Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Gew O. 8 57 Ar. 4. Vgl. auch Bettelei und 
das dort unter II angezogene Zirk. vom 
28. Dez. 1879. 
Arbeitsvertrag. Auf den Dienstvertrag 
zwischen Unternehmer und gewerblichem Ar- 
beiter (s. d.) finden die Vorschriften des B . 
§8 611—630 Anwendung, soweit nicht die 
Gew O. abweichende Bestimmungen enthält 
(EGBGB. Art. 32). Insbesondere gelten die 
Vorschriften des BE. über die Befähigung 
zur Eingehung des Arbeitsverhältnisses (§ 113), 
das Zustandekommen des A. (6 131), die 
Formen der Kündigung (8§8 621 ff.), die Ver- 
jährung der Lohnansprüche ( 196) usw. Im 
übrigen unterliegt nach GewO. 8§ 105 die Fest- 
setzung der Verhältnisse zwischen dem selb- 
ständigen Gewerbetreibenden und den gewerb- 
lichen Arbeitern freier Ubereinkunft, soweit 
nicht die Reichsgesetze Beschränkungen ent- 
halten. Dahin gehört zunächst von den Be- 
stimmungen der GewO. der § 105 a, wonach 
die Arbeiter zu Arbeiten an Sonn= und 
Festtagen nicht verpflichtet werden hönnen, 
soweit nicht die Gew O. eine solche Beschäfti- 
gung zuläßt (s. Sonntagsruhe). Sodann 
ind hierher zu rechnen, die Vorschriften der 
§ 115, 117, 118, 119 über die Barzahlung 
der Löhne (s. d.), über das Verbot des Kredi- 
tierens von Waren (s. Truchsystem), sowie 
über das Verbot gewisser Verabredungen und 
die §§ 119a, 119b über Lohneinbehaltungen. 
Ferner kommen in Betracht die Bestimmungen 
des Haftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 §5 5 
(Rö#l. 207), des &VE. § 80; GU W. 8§ 141; 
LUV. 8§ 152, Bu. § 45; SUVEc. 8 139, 
Inv VE. § 190, wonach es den Betriebsunter- 
nehmern und ihren Angestellten untersagt ist, 
durch Ubereinkunft die Anwendung der Bestim- 
mungen des Haftpflichtgesetzes, des KVG., der 
Unfallversicherungsgesetze und des JV #. zum 
Nachteile der Versicherten ganz oder teilweise 
auszuschließen oder die Versicherten in der 
Ubernahme oder Ausübung der Ehrenämter 
zu beschränken. Alle dem widersprechende 
Vertragsbestimmungen sind nichtig. Eine 
weitere Beschränkung der freien Regelung des 
A. findet sich in GewO. § 122, wonach die 
Aufkündigungsfristen für beide Teile gleich 
sein müssen. Abweichend von der Vorschrift 
des BE#. 8 626, der die Kündigung ohne 
Einhaltung einer Kündigungsfrist allgemein 
zuläßt, gelten für gewerbliche Arbeiter die 
Vorschriften der GewO. 8§8 123, 124, 124 a je- 
doch mit der Maßgabe, daß die dort auf- 
gezählten Kündigungsgründe durch Vertrag 
eingeschränkt oder erweitert werden können. 
Insbesondere ist die Verabredung einer jeder- 
zeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses ohne 
vorherige Kündigung zulässig (Erl. vom 
20. Juni 1892 — M.l. 276). Nach § 123 
können Gesellen (Gehilfen) und Fabrikarbeiter 
G 135) ohne Aufkündigung vor Ablauf der 
vertragsmäßigen Zeit entlassen werden, wenn 
sie 1. bei Abschluß des A. den Arbeitgeber 
durch Vorzeigung falscher oder verfälschter 
Arbeitsbücher oder Zeugnisse hintergangen 
oder ihn über das Bestehen eines anderen, sie 
gleichzeitig verpflichtenden Arbeitsverhältnisses 
in einen Irrtum versetzt haben; 2. eines Dieb- 
  
Arbeitsvertrag. 
stahls, einer Entwendung, einer Unterschlagung, 
eines Betrugs oder eines liederlichen Lebens- 
wandels sich schuldig machen; 3. die Arbeit un- 
befugt verlassen haben oder sonst den nach dem 
A. ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzu- 
kommen beharrlich verweigern; 4. der Verwar- 
nung ungeachtet mit Feuer und Licht unvor- 
sichtig umgehen; 5. sich Tätlichkeiten oder grobe 
Beleidigungen gegen den Arbeitgeber oder seine 
Vertreter oder gegen die Familienangehörigen 
des Arbeitgebers oder seiner Vertreter zu 
schulden Kommen lassen; 6. einer vorsätzlichen 
und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum 
Nachteile des Arbeitgebers oder eines Mit- 
arbeiters sich schuldig machen; 7. Familien= 
angehörige des Arbeitgebers oder seiner Ver- 
treter oder Mitarbeiter zu Handlungen ver- 
leiten oder zu verleiten versuchen oder mit 
Familienangehörigen des Arbeitgebers oder 
seiner Bertreter Handlungen begehen, welche 
wider die Gesetze oder die guten Sitten ver- 
stoßen; 8. zur Ferbheb der Arbeit unfähig 
oder mit einer abschrechenden Krankheit be- 
haftet sind. In den Fällen unter Ar. 1—7 
ist die Entlassung nicht mehr zulässig, wenn 
die zugrunde liegenden Tatsachen dem Arbeit- 
geber länger als eine Woche bekannt sind. In 
den Fällen unter 8 kann eine Entschädigung 
nur nach BEB. 8§8§ 323—325 oder wenn eine 
solche verabredet ist gefordert werden (Gew. 
§ 123 Abs. 3). 
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und 
ohne Aufkündigung können Gesellen und Ge- 
hilfen gemäß GewO. 8§ 124 die Arbeit verlassen: 
1. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig 
werden; 2. wenn der Arbeitgeber oder seine 
Vertreter sich Tätlichkeiten oder grobe Belei- 
digungen gegen die Arbeiter oder gegen ihre 
Familienangehörigen zu schulden kommen 
lassen; 3. wenn der Arbeitgeber oder seine Ver- 
treter oder Familienangehörige derselben die 
Arbeiter oder deren Familienangehörige zu 
Handlungen verleiten oder zu verleiten ver- 
suchen oder mit den Familienangehörigen der 
Arbeiter Handlungen begehen, welche wider 
die Gesetze oder die guten Sitten laufen; 
4. wenn der Arbeitgeber den Arbeitern den 
schuldigen Lohn nicht in der bedungenen Weise 
auszahlt, bei Stücklohn nicht für ihre aus- 
reichende Beschäftigung sorgt, oder wenn er 
sich widerrechtlicher Ubervorteilungen gegen sie 
schuldig macht; 5. wenn bei Fortsetzung der 
Arbeit das Leben oder die Gesundheit der 
Arbeiter einer erweislichen Gefahr ausgesetzt 
sein würde, welche bei Eingehung des Arbeits- 
vertrags nicht zu erkennen war. In den unter 
Nr. 2 gedachten Fällen ist der Austritt aus 
der Arbeit nicht mehr zulässig, wenn die zu- 
grunde liegenden Tatsachen dem Arbeiter 
länger als eine Woche bekannt sind. 
In Gewerbebetrieben, für die eine Arbeits- 
ordnung (s. d.) erlassen ist, dürfen andere als 
in dieser vorgesehene oder gesetzliche Ent- 
lassungsgründe nicht vereinbart werden. Außer 
aus den angeführten Gründen Rann jeder der 
beiden Teile aus wichtigen Gründen (3. B. 
Todesfälle oder schwere Erkrankungen, bei 
weiblichen Arbeitern auch Verheiratung) vor 
Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne
	        
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