Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

142 Auseinandersetzungsverfahren mit Ausschluß der Prov. Hannover. 
setzungsangelegenheiten von unwesentlicher Be- 
deutung übertragen. 
Auseinandersetzungsverfahren mit Aus- 
schluß der Provinz Hannover. Die Haupt- 
gesetze über das A. sind die V. vom 
20. Juni 1817 (GS. 161) — nachstehend 
als V. 17 bezeichnet —, das A#. vom 
7. Juni 1821 (GS. 83), die BV. vom 30. Juni 
1834 (GS. 96) — nachstehend als V. 34 
bezeichnet —, das G. wegen Sicherstellung 
der Rechte dritter Personen vom 29. Juni 1835 
(GS. 135), die V. vom 22. Nov. 1844 (GS. 
1845, 19), das Reallastenablösungsgesetz vom 
2. März 1850 (GS. 77) §§ 106—111, das Er- 
änzungsgesetz vom 2. März 1850 (GS. 139) 
Art. 15 und das G. vom 18. Febr. 1880 in 
der Fassung des G. vom 22. Sept. 1899 (GS. 
284) — nachstehend mit G. 80/99 bezeich- 
net. — Das auf den V. 17 u. 34 beruhende 
Verfahren kommt auf Grund zahlreicher 
Spezialgesetze, deren Aufführung im einzelnen 
zu weit führen würde, in den sämtlichen hier 
der Darstellung unterliegenden Gebietsteilen 
zur Anwendung; jedoch gelten für die Güter- 
konsolidationen im Reg.-Bez. Wiesbaden be- 
sondere Bestimmungen, die eine gesonderte 
Darstellung verlangen. 
I. Grundzüge des Verfahrens. Die 
V. 17, die die Grundlage aller Verfahrens- 
vorschriften enthält, bezog sich nur auf die 
Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Ver- 
hältnisse, für die die Generalkommissionen da- 
mals fast allein zuständig waren. Erst später 
wurden ihnen, und zwar nach und nach, die 
Gemeinheitsteilungen sowie die Ablösungen 
der Servituten und Reallasten übertragen. 
Bei der Uberweisung neuer Geschäfte wurden 
aber entweder Reine oder doch nur wenige 
besondere Verfahrensvorschriften gegeben, und 
daher kommt es, daß von den ursprünglich 
nur für die Regulierung der gutsherrlich- 
bäuerlichen Verhältnisse gegebenen Vorschriften 
auf die Erledigung anderer Geschäfte die- 
jenigen Bestimmungen anzuwenden sind, welche 
der Natur des gerade vorliegenden Geschäfts 
entsprechen. 
Das durch die V. 17 eingeführte Verfahren 
geht davon aus, daß die Generalkommission 
in den zu ihrer Zuständigkeit gehörenden An- 
gelegenheiten für die Einleitung einer Sache 
stets eines Antrags bedarf; ist aber ein Ver- 
fahren einmal anhängt geworden, so ist es 
in allen Teilen von Amts wegen zu leiten 
und möglichst im Wege der GCüte durchzu- 
führen. Wo Streitigkeiten nicht zu vermeiden, 
sind sie richterlich, und zwar ebenfalls von der 
Generalbommission, zu entscheiden. 
Das „Offizialprinzip“ bringt es mit sich, 
daß die einmal angefangene Auseinander- 
setzung ununterbrochen fortgesetzt werden muß 
und daß der Kommissar bei allen und jeden 
Teilstücken des Verfahrens selbsttätig dafür 
zu sorgen hat, daß in einem folgerechten Ver- 
laufe alles Sachgehörige herbeigeschafft werde 
(V. 17 § 72; V. 34 § 17). Insbesondere hat 
er sich Keineswegs auf die Erklärungen der 
Beteiligten zu beschränken, sondern auch un- 
abhängig von diesen alle Nachrichten über 
Sach= und Rechtsverhältnisse, welche auf die 
  
Auseinandersetzung von Einfluß sein können, 
auf dem kürzesten Wege herbeizuschaffen. 
Selbstverständlich ist es auch seine Pflicht, da- 
für zu sorgen, daß alle Beteiligte zur Sache 
vorschriftsmäßig zugezogen werden, und zwar 
nicht nur diejenigen, welche das Verfahren 
unmittelbar betrifft, sondern auch alle die- 
jenigen, in deren Rechten durch die Ausein- 
andersetzung eine Anderung bewirkt wird 
(V. 17 § 90; V. 34 § 17). Wegen der sog. 
Verwendungsregulierung vgl. unter Gemein- 
heitsteilungen I A 5. Um die Sache im 
Wege der Güte beilegen zu Rkönnen, müssen 
die Kommissare nicht nur den Beteiligten mit 
ihren wohlüberdachten, der Ortlichkeit und 
ihrem gegenseitigen Verhältnis angemessenen 
Vorschlägen an die Hand gehen, sondern auch 
jedes. rcchtliche und billige Abkommen unter- 
stützen (V. 17 § 41). Sie sind aber nicht etwa 
an die Vereinbarungen der Beteiligten ge- 
bunden (vgl. V. 17 § 46; AG. vom 7. Juni 
1821 § 9; V. 34 § 38). Wo eine gütliche Aus- 
einandersetzung nicht " erreichen ist, tritt ein 
besonders geordnetes Verfahren ein, und dem- 
gemäß unterscheidet man das „Regulierungs- 
verfahren“ und das „Streitverfahren“. Ersteres 
bildet die Regel, letzteres Kommt nur in ein- 
zelnen Fällen vor. 
II. Regulierungsverfahren. Sobald ein 
Antrag („Provokation") von der General- 
kommission für begründet erachtet worden, 
beauftragt sie einen Kommissar mit der 
Leitung der nachgesuchten Auseinandersetzung. 
Der Antrag bestimmt zwar im allgemeinen 
die Richtung des einzuschlagenden Verfahrens, 
doch hat der Kommissar von vornherein zu 
erwägen, ob diesem nicht zwechmäßig ein 
größerer Umfang zu geben sein wird, und 
dann hierauf hinwirken (V. 34 § 17). Zu- 
nächst werden mit den Beteiligten die in Be- 
tracht kommenden Sach= und Bechtsverhält- 
nisse erörtert; ihr Ergebnis wird in einer 
„Generalverhandlung“ niedergelegt (V. 17 
§ 89). Diese bildet die Grundlage der weiteren 
Verhandlungen. Sache des Kommissars ist 
es, die Richtigkeit der gemachten Angaben zu 
prüfen, für die Legitimation der zugezogenen 
Beteiligten zu sorgen, und behufs Aufstellung 
des Auseinanderfetzungsplanes zunächst die 
bestehenden Teilnahmerechte und deren Werte 
zu ermitteln. Soweit hierbei Messungsarbeiten 
erforderlich sind, werden sie durch die dem 
Kommissar überwiesenen Vermessungsbeamten 
ausgeführt. Muß eine Wertschätzung von 
Grundstüchen vorgenommen werden, so werden 
sie „bonitiert“, d. h. durch zwei von den Be- 
teiligten zu wählende oder auch von dem 
Spezialkommissar zu ernennende besondere 
Sachverständige (Boniteure) in Klassen einge- 
schätzt, die für die gegebene Ortlichkeit er- 
mittelt und von dem Kommissar zwar na 
Büchsprache mit den Boniteuren, aber doc 
nach seinem alleinigen Ermessen festgeses. 
werden. Die Ergebnisse der Vermessung un 
Bonitierung werden in Karten eingetrages 
dort berechnet, in einem „Vermessungs-Boni- 
tierungsregister" zusammengestellt und den. 
nächst den Beteiligten zur Anerkennung voer 
gelegt. Entstehen hierbei Streitigkeiten ü
	        
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