Rücktrittserwägungen. Altentheil des Auswärtigen. 73
und sein Recht dazu klar, entfernt von jeder Empfindlichkeit.
Die Befreiung von aller Verantwortlichkeit hatte bei meiner
Ansicht über den Kaiser und seine Ziele viel Verführerisches
für mich; aber mein Ehrgefühl kennzeichnete mir diese Regung
als Scheu vor Kampf und Arbeit im Dienste des Vater-
landes, als unverträglich mit tapferem Pflichtgefühl. Ich be-
fürchtete damals, daß die Krisen, die uns, wie ich glaube,
bevorstehen, schneller eintreten würden. Ich sah nicht voraus,
daß ihr Eintritt durch Verzicht auf jedes Socialistengesetz,
durch Concessionen an Reichsfeinde verschiedener Gattung ver-
schoben werden würde. Ich hielt und halte dafür, daß sie um
so gefährlicher sein werden, je später sie eintreten. Ich hielt
den Kaiser für kampflustiger, als er war oder unter fremdem
Einflusse blieb, und hielt für Pflicht, ihm mäßigend, cventuell
kämpfend, zur Seite zu bleiben.
Nachdem sich während der zweiten Februarwoche bei mir
der Eindruck verstärkte, daß der Kaiser wenigstens die socialen
Angelegenheiten in dem Glauben, sie versöhnlich leiten zu
können, ohne mich und nachgiebiger, als ich für gerathen hielt,
entwickeln wolle, beschloß ich Klarheit darüber zu schaffen und
sagte in einem Vortrage am 8. Februar: „Ich fürchte, daß ich
Ew. Majestät im Wege bin.“ Der Keiser schwieg, bejahte
also. Ich entwickelte darauf à l'amiable die Möglichkeit, wie
ich in dem Falle zunächst meine preußischen Aemter nieder-
legen, nur das von meinen Gegnern seit mehr als zehn Jahren
für mich empfohlene „Altentheil des Auswärtigen“ behalten
und das Kapital von Erfahrung und Vertrauen, welches ich
mir in Deutschland und im Auslande erworben, ferner für
Kaiser und Reich nutzbar machen könne. Se. Majestät nickte
zu diesem Theile meiner Darlegung zustimmend und fragte
am Schlusse in lebhaftem Tone: „Aber die Militärforderungen
werden Sie doch noch im Reichstage durchbringen?" Ich ant-
wortete, ohne deren Umsang zu kennen, daß ich bereitwillig