Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Erbieten. Die A. ist bei strafbaren Handlungen 
jeder Art (Verbrechen, Vergehen und Uber- 
tretungen) möglich und liegt bei demjenigen 
vor, welcher einen anderen zu der von diesem be- 
gangenen strafbaren Handlung durch Geschenke 
oder Versprechen, durch Drohung, durch Miß- 
brauch des Ansehens oder der Gewalt, durch ab- 
sichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines 
Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich 
bestimmt hat (St B. 8 48 Abs. 1). Die A. 
erfordert als Vorsatz den Willen, einen andern 
zur Begehung, d. h. zur wirklichen Ausfüh- 
rung, nicht bloß zu einem Versuche, einer 
strafbaren Handlung zu bestimmen (RöSt. 
4, 252; 15, 315). A. zu einem Fahrlässigkeits- 
vergehen ist nicht möglich (RöSt. 23, 175). 
Die erfolgreiche Aufforderung strafunmündiger 
Kinder zur Begehung einer objektiv straf- 
baren Handlung ist nicht als A., sondern, da 
die Kinder nur willensunfähige Wertkzeuge 
sind, als Täterschaft zu bestrafen (Ro St. 25, 
397). Der Versuch der A. ist nicht strafbar 
(Rö t. 11, 56). Die Strafe des Anstifters 
ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, das 
auf die Handlung Anwendung findet, zu 
welcher er wissentlich angestiftet hat (StGS. 
§ 48 Abs. 2). Besondere Tatumstände (persön- 
liche Eigenschaften oder Verhältnisse), nach 
denen das Gesetz die Strafbarkeit einer Hand- 
lung erhöht oder vermindert, sind dem An- 
stifter zuzurechnen, wenn sie bei ihm vorliegen 
(StcB. 8 50). Auch bei den zivilrechtlich un- 
erlaubten Handlungen gibt es eine A., wobei 
jedoch streitig ist, ob ihr Begriff sich mit dem 
strafrechtlichen decht, namentlich ein vorsätz- 
liches Zusammenwirtken erforderlich ist. An- 
stifter einer zivilrechtlich unerlaubten Handlung 
stehen Mittätern gleich (BöB. § 830 Abs. 2). 
Für die polizeilich unerlaubten Handlungen 
wird anzunehmen sein, daß derjenige, der zu 
ihnen angestiftet hat, deswegen nicht polizellich 
haftbar ist, insbesondere nicht neben dem Täter 
von der Polizei angehalten werden kann, den 
polizeiwidrigen Zustand zu beseitigen oder die 
durch dessen Beseitigung entstandenen Kosten zu 
tragen. 
Anstreicher. Für Betriebe, in denen Maler-, 
Anstreicher-, Tüncher-, Weißbinder= oder Lak- 
Rkiererarbeiten ausgeführt werden, hat nach 
R##Bek. vom 27. Juni 1905 (REGl. 555) der 
Bundesrat auf Grund der Gew). 8§ 120e Vor- 
schriften erlassen. S. dazu Erl. vom 15. Juli 
1905 (HPMhl. 232). In Werkstätten der Maler 
und Anstreicher ist nach Kinderschutz G. §§ 4, 12 
(Röl. 1903, 113) die Beschäftigung von 
Kindern verboten. 
Antiquare s. Stehender Gewerbebe- 
betrieb II. 
Antisklavereikonferenz ist die Bezeichnung 
für eine im Jahre 1890 in Brüssel zusammen- 
getretene internationale Konferenz, welche dazu 
bestimmt war, im Anschluß an frühere inter- 
nationale Abmachungen einheitliche Maß- 
nahmen gegen den afrikan. Suklavenhandel 
festzustellen. Die Ergebnisse der betr. Verhand- 
lungen sind in der von allen beteiligt gewesenen 
Mächten ratifizierten „Generalakte der Brüsseler 
A. nebst Deklaration“ vom 2. Juli 1890 nieder- 
gelegt, welche im Rl. 1892, 605 ff. ver- 
  
Anstreicher — Antrag bei strafbaren Handlungen. 
öffentlicht worden ist. Zur Ausführung der 
Art. 50—59 der Generalakte ist die V. vom 
17. Febr. 1893 (RöBl. § 13) ergangen. Die 
Generalakte selbst ist im Kap. VI (Beschränkung 
des Spirituosenhandels) durch die Konvention 
vom 8. Juni 1899 (Rl. 1900, 823) ergänzt 
worden. S. auch G., betr. die Bestrafung des 
Sklavenraubes und des Sklavenhandels, vom 
28. Juli 1895 (REBl. 425) und das ältere 
Pr G. vom 9. März 1857 (GPS. 160). 
Antrag bei strafbaren Handlungen. I. Ab- 
weichend von der Regel, wonach derzenige, 
welcher eine die Merkmale einer strafbaren 
Handlung erfüllende Handlung begeht, ohne 
weiteres die dafür angedrohte Strafe ver- 
wirkt hat, ist ausnahmsweise die Bestrafung 
von der Stellung eines A. auf sie seitens des 
durch die Tat Verletzten abhängig gemacht 
(sog. Antragsdelikte). Der Gesetzgeber erachtet 
hier einen ausreichenden Grund zur Bestrafung 
nur dann für gegeben, wenn der MNächstbe- 
teiligte die Strafverfolgung sei es für not- 
wendig sei es für unbedenklich hält und dies 
in der Form eines A. auf Bestrafung zum 
Ausdrucke gebracht hat. Der Strafantrag ist 
begrifflich verschieden von der eine Ausnahme 
von dem Anklagemonopol (s. d.) bildenden 
Privatklage. Antragsdelikte finden sich so- 
wohl unter den Verbrechen (z. B. St GB. 179) 
als unter den Ubertretungen (StB. 8§ 370 
Nr. 5 u. 6), besonders häufig aber unter den 
Vergehen (z. B. StEB. 88 223, 247). 
II. Grundsätzlich sind antragsberechtigt 
nur der Verletzte selbst, d. i. derjenige, welcher 
unmittelbar durch die die Straftat bildende 
Handlung betroffen und in seinen Rechten ge- 
kränkt ist, — nicht auch derjenige, für welchen 
sich nicht durch die Straftat an sich, sondern 
erst in weiterer Folge aus ihr Nachteile er- 
geben (R St. 1, 370) — sowie derjenige, welcher 
kraft des Gesetzes für diesen oder neben ihm 
das Antragsrecht ausübt. In einzelnen Fällen 
ist die Person des zum A. Berechtigten be- 
sonders bezeichnet (St GCB. 88 102, 103, 170, 
182, 189, 195, 196, 288). Das Antragsrecht 
erlischt, wenn der Berechtigte stirbt, ohne eine 
Entschließung über den Strafantrag gefaßt 
oder kundgegeben zu haben (Ret. 11, 53). 
Der Verletzte, welcher das 18. Lebensjahr voll- 
endet hat, ist selbständig zu dem A. auf Be- 
strafung berechtigt. Solange er minderjährig 
ist, hat, unabhängig von seiner eigenen Be- 
fugnis, auch sein gesetzlicher Vertreter das 
Recht, den A. zu stellen. Ist der Verletzte 
geschäftsunfähig oder hat er das 18. Lebens- 
jahr noch nicht vollendet, so ist sein gesetzlicher 
Vertreter der zur Stellung des A. Berechtigte 
(StE B. § 65). Wer der gesetzliche Vertreter 
und wer geschäftsunfähig ist, bestimmt sich nach 
dem BE#. JFür ein unter elterlicher Gewalt 
des Vaters stehendes Kind kann zu dem 
Zwecke ein Pfleger bestellt werden, damit 
dieser wegen einer gegen das Kind begangenen 
Straftat den Strafantrag stelle, den zu stellen 
der Vater pflichtwidrig unterläßt (Rt. 35, 
47). Ein von dem gesetzlichen Vertreter des 
Verletzten zurüchgenommener Strafantrag kann 
aber von einem hierzu bestellten Pfleger nicht 
wirksam erneuert werden (Ret. 36, 64).
	        
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