Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Puerperalfieber), Körnerkrankheit (Granulose, 
Trachom), BRüchfallfieber (febris recurrens), 
Scharlach (Scharlachfieber), Typhus (Unter- 
leibstyphus), Milzbrand, Rotz, Tollwut (Lyssa) 
sowie Bißverletzungen durch tolle oder der 
Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch= und 
Wurstvergiftung, Trichinose, sowie jeder Todes- 
fall an Lungen= und Kehlkopftuberkulose. 
Anzeigepflichtig ist 1. der zugezogene Arzt, 
2. der Haushaltungsvorstand, 3. jede sonst mit 
der Behandlung oder Pflege des Erkrankten 
beschäftigte Person, 4. der Inhaber der Woh- 
nung, in der die Erkrankung oder der Todes- 
fall erfolgt ist, 5. der Leichenschauer, die zu 
2—5 Genannten nur subsidiär, sofern ein Vor- 
verpflichteter nicht vorhanden ist. Die Anzeige 
hat schriftlich oder mündlich, in den Fällen des 
Reichsgesetzes unverzüglich, in den Fällen des 
Landesgesetzes binnen 24 Stunden bei der für 
den Aufenthaltsort des Erkrankten oder für 
den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde zu 
erfolgen. Besondere Vorschriften bestehen für 
Erkrankungs= und Todesfälle in Kranken- 
usw. Anstalten und auf Schiffen und Flößen 
(s. die zitierten Gesetze). 
II. Bei Tierkrankheiten. Die A. bei 
übertragbaren Seuchen der Haustiere hat den 
Zweck, den mit der Handhabung der Veteri- 
närpolizei betrauten Behörden Renntnis von 
dem Ausbruche solcher Seuchen zu verschaffen 
und deren Bekämpfung zu ermöglichen. Sie 
liegt hinsichtlich der Rinderpest jedem ob, der 
zuverlässige Kunde davon erlangt, daß ein 
Stück Vieh an dieser Seuche erkrankt oder 
gefallen ist oder daß auch nur ein Seuchen- 
verdacht besteht (Rinderpestgesetz vom 7. April 
1869 — Bnl. 105 — § 4; Rev Instr. vom 
9. Juni 1873 — MUGBl. 147 — § 11). Bei 
den übrigen Seuchen ist nur der Besitzer des 
erkrankten oder verdächtigen Viehes zur An- 
zeige verpflichtet, ferner der den Besitzer ver- 
tretende Wirtschaftsvorsteher, der Begleiter von 
Tieren, die sich auf dem Transport befinden, und 
der Berwahrer von Vieh. Sodann müssen Tier- 
ärzte, sonstige gewerbsmäßig mit der Ausübung 
der Tierheilkunde befaßte Personen, Fleisch- 
beschauer und Abdecker Anzeige erstatten, wenn 
sie vor polizeilichem Einschreiten von einem 
Seuchenausbruch oder von Erscheinungen 
Kenntnis erhalten, die den Verdacht eines 
solchen Ausbruchs begründen (Viehseuchengesetz 
vom 23. Juni 1880 — RuaBl. 153 — § 9). 
Die A. erstrecht sich — abgesehen von der 
Rinderpest — kraft Gesetzes (8 10 a. a. O.) 
auf Milzbrand (Rauschbrand, Wild= und 
Rinderseuche), Tollwut, Rotz, Maul= und 
Klauenseuche, Lungenseuche des Rindviehs, 
Pockenseuche der Schafe, Beschälseuche der 
Pferde, Bläschenausschlag der Pferde und des 
Rindviehs, Räude der Einhufer und Schafe. 
Sie ist ferner zurzeit von dem Reichskanzler 
kraft der ihm im Gesetz erteilten Befugnis 
ausgedehnt: für ganz Preußen auf die Schweine- 
seuche, Schweinepest, Rotlauf der Schweine, 
Geflügelcholera und Hühnerpest, nur für die 
Prov. Sachsen auf die Gehirn= und Rückhen- 
markentzündung der Pferde (sog. Bornasche 
Krankheit) und nur für die Prov. Ostpreußen 
auf die als Influenza der Pferde bezeichneten 
  
Anzeigepflicht bei Landesstempelsachen — Anzugsgut. 
Krankheiten (Pferdestaupe und Brustseuche) 
sowie auf die Druse der Pferde. 
Die vorgeschriebene Anzeige ist sofort d. h. 
spätestens binnen 24 Stunden der Ortspolizei- 
behörde (Amtsvorsteher, Amtmann, Bürger- 
meister, Distriktskommissar usw.) bei Ver- 
meidung von gerichtlicher Bestrafung zu er- 
statten (vgl. § 65 Ar. 2 a. a. O.; StGB. 
§ 328 und dazu #St. 27, 357; 31, 381; 
35, 243; 37, 178). Die Vernachlässigung der 
A. hat ferner für den VBiehbesitzer den Verlust 
des etwaigen Anspruchs auf Entschädigung für 
gefallene oder getötete Tiere zur Folge (Rinder- 
pestgesetz § 4; Viehseuchengesetz § 63 Ar. 1; 
Milzbrandentschädigungsgesetz vom 29. Juni 
1890 und vom 22. April 1892 — GS. 221 
bzw. 90 — Art. 1 Ar. 2). 
III. A. bei reblausverdächtigen Er- 
scheinungen s. Reblaus. 
Anzeigepflicht bei Landesstempelsachen. 
Außer den Steuerbehörden haben alle Staats- 
und Kommunalbehörden sowie -beamten, denen 
eine richterliche oder Polizeigewalt anvertraut 
ist, die bei ihrer Amtsverwaltung zu ihrer 
enntnis kommenden Verstöße gegen das 
LStch. dem Hauptsteuer (Zoll-, amt behufs 
Einleitung des Strafverfahrens von Amts 
wegen anzuzeigen (LSto .. 30 Abs. 3). In 
Wechselstempelsachen ähnlich WeSt b. #§ 21. 
Wegen der A. in Reichsstempelabgaben 
s. Reichsstempelgesetz Ug. A. bei der An- 
stellung von Geistlichen s. Geistliche (Vor- 
bildung und Anstellung der Geistlichen) und 
irchenpolltische Gesetze, bei Eröffnung 
des Gewerbebetriebs s. Stehender Ee- 
werbebetrieb, bei der Krankenversicherung 
s. d. V, bei der Eröffnung unfallversiche- 
rungspflichtiger Betriebe und bei Be- 
triebsänderungen sf. Berufsgenossen- 
schaften II, III, bei Betriebsunfällen s. 
Unfalluntersuchung, bei der Beschäfti- 
gung von jugendlichen Arbeitern (. d. III, 
Wotorwerkstätten, Werkstätten der Kleider- 
und Wäschekonfektion, bei der Beschäftigung 
von Arbeiterinnen s. d. III, bei der Beschäfti- 
gung von Kindern (. d. IV. 
Anzeiger (öffentlicher) s. Amtsblätter. 
Anziehende s. ANeuanziehende. 
Anzugsgeld, Einzugsgeld, Eintritts- 
geld war eine Abgabe, welche seitens der Ge- 
meinden von den in eine Gemeinde neu An- 
ziehenden erhoben wurde. Für Preußen sind die 
Einzugsgelder und gleichartigen Kommunalab-= 
gaben durch das G. vom 2. März 1867 (GS. 
361) und durch § 8 Freizüg G. vom 1. Nov. 
1867 (BEBl. 55) für das Gebiet des Nord- 
deutschen Bundes aufgehoben worden (s. Frei- 
öügigneit. 
nzugsgut oder Umzugsgut, d. h. gebrauchte 
Gegenstände von Anziehenden zur eigenen Be- 
nutzung bleiben zollfrei, gebrauchte Maschinen 
zur Benutzung im Gewerbe= oder Landwirt- 
schaftsbetriebe jedoch nur ausnahmsweise auf 
besondere Erlaubnis (ZollTG. 86 Ar. 3 Abs. 1). 
Als Anziehende werden nur physische, nicht 
auch juristische Personen angesehen. Die Er- 
teilung der besonderen Erlaubnis steht der- 
jenigen Direktivbehörde zu, in deren Bezirk 
der Anziehende seinen Wohnsitz nimmt (Anlei-
	        
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