Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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nur einzelne Bestimmungen der GewO. An— 
wendung finden (s. Gewerbeschutz). Dahin 
gehören außer den land= und forstwirtschaft- 
lichen A. (s. unter II) u. a. die Bergarbeiter 
(s. d.). Auch die A. in Eisenbahnbetrieben ein- 
schließlich der A. in den Werkstätten sind keine 
gewerblichen A., doch werden auf die A. in 
den Werkstätten der Reichs= und Staatseisen- 
bahnen die Vorschriften der GewO. Tit. VII 
angewendet (MGE. vom 18. Febr. 1905 — SM- 
Bl. 45). S. auch Eisenbahnarbeiter. 
Uber das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und 
gewerblichen A. s. Arbeitsvertrag, Lehr- 
linge, Betriebsbeamte. S. auch Gewerbe- 
gehilfen, Arbeitsbuch, Minderjährige, 
jugendliche Arbeiter, Arbeiterinnen, 
Kinder. 
II. Land= und forstwirtschaftliche A. 
Das Arbeitsverhältnis der land= und forst- 
wirtschaftlichen A. beruht auf freier Ver- 
einbarung und unterliegt den allgemeinen Be- 
stimmungen des B B. über den Dienstvertrag. 
Die für gewerbliche A. gegebenen Vorschriften 
finden auf sie keine Anwendung, wohl aber 
auf die A. in gewerblichen Nebenbetrieben der 
Landwirtschaft (Brennereien, Zuchkerfabriken 
usw.). Uber das Verbot des Kontrakt- 
bruchs s. d. Ein Koalitionsverbot ent- 
hält § 3 des G., betr. die Berletzung der Dienst- 
pflichten des Gesindes und der ländlichen 
Arbeiter vom 24. April 1854 (GS. 214), in- 
dem er (Gesinde, Schiffsknechte, Dienstleute 
und) land= und forstwirtschaftliche A. unter 
Strafe stellt, wenn sie die Arbeitgeber oder 
die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder 
Zugeständnissen dadurch zu bestimmen suchen, 
daß sie die Einstellung der Arbeit oder die 
Verhinderung derselben bei einzelnen oder 
mehreren Arbeitgebern verabreden, oder zu 
einer solchen Verabredung andere auffordern. 
Das System der teilweisen Aaturallöhnung 
ist bei den ständigen A. noch überall ver- 
breitet, namentlich soweit es sich um Arbeiter- 
familien handelt, die auf dem Gute des Ar- 
beitgebers mit freier Wohnung, Feuerung, 
Garten= und Kartoffelland, freier Kuhhaltung 
usw. angestellt sind (Instleute, Einlieger, 
Katenleute), regelmäßig mit einjährigen Kon- 
trakten. Die Barlöhne sind hier im Sommer 
höher als im Winter, die Zahl der Arbeits- 
tage für die Frau im voraus festgesetzt, Dresch- 
arbeit und Kartoffelernte werden im Akkord 
bezahlt. Im Osten muß eine solche Familie 
vielfach noch einen jugendlichen A. (Schar- 
werker) stellen, meist ein schulentlassenes Kind 
des A., für den derselbe Tagelohn wie für 
Frauenarbeit gezahlt wird. Als Besonderheit 
ist zu erwähnen die AkabO. vom 8. August 
1837 (v. Kamptz, Jahrg. 1837 Bd. 21 S. LSan 
wonach in den Prov. Ost= und West- 
preußen Streitigkeiten der Instleute über 
An- und Ab#ug in derselben Weise wie beim 
eigentlichen Gesinde der vorläufigen Entschei- 
dung der Polizeibehörde unterliegen. An der 
Gültigkeit dieser RabO. ist durch das BGB. 
nichts geändert (OV. bei v. Kamptz, Recht- 
sprechung 2. Erg.-Bd. S. 581, ferner Pr VMBl. 
26, 446). 
Früher die Auswanderung, jetzt die Ab- 
  
Arbeiter. 
wanderung der Landarbeiter in die großen 
Städte und das westliche Industriegebiet haben 
in Verbindung mit dem gesteigerten Arbeiter- 
bedarf, den der intensivere Betrieb der Land- 
wirtschaft, besonders der Hachfruchtbau mit 
sich bringen, die Landwirtschaft in steigendem 
MAaße zur Heranziehung nichtständiger A-. 
(Saisonarbeiter, Sachsen gänger) genötigt. Uber 
die Räume und Einrichtungen zu ihrer Unter- 
bringung sind vielfach Folizetliche Vorschriften 
erlassen. Die Dechung des Bedarfs an solchen 
A. wird oft durch die Landwirtschaftskammern 
vermittelt, die auch Muster für die Arbeits- 
verträge aufgestellt haben. Um für den Bezug 
ausländischer A. den Wettbewerb der verschie- 
denen Landwirtschaftskaammern angemessen zu 
regeln, hat sich neuerdings die Feldarbeiter- 
zentralstelle gebildet (s. d. und Auslän- 
dische Arbeiter). 
Die Behebung des Arbeitermangels auf dem 
Lande ist eine der wichtigsten und zugleich 
schwierigsten Aufgaben. Auf dem Boden des 
geltenden Rechts der Freizügigkeit und bei 
der starken natürlichen Vermehrung der Land- 
bevölkerung müssen hier alle Maßnahmen er- 
griffen werden, welche geeignet sind, die A. 
zum freiwilligen Verbleiben auf dem Lande 
zu bestimmen und wenigstens einen Teil des 
jährlichen Geburtenüberschusses dem Lande zu 
erhalten. Auf ökonomischem Gebiet ist hier 
besonders die Fürsorge für ausreichende 
Winterarbeit zu erwähnen, durch den Ma- 
schinendrusch und die häufige Niederlegung 
von Privatforsten ist die Gelegenheit zur 
Winterarbeit vielfach eingeschränkt worden. 
Ferner kommt in Betracht die Förderung der 
inneren Rolonisation, besonders der Renten- 
gutsbildungen. Die Schaffung von klein- 
bäuerlichen und Arbeiterstellen hat namentlich 
dadurch Bedeutung, daß sie durch die Aussicht 
auf den Erwerb einer eigenen Scholle dem 
tüchtigen A. Aussicht auf Vorwärtskommen 
und Selbständigkeit bietet und ihn hierdurch 
auf dem Lande fesselt. 
Von der größten Bedeutung ist endlich das 
Wohnungswesen, da dies unzweifelhaft das 
Gebiet ist, auf dem das flache Land in bezug 
auf Billigkeit, Gesundheit und Annehmlichkeit 
den natürlichen Vorsprung vor den Großstädten 
beanspruchen kann. Die Bestrebungen gehen 
besonders dahin, die Bestände der Landes- 
versicherungsanstalten, die für den Bau 
städtischer Arbeiterwohnungen schon jetzt in 
umfangreichem Maße verwendet werden, au 
für das Land zu demselben Zwecke nutzbar zu 
machen (ovgl. die ausführlichen Verhandlungen 
des deutschen Landwirtschaftrats im Jahre 1904 
— Arch. des deutschen Landwirtschaftsrates 
28. Jahrg. S. 364—442). Die Bildung von 
Baugenossenschaften für diesen Zweck ist für 
das platte Land im allgemeinen Bein geeig- 
neter Weg, vielmehr werden als Darlehens- 
nehmer vorzugsweise Kommunalverbände 
(Kreise) und die einzelnen Grundbesitzer in 
Betracht kommen. Damit letztere die erforder: 
liche Realsicherheit gewähren können, bedarf 
es zugleich einer Vereinbarung mit dem be- 
teiligten Grundstüchsinstitut behufs Bewilli- 
gung von Vorrechtseinräumungen. In dieser
	        
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