Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Ausländer. 
II. Nach heutigen völkerrechtlichen Anschau- 
ungen ergreift die Gebietshoheit alle auf 
dem Gebiet sich befindenden Personen, mit 
Ausschluß allein der sog. Exterritorialen (s. 
Exterritorialität), deshalb sind auch die 
A. der Gesetzgebung, Verwaltung und Bechts- 
pflege des Aufenthaltsstaates unterworfen. Da- 
mit ist umgekehrt für den Aufenthaltssta at die 
Verpflichtung gegeben, den sich auf seinem 
Gebiete aufhaltenden A. denselben Schutz zu 
gewähren, wie den eigenen Staatsangehörigen. 
ber so wie die A. keinen Anspruch auf die 
Gewährung der staatsbürgerlichen (politischen) 
Rechte haben, so können sie auch den staats- 
bürgerlichen (politischen) Pflichten nicht unter- 
worfen werden (Liszt, Völkerrecht, 3. Aufl., 
S. 72). Diesen völkerrechtlichen Grundsätzen 
ist die Reichsgesetzgebung und die preuß. Ge- 
setzgebung im allgemeinen gefolgt. 
III. Die Rechte der A. im Inlande sind in 
der Hauptsache abhängig von der Tatsache des 
Aufenthalts im Inlande und endigen daher 
gleichviel, ob sie auf reichs= und landesgesetz- 
lichen Bestimmungen oder auf Staatsverträgen 
beruhen, sobald der Staat von seiner Befug- 
nis Gebrauch macht, sich der A. durch Aus- 
weisung zu entledigen. Ein Recht auf Aufent- 
halt im Inlande steht den A. nicht zu, soweit 
nicht ein solches durch Viederlassungsverträge 
((. d.) begründet ist; vielmehr ist es ein unbe- 
strittener Ausfluß der Staatshoheit, A. im 
Interesse der öffentlichen Ruhe, Sicherheit 
und Ordnung des Landes zu verweisen ((. 
Ausweisungen). Den A. stehen dem- 
gegenüber „die Rechte der Preußen“, welche 
der Tit. II Bll. den preuß. Staatsangehörigen 
gewährleistet, und welche auch die Ange- 
hörigen der übrigen deutschen Bundesstaaten 
nach Art. 3 MV. genießen, nicht zur Seite. 
Auch die Bestimmungen der Strafprozeßord- 
nung kommen bei der Ausweisung nicht in 
Betracht, weil sich die Ausweisung nicht als 
Verfolgung einer strafbaren Handlung dar- 
stellt. Zur Kontrolle über die sich im In- 
lande aufhaltenden A. haben die Landräte, 
in den Stadtkreisen die Ortspolizeibehörden 
nach einem nicht veröffentlichten Erl. des MdJ. 
vom 3. Jan. 1896 besondere Listen zu führen, 
in welche die A. unter Angabe von Stand, 
Religion, Alter, Wohnort und Staatsangehörig- 
keit und unter Bezeichnung des Tages des 
uzuges oder des Abzuges einzutragen sind. 
die erforderlichen Grundlagen für diese Listen- 
Uhrung werden von den Mielderegisterbehörden 
geliefert. 
IV. Im einzelnen enthält die preußische und 
insbesondere die Reichsgesetzgebung zahlreiche 
estimmungen in bezug auf A., und zwar teils 
solche, welche die Pflichten und Rechte der im 
nlande sich aufhaltenden A. auf verschiedenen 
ebieten des öffentlichen Lebens näher fest- 
stellen, teils solche, die dazu dienen sollen, die 
eigenen staatlichen Interessen, sowie die Inter- 
essen der Reichsangehörigen gegenüber A. zu 
seahren. Zum Teil beruhen diese letzteren Vor- 
chriften auf dem Prinzipe der Reziprozität, in- 
usm sie nur in Anwendung kommen, wenn 
und soweit den deutschen Reichsangehörigen 
vun dem fremden Staate nicht die Rechte der 
  
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eigenen Landangehörigen gewährt werden. 
Hervorzuheben sind in bezug auf Pfflichten 
und Rechte der A. die Bestimmungen der 
Steuergesetze, welche die im Inlande sich 
aufhaltenden A. der Steuerhoheit ebenso unter- 
werfen, wie die Inländer selbst (Eink Stch. vom 
24. Juni 1891 — GS. 175 — §1 Ar 3; G., betr. 
Abänderung des Erb StE. vom 19. Mai 1891 — 
GS. 72 — Art. 1 8§ 9 u. 10; Wandergewerbe- 
steuergesetz vom 3. Juli 1876 — GS. 247 — 
§ 3; s. auch Einkommensteuergesetz IIl A 
u. Bj; Hausiersteuer IB); und die Vorschrif- 
ten der Armengesetze, welche die A., so- 
lange sie im Inlande geduldet werden, in 
bezug auf die zu gewährende Armenunter- 
st ützung gleichstellen (UW G. § 60; AG. vom 
8. März 1871 — GS. 130 — §5 64 f. auch 
Armenunterstützung VI). Zum Miilitär- 
dienst sind die im Inlande sich aufhaltenden A. 
nicht verpflichtet (RV. Art. 57; RMil S. 8 9; 
dagegen sind Personen, welche das Reichsgebiet 
verlassen, die Reichsangehörigkeit verlieren, 
eine andere Reichsangehörigkeit aber nicht 
erwerben oder wieder verloren haben, ebenso 
wie ihre Söhne gestellungspflichtig, wenn sie 
ihren dauernden Aufenthalt in Deutschland 
nehmen (8 11 a. a. O.; s. auch Wehrpflicht). 
Auch in zivilprozessualer und straf- 
prozessualer Hinsicht stehen A. den In- 
ländern im wesentlichen gleich, vorbehaltlich 
jedoch der Bestimmungen in 88 110 u. 111 
ZP. (wegen Sicherheitsleistung für Prozeß-= 
kosten s. auch Patentgesetz vom 7. April 1891 
§ 28 Abs. 5 und Bek. vom. 30. Sept. 1897 und 
23.Dez. 1897 — Röl.775u. 792— bezügl. Ruß- 
lands u. Osterreichs), sowie in §§ 112, 113 St PO. 
(Verhaftung). Aus dem Strafrecht s. 8 362 
StEB., wonach bei Verurteilung auf Uber- 
weisung an die Landespolizeibehörde A. aus- 
gewiesen werden können (s. auch Korrektio= 
nelle Aachhaft). Wegen der Eheschließungen 
von A. s. Eheschließungen. Beschränkungen 
greifen Platz gegenüber ausländischen 
Geistlichen G. vom 11. Mai 1873 — EGS. 
191 — §§ 1, 10; G. vom 31. Mai 1882 — GS. 
307 — Art. 3 Abs. 2); ausländischen jüdi- 
schen Kultusbeamten (s. Juden am Schluß); 
ausländischen juristischen Personen in 
bezug auf Grunderwerb (s. Juristische 
Personen Il); bei der Erteilung von 
Jagdscheinen (agdscheingesetz vom 31. Juli 
1895 — GS. 304 — § 1 Abs. 2); von Paten- 
ten (Patentgesetz vom 7. April 1891 — BE- 
Bl. 79 — §. 12); Eintragung von Gebrauchs- 
mustern (G. vom 1. Juni 1891 — B0Bl. 
290 — 8§ 13); beim Urheberrecht (G. vom 
19. Juni 1901 — Rl. 227 — 8 55); gegenüber 
ausländischen periodischen Druckschriften 
(Preßgesetz vom 7. Mai 1874 — BEBl. 65 — 
§ 14). Auch sind ausländische Besitzer von 
Gutsbezirken verbunden, zur Versehung der 
Gutsvorstehergeschäfte Stellvertreter zu be- 
stellen (L#. f. d. ö. P. § 124 Ar. 2) und gleiche 
Vorschriften in verschiedenen Kreisordnungen 
der übrigen Provinzen s. Gutsvorsteher. 
V. Beim stehenden Gewerbebetriebe 
(s. d. stehen die A. den Inländern im allgemeinen 
gleich. Es bestehen jedoch folgende Abweichun- 
gen: Die Erlaubnis zum Betriebe des Gewerbes
	        
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