Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

66 Sechstes Kapitel: Die Kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar 1890. 
  
Um die Ungeduld des Kaisers einigermaßen zu befriedigen, 
gab ich den betreffenden beiden Entwürfen, an den Reichskanzler 
und an den Handelsminister, eine seinem Charakter und seinem 
Verlangen nach schwunghaftem Ausdruck entsprechende Fassung. 
Bei Vorlegung derselben erklärte ich, daß ich sie lediglich aus 
Gehorsam gegen seinen Befehl gemacht und dringend bäte, von 
Veröffentlichungen der Art Abstand zu nehmen, den Zeitpunkt 
abzuwarten, wann dem Reichstage formulirte, präcisirte Vor- 
lagen gemacht werden könnten, jedenfalls die Wahlen vorüber 
gehn zu lassen, ehe die Arbeiterfrage von ihm öffentlich berührt 
werde. Die Unbestimmtheit und Allgemeinheit der kaiserlichen 
Anregung werde Erwartungen hervor rufen, deren Befriedigung 
außerhalb der Möglichkeit läge, deren Nichterfüllung die 
Schwierigkeit der Situation steigern werde. Ich hätte das 
Bedürfniß, wenn Se. Majestät nach Monaten oder Wochen 
selbst zur Erkenntniß der Schäden und Gefahren, die ich be- 
fürchtete, gelangt sein würde, daran erinnern zu können, daß 
ich den ganzen Schritt auf das Bestimmteste widerrathen und 
die Ausarbeitung nur aus pflichtmäßigem Gehorsam eines noch 
im Dienste befindlichen Beamten geliefert hätte. Ich schloß mit 
der Bitte, die vorgelesenen Entwürfe in das gerade brennende 
Kaminfeuer wersen zu dürfen. Der Kaiser antwortete: „Nein 
nein, geben Sie herl“ und unterzeichnete mit einiger Hast die 
beiden Erlasse, die unter dem 4. Februar ohne Gegenzeichnung 
im „Reichs= und Staats-Anzeiger“ veröffentlicht sind: 
„Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen 
Arbeiter die Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, 
welche Meiner Fürsorge durch die Nothwendigkeit gezogen 
werden, die deutsche Industrie auf dem Weltmarkte concurrenz- 
fähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter Existenz 
zu sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Ver- 
lust ihres Absatzes im Auslande würde nicht nur die Unter-
	        
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