74 Siebentes Kapitel: Wandlungen.
dafür eintreten würde. Mir war die Socialisten-Frage zunächst
wichtiger als die militärische, nachdem ich uns, bis auf Artillerie
und Avancirte, stark genug hielt. Verdy war ohne mich
ernannt worden; es war seit 1870 Verstimmung zwischen uns
und ich sah ihn als mouchard des Kaisers im Ministerrathe
an. Seine Ernennung war schon ein SÖchachzug des Kaisers
gegen mich, und ich sah es nicht als meine Aufgabe an, die
weitgehenden Pläne, die nomine des Kaisers und Verdy's als
„unaufschieblich“ eingebracht wurden, in erster Linie zu be-
kämpfen. 117 Millionen beriefen zuerst die Finanzminister
zum Kampf und die Verbündeten, dann den Reichstag. Mir
war, als Rückzugsgefecht, die Socialisten-Frage dringlicher als
die Verdy'sche Vorlage, und sie ist es auch.
Ich schlug des Weiteren vor, mein Ausscheiden aus den
preußischen Aemtern, wenn Se. Majestät es wünsche, auf den
Wahltag (20. Februar) zu verlegen, damit dasselbe weder als
Folge der Wahlen erschiene noch auf dieselben einwirke, die
ich schon durch die Kaiserlichen Erlasse für gefährdet hielt. Ich
empfahl in meinem Programm, im preußischen Dienste jeden-
falls einen General zu meinem Nachfolger zu wählen, weil ich
fürchtete, daß in etwaigen Kämpfen mit socialistischen Bewe-
gungen und bei wiederholter Auflösung des Reichstags liberale
Minister den Kaiser widerwillig vertreten würden, wie etwa
Bodelschwingh und andere, denen wenigstens der persönliche
Muth nicht fehlte, den König im März 1848 so geführt haben,
daß reactionäre Wege ungangbar wurden. Die wichtigsten Res-
sorts für solche Fälle, sagte ich Sr. Moajestät, seien Polizei,
Krieg und Justiz. Die Polizei sei in der Hand des Ministers
des Innern, Herrfurth, eines liberalen Bürokraten. Das
Kriegsministerium, auf welches 1848 die Widerstandskraft und
der schließliche Sieg des Königs sich gründete, sei ebenfalls in
liberalen Händen, die politischen Ideale des Herrn von Verdy
würden sich mit denen der meisten seiner Vorgänger kaum