Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Achtes Kapitel. 
Meine Entlassung. 
Am 14. März Morgens sragte ich an, ob ich an diesem 
oder dem folgenden Tage zum Immediatvortrag kommen solle, 
erhielt aber keine Antwort. Meine Absicht war, dem Kaiser über 
eine Unterredung, die ich am 12. mit Windthorst gehabt hatte, 
und über gewisse Mittheilungen, die aus Rußland eingegangen 
waren, zu berichten. Am 15. Morgens um 9 Uhr wurde 
ich mit der Meldung geweckt, Se. Majestät habe eben sagen 
lassen, ich solle um 9½ im „Auswärtigen Amte“ Vortrag halten, 
worunter nach der bisherigen Gepflogenheit die Amtswohnung 
meines Sohnes zu verstehn war. Wir empfingen dort den 
Kaiser. Auf meine Bemerkung, ich wäre sast zu spät gekommen, 
weil ich erst vor 25 Minuten mit Gr. Majestät Befehl geweckt 
worden sei, erwiderte der Kaiser: „So — ich habe die Be- 
stellung gestern Nachmittag hinausgegeben.“ Später ergab sich, 
daß er erst nach 10 Uhr Abends den Vortrag festgesetzt hatte 
und daß Abendaustrag vom Schlosse in der Regel nicht Statt 
findet. Ich begann meinen Vortrag: „Ich kann Ew. Majestät 
melden, daß Windthorst aus dem Bau gekommen ist und mich 
aufgesucht hat.“ Der Kaiser rief darauf aus: „Nun, Sie haben 
ihn doch natürlich zur Thür hinauswerfen lassen?" Ich er- 
widerte, während mein Sohn das Zimmer verließ, daß ich 
Windthorst natürlich empfangen hätte, wie ich es mit jedem 
Abgeordneten, dessen Manieren ihn nicht unmöglich machten, 
als Minester stets gehalten hätte und zu thun verpflichtet sei, 
wenn ein solcher sich anmelde. Der Kaiser erklärte, ich hätte 
vorher bei ihm anfragen müssen. Ich widersprach und vin- 
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. III.
	        
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