Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Arbeiterkolonien. 
Tagen durch die untere Verwaltungsbehörde 
eine Verlängerung der Arbeitszeit, Nachtarbeit 
und der Wegfall der Nausen durch schriftlichen 
Bescheid gestattet werden (Gew O. 8 139 Abs. 1; 
AusfAnw. z. GewO. Ar. 237—241). 
4. Wegen der Natur des Betriebes oder aus 
Rüchsichten auf die Arbeiter können für ge- 
wisse Fabrikationszweige des Reiches oder be- 
stimmter Bezir#e Ausnahmen durch den Bun- 
desrat gestattet werden (s. unter V). Im übri- 
g kann für einzelne Betriebe durch den 
egierungspräsidenten, im LPB. Berlin durch 
den Polizeipräsidenten eine Abkürzung oder 
ein Wegfall der Arbeitspausen ohne Aber— 
schreitung der gesetzlichen Arbeitsdauer, durch 
den Reichskanzler Nachtarbeit und Arbeit an 
Vorabenden von Sonn= und Festtagen durch 
schriftlichen Bescheid gestattet werden (GHewO. 
§ 139 Abs. 2; AusfAnw. z. GewO. Nr. 242 
bis 247). 
V. Ausnahmen für gewisse Fabri- 
kationszweige (GewO. 8139a). Der Bundes- 
rat kann mit zeitlicher Begrenzung für gewisse 
Fabrikationszweige des Reiches oder bestimmter 
Bezirke Ausnahmen für die Beschäftigung von 
A. zulassen. Zunächst kann die Verwendung 
von A. für gewisse Fabrikationszweige, welche 
mit besonderen Gefahren für Gesundheit oder 
Sittlichtkeit verbunden sind, gänzlich untersagt 
oder von besonderen Bedingungen abhängig 
gemacht werden. Ferner können für Fabriken, 
welche mit ununterbrochenem Feuer betrieben 
werden, oder welche sonst durch die Art des 
Betriebes auf eine regelmäßige Tag= und 
Vachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche 
Fabriken, deren Betrieb eine Einteilung in 
regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer 
nicht gestattet oder seiner Natur nach auf be- 
stimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen 
binsichtlich der Nachtarbeit, der Dauer der täg- 
lichen Beschäftigung und der Pausen gestattet 
werden. Doch darf die Dauer der wöchent- 
lichen Arbeitszeit für A. 65, für A. in Ziege- 
leien 70 Stunden nicht überschreiten. Die 
Tachtarbeit darf in 24 Stunden die Dauer 
von 10 Stunden nicht überschreiten und muß 
in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen 
in der Gesamtdauer von mindestens einer 
Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten 
und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. 
Endlich können für Fabrikationszweige, in 
denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des 
Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis ein- 
tritt, Ausnahmen hinsichtlich der Aachtarbeit 
und der täglichen Beschäftigungsdauer mit der 
# abßgabe zugelassen werden, daß die tägliche 
obeitszeit 13 Stunden, an Sonnabenden 
Stunden nicht überschreitet. Die Erlaubnis 
zur Uberarbeit für mehr als 40 Tage im 
Dahre darf jedoch nur dann erteilt werden, 
täcrnn die Arbeitszeit so geregelt ist, daß ihre 
"ag iche Dauer im Durchschnitte der Betriebs- 
Acke des Jahres die regelmäßige gesetzliche 
di eitszeit nicht überschreitet. Auf Grund 
eser Ermächtigung ist die Beschäftigung von 
Zi haregeit in Konservenfabriken (f. d.), in 
utte enfabrihken (s. Zichorie), in Glas- 
Stennn C. d.), in Rohzuckerfabriken (s. d.), in 
nkohlenbergwerken im Reg.-Bez. Oppeln 
  
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([Bergwerke), in Walz= und Hammerwerken 
(I. d.), in Ziegeleien (s. d.), in Meiereien (s. d.). 
Auch in den Beschlüssen des Bundesrats 
über die Einrichtung und den Betrieb von 
Anlagen zur Anfertigung von Zigarren (Is. d.), 
Alkalichromaten (s. d.), sowie zur Herstellung 
elektrischer Akkumulatoren aus Blei oder 
Bleiverbindungen (s. d.), von Anlagen, in 
denen Thomasschlacke gemahlen oder Thomas- 
schlackenmehl gelagert wird (s. Thomas- 
schlache) oder Gummiwaren vulkanisiert 
werden (s. Gummiwaren), von Zinkhütten 
(I. d.), von Bleihütten (s. d.), von Anlagen zur 
Herstellung von Bleifarben und anderen Blei- 
produkten (s. d.) sind über die Beschäftigung 
von A. Bestimmungen vorgesehen. Das gleiche 
gilt von dem Beschlusse betr. die Beschäftigung 
von Gehilfen und Lehrlingen in Gast= und 
Schankbwirtschaften (s. d.). 
VI. Strafbestimmungen in GewO. 8§ 146 
Abs. 1 Ar. 2, § 149 Abs. 1 Ar. 7. Wegen der 
strafrechtlichen Berantwortlichkeit des Arbeit- 
gebers s. Jugendliche Arbeiter. 
Arbeiterkolonien sind zur Aufnahme von 
Bersonen bestimmt, die durch Betteln und 
andstreichen heruntergekommen sind und sich 
des Arbeitens entwöhnt haben. Diesen soll 
in den A. zeitweise Arbeit, Verpflegung und 
ein geregeltes Leben gewährt und ihnen so 
die Rüchkehr zur Ordnung erleichtert werden. 
Die notwendige Voraussetzung der Verpflegung 
ist dabei die Leistung von Arbeit, sonst aber 
ist die Dauer der Verpflegung nicht beschränkt. 
Die erste A. ist die in Wilhelmsdorf bei Biele- 
feld, welche 1882 von dem Pastor v. Bodel- 
schwingh zu dem Zwecke eingerichtet worden ist, 
1. arbeitslustige und arbeitslose Männer jeder 
Konfession und jeden Standes so lange in länd- 
lichen und anderen Arbeiten zu beschäftigen, bis 
es möglich geworden ist, ihnen anderweit loh- 
nende Arbeit zu beschaffen, und ihnen so die Hand 
zu bieten, vom Vagabundenleben loszukommen, 
2. arbeitsscheuen Bagabunden jede Entschuldi- 
gung abzuschneiden, daß sie Rheine Arbeit 
hätten. Nach ihrem Muster sind dann zahl- 
reiche andere in Preußen und Deutschland 
geschaffen worden (vgl. Zirkular, betr. Hand- 
habung des Stationswesens der deutschen A., 
vom 13. Juni 1889 — AMlB—l. 226). Die A-. 
haben sich zu einem Verbande, dem Zentral- 
verbande deutscher A., zusammengeschlossen. 
Mit ihnen sind meist Arbeitsnachweisestellen 
verbunden (ogl. Vf., betr. Fürsorge für Ar- 
beitslose durch Arbeitsnachweisestellen, vom 
13. Mai 1901 — MBl. 148 — und Vf. betr. 
Ausstellung von Gutscheinen für Eisenbahn- 
fahrkarten durch Arbeitsnachweisestellen, vom 
13. Mai 1901 — M3Bl. 149, HMBl. 74). Die 
Mittel zur Unterhaltung der A. werden durch 
Beiträge der Mitglieder sowie durch Liebesgaben, 
Vermächtnisse usw., Zzum Teil auch durch Zu- 
schüsse öffentlicher Rörperschaften, insbesondere 
der Provinzen und Kreise, aufgebracht. # 
Wegen der Alters= und Invalidenversiche- 
rung der in A. Beschäftigten s. Nr. 11 u. 18e 
der Anleitung, betr. den Kreis der nach Inv- 
VG. versicherten Personen, vom 6. Dez. 1905 
(AM. 1905, 612; HMBl. 1906 Beilage zu 
Ar. 2) und wegen ihrer Befreiung von der 
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