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4. Mai 1903 (GS. 175), 15. Juni 1904 (GS.
145) und 8. Juli 1905 (GS. 315) zur Ver-
fügung gestellten Mitteln; Voraussetzung ist,
daß der Genossenschaft Arbeiter oder Beamte
der vorbezeichneten Art in größerer Zahl an-
gehören, daß ein erhebliches Bedürfnis zur Ver-
besserung der Wohnungsverhältnisse dieser Per-
sonen in dem Genossenschaftsbereiche besteht und
daß zur Befriedigung dieses Bedürfnisses Woh-
nungen der von der Genossenschaft geplanten
Art an der in Aussicht genommenen Stelle
dienlich sind. Es muß ferner den von den
beteiligten Ministern aufgestellten allgemeinen
Bedingungen vom 3. Juni 1902 (MBl. 110) ge-
nügt werden. Baudarlehne werden hiernach in
der Regel nur gegen hypothekarische Eintra-
gung zur zweiten Stelle gewährt; die erst-
stelligen Hypothekendarlehne haben die Ge—
nossenschaften mindestens bis zur Grenze der
Mündelsicherheit zu angemessenen Bedingungen
#z½ beschaffen, damit durch die Staatsmittel der
ohnungsbau in größerem Maße gefördert
wird, als wenn diese ausschließlich für den
vollen Bedarf bis zu den bedingungsmäßigen
Grenzen in Anspruch genommen würden. Das
Staats= und das erststellige Hypotheken=
darlehn zusammen dürfen 90 % des Bau-
und Bodenwertes oder 100 % des Bauwertes
nicht übersteigen. Das Staatsdarlehn ist mit
3 0% zu verzinsen und mit 1 % und den durch
die fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen
zu tilgen. Die Genossenschaft ist verpflichtet,
einen dem Verhältnisse des Staatsdarlehns
zu dem gesamten auf die Beschaffung von
Genossenschaftswohnungen verwendeten Kapi-
tal entsprechenden Teil ihrer Wohnungen den
Staatsbediensteten anzubieten. Andere den
Genossenschaften aufzuerlegende Bedingungen
sichern die Erreichung des Zwecks der staat-
lichen Beleihung und schließen eine spekulative
Verwendung des Gepnossenschaftseigentums
aus. Insbesondere muh der Genossenschafts-
zweck statutarisch ausschließlich darauf ge-
richtet sein, gesunde und zwechmäßig ein-
erichtete Wohnungen für minderbemittelte
Familten in eigens erbauten oder angekauften
Häusern zu billigen Preisen zu beschaffen;
die Dividende muß auf 4 00 beschränkt, für
den Fell der Auflösung der Genossenschaft aber
die Verteilung des Genossenschaftsvermögens
unter die Genossen, soweit es den ;ennwert
ihrer Anteile übersteigt, ausgeschlossen, und
dieser Teil des Vermögens vielmehr für Ge-
meinnützige Zwecke bestimmt sein. Die Ge-
schäftsanteile müssen insgesamt mindestens
30000 M., die Zahl der Mitglieder soll in
der Regel mindestens 100 betragen. Die
zu beleihenden Häuser müssen die Bestim-
mung haben, dauernd im Eigentum der Ge-
nossenschaft zu bleiben und an Genossen ver-
mietet zu werden; sie dürfen nicht ohne Zu-
stimmung der Staatsbehörde wesentlichen
Anderungen unterzogen oder ganz oder teil-
weise abgebrochen werden. Auch ist dem Fiskus
ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Statut, Bau-
pläne, Formulare der Miietverträge und
Grundsätze über Vergebung der Wohnungen
sind der Staatsregierung zur Prüfung ein-
zureichen. Den Wohnungsinhabern darf, so-
Baudeputationen — Baudispens.
lange sie ihren Verpflichtungen als Mieeter
nachkommen, nicht gekündigt werden; Miliets-
steigerungen sind nur aus Genüenden, aus
der finanziellen Lage der Genossenschaft sich
ergebenden Gründen zulässig, die Mietspreise
müssen mäßige sein.
Bis zum 1. Okt. 1905 waren aus den durch
die eingangs gedachten Gesetze zur Verfügung
gestellten Staatsmitteln in Anspruch genom-
men für Darlehne an Baugenosesenschaften
im Bereiche der Eisenbahnverwaltung rund
16146000 M., im Bereiche der Verwaltung
des Innern rund 9160000 M. Die Darlehne
sind an insgesamt 85 Baugenossenschaften
(und Beamtenwohnungsvereine) gewährt wor-
den, und auf den beliehenen Grundstücken
waren ausgeführt oder in Bau begriffen fast
1200 Wohnhäuser mit annähernd 9400 Woh-
nungen; von den jenen Baugenossenschaften
gehörigen Wohnungen waren rund 6150 an
Staatsbedienstete vermietet. Vgl. auch Woh-
nungsverhältnisse (Verbesserung der-
selben).
Baudeputationen (städtische) sind unter
Leitung und Aufsicht des Stadtvorstandes
— Mlagistrat, Bürgermeister — stehende Ver-
waltungsausschüsse, welchen die Verwaltung
des städtischen Bauwesens ganz oder teil-
weise übertragen ist. Bezeichnung — Hoch-
bauamt, Tiefbauamt, Baudeputation, Bau-
kommission usw. —, Geschäftsumfang und
Befugnisse der B. richten sich nach den auf
ihre Einrichtung bezüglichen Ortsstatuten
und Gemeindebeschlüssen. S. Deputationen,
städtische.
Baudispens. Unter B. ist die Bewilligung.
einer Ausnahme von den die allgemeine
Rechtsregel bildenden baupolizeilichen Bestim-
mungen im Einzelfalle zu verstehen (O##.-
29, 354; 32, 350 — Baltz, Baupolizeirecht
3. Aufl., 162 ff.). Wenn auch danach begrifflich
„Ausnahme“ und „Dispens" sich im wesent-
lichen dechen, so wird doch in den neue-
ren Baupolizeiverordnungen zwischen „Aus-
nahme“ und „Dispens“ unterschieden. „Aus-
nahmen"“ hönnen bewilligt werden, wenn
und wo die Bauordnungen selbst ausdrück-
lich die Michtanwendung einer sonst allgemein
gültigen Bauvorschrift im Einzelfalle ge-
statten. Ihre Bewilligung steht in der Regel
den Ortspolizeibehörden, zuweilen auch den
Landräten, Regierungspräsidenten und Ober-
präsidenten zu. Durch Dispense dagegen
können zwingende Vorschriften der
Bauordnungen, d. h. solche, von
denen diese nach ihrem Wortlaute
keine Abweichungen zulassen, außer
Kraft gesetzt werden, wenn ihre Durchführung
im einzelnen Baufalle zu einer von den Bau-
ordnungen offenbar nicht beabsichtigten Härte
führen würde, und die Abweichung von den
allgemeinen Vorschriften mit dem öffentlichen
Interesse nicht unvereinbar ist. Die Erteilung
der Dispense kann von Bedingungen abhängig
gemacht werden. A-iemand hat auf die Er-
teilung von Dispensen einen rechtlich begrün-
deten Anspruch (Pr VBl. 12, 569). Der Dis-
pens hat vielmehr den Charakter einer Rechts-
wohltat, deren Zuwendung in das freie, durch