben zu verwandeln.
Am 8. Januar trat der Reichstag wieder zusammen. Schon
vor und bald nach Weihnachten hatte der Kaiser mir in einer
Weise, die für mich einem Befehle gleich kam, empfohlen, ich
möge nicht zu der Session nach Berlin kommen. Am 23.