Verschiebung des Rücktritts. Kampsprogramm. 77
der neuen Wahlsituation gegenüber sortführen wolle, in einem
Vortrage am 25. Februar ein Programm. Wegen der Zu-
sammensetzung des Reichstags und behufs Vertretung der bis-
herigen Socialpolitik sowie der nöthigen Militärforderungen
hielt ich jetzt mein Verbleiben bis nach den ersten parlamentari-
schen Kämpfen noch mehr für nothwendig, um unfre Zukunft
gegen die socialistische Gefahr sichern zu helsen. Se. Moajestät
würde in Folge der bezüglich der Streiks beobachteten Politik
und der Erlasse vom 4. Februar vielleicht früher, als sonst ge-
schehn wäre, gegen die Socialdemokratie kämpsen müssen; wolle
er das, so würde ich den Kampf gern führen, solle aber Nach-
giebigkeit die Parole sein, so sähe ich größere Gefahren voraus;
dieselben würden durch Aufschub der Krisis fortgesetzt wachsen.
Der Kaiser ging darauf ein, wies Nachgiebigkeit von sich und
acceptirte, wie mir schien, während er mir beim Abschiede die
Hand gab, meine Parole No surrender!
Am folgenden Tage hatte er sich gegen seine Umgebung be-
friedigt über diesen Vortrag geäußert: Er wünsche nur, daß ich
ihm noch mehr den Eindruck bereite, daß er allein regire, und
daß die Maßregeln von ihm ausgingen u. s. w.
In dem Glauben, die Zustimmung des Kaisers zu meinem
Programm zu besitzen und bis etwa zum Juni in meinen
Aemtern zu bleiben, erklärte ich in der Ministersitzung vom
2. März, Se. Majestät sei entschlossen, die Situation zu accep-
tiren und zu fechten. Das Ministerium würde eventuell dazu
reconstruirt werden müssen, ich würde seiner Zeit mein Porte-
feuille zur Verfügung stellen und nach Sr. Majestät letzten
Aeußerungen dann den Aufstrag erhalten, ein homogenes, zum
Kampfe gegen die sociale Revolution bereites Ministerium zu
bilden. Der Eindruck, den diese Eröffnung machte, war nicht bei
allen Collegen ein gemüthlicher; der Ausdruck homogen wurde
so verstanden, daß ein aggressives Vorgehen gegen den Socialis-
mus Charakter-Eigenschaften erfordere, welche nicht Alle besaßen.