Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Bauentwürfe — Bauerlaubnis. 
Abwägung der beteiligten vrivaten und öffent- 
lichen Interessen billige Ermessen der Dis- 
pensbehörde gestellt ist. Uber Dispensanträge 
entscheidet gemäß § 145 Z3G. nach Alaßgabe 
der Baupolizeiverordnungen der KrA., in 
Stadtkreisen und in den zu einem Land- 
kreise gehörigen Städten von mehr als 10000 
Einw. der BezA., soweit die Dispensertei- 
lung durch die Bauordnungen nicht anderen 
Behörden zugewiesen ist. Verfügungen der 
letzteren unterliegen der Anfechtung nur im 
Wege der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde. 
Zur Einlegung der Beschwerde gegen den 
ispensbeschluß ist auch die zur Erteilung 
der Bauerlaubnis zuständige Behörde befugt, 
welcher der Beschluß zuzustellen ist. Der Be- 
schluß des BezA. zweiter Instanz ist end- 
gültig, gegen iden Beschluß dieser Behörde 
in erster Instanz findet die Beschwerde an 
den Mdö . statt. Dispensanträge werden 
zwechmäßig bei den Ertspoligeibehörden, Be- 
schwerden gemäß § 122 LWV. bei den Dis- 
pensbehörden eingereicht. Auch während der 
Bauausführung und noch nach derselben ist 
die Erteilung von Dispensen zulässig (O. 
29, 354; vgl. auch Erl. vom 21. Febr. 1896 — 
Pr VWBl. 17, 276). Im Erlasse werden über- 
dies die Ortspolizeibehörden besonders darauf 
hingewiesen, da, wo Dispensbeschlüsse entgegen 
ihrem Antrage ergehen, Beschwerde zu erheben, 
wenn die für die Dispenserteilung angeführten 
Gründe von ihnen nicht für zutreffend erachtet 
werden. S. auch Anlagen (gewerbliche) I. 
Bauentwürfe s. Bauanschläge; B. für 
Chausseen s. Kunststraßen unter II. 
Bauerlaubnis. I. Erteilung der B. (Bau- 
genehmigung). Die B. wird von der Orts- 
polizeibehörde (wegen der Ausnahmen s. Bau- 
Polizei h in der Form eines schriftlichen 
Bescheides, „Bauscheines“, dem Bauunter- 
nehmer erteilt, wenn das Bauprojekt den 
Vorschriften des öffentlichen Baurechts ent- 
spricht. Maßgebend ist das zur Zeit der Ent- 
scheidung über das Baugesuch geltende Bau- 
recht. Der Bauunternehmer hat Reinen An- 
ruch darauf, daß Beschränkungen der Bau- 
eiheit, die erft nach Einreichung des Bau- 
Huches in Kraft getreten sind, bei der 
2 eurteilung seines Baugesuches außer Anwen- 
kung bletben (OW. 5, 376; 6, 258; 8, 291; 
140, 269; 12, 380; 14, 354; 30, 374; Pr VWBl. 
*7, 196; 8, 318; OV. vom 3. Febr. 1891 — 
2 115, vom 24. Febr. 1891 — IV 197, vom 
10 Juni 1894 — IV 835, und vom 21. Febr. 
ale 1 — IV380). Die B. ist nichts anderes 
de die Erklärung der zuständigen Behörde, 
dab dem beabsichtigten Bau Hindernisse in dem 
lentlichen Rechte nicht entgegenstehen (OVG. 
P. 1; 5, 379; 12, 369; 13, 394; 15, 525; 19, 
* 20, 379; 23, 324). Der Bauschein ist dem- 
z ch heine polizeiliche Verfügung, an welche 
scht ein Zwangsverfahren (LVS. 8 132) an- 
S##ben kann, weil er keine Anordnung im 
mehne dieser Vorschrift enthält; er gehört viel- 
die frel denjenigen Verfügungen, an welche 
stmiretwillige Vornahme oder Ausübung be- 
dem Tr. Handlungen geknüpft ist, und welche 
pfli nternehmer zeine selbständigen Ver- 
chtungen auferlegen. 
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II. Allerdings können an die B. auch „An- 
ordnungen“ in der Form von Bedingungen 
angeschlossen werden, derart, daß der Unter- 
nehmer, wenn er überhaupt von der B. Ge- 
brauch machen will, an gewisse — gleichviel 
ob seinen Plänen entsprechende oder wider- 
sprechende — Schranken gebunden wird. Diese 
in der Praxis „Baubedingungen" genann- 
ten Anordnungen müssen sich mit dem bestehen- 
den öffentlichen Baurechte in Ubereinstimmung 
bringen lassen, auch muß der praktische Anlaß 
u ihnen im Bauprojekte selbst gegeben sein 
Occl. 23 S. 323 ff., 334). Unzulässig ist es, die 
Erteilung der B. an die Bedingung zu knüpfen: 
daß zuvor die Baupolizeigebühren ((. d.) 
gezahlt werden (OVe. 33, 414), daß vorher die 
zum Straßenland benötigten Grundflächen an 
die Gemeinde unentgeltlich abgetreten werden 
(OTr. 41, 95; Str A. 35, 60), oder daß die den 
Anliegern gemäß § 15 des Straßen- und Bau- 
fluchtengesetzes ortsstatutarisch obliegenden Lei- 
stungen erfüllt bzw. sichergestellt sind (OV. 
4, 364; 19, 242; Entsch, vom 24. Okt. 1894 — IV 
1295, vom 27. April 1895 — IV 655, vom 
18. Nov. 1878 — I 1085 — und vom 6. Febr. 
1879 — II 343; Pr VBl. 15, 603). In der Regel 
werden die Baubedingungen zum Bauscheine 
gestellt, um dem Unternehmer die Beobachtung 
gewisser, im Bauprojekte nicht beobachteter 
bzw. bei der Bauausführung noch zu beobach- 
tender Vorschriften des öffentlichen Baurechtes 
zur Pflicht zu machen. Die Baupolizeibehörde 
ist indessen keineswegs zur Aufnahme solcher 
Baubedingungen in den Bauschein verpflich- 
tet (Pr VWBl. 11, 575). Die Baubedingun- 
gen sind ihrem rechtlichen Charakter nach 
polizeiliche Verfügungen, können als solche 
zurückgenommen und im BRechtsmittelwege an- 
gegriffen werden. Aach Verabsäumung recht- 
zeitiger Anfechtung sind sie für den Beteiligten 
rechtsverbindlich und bilden infolgedessen eine 
Grundlage für das weitere Vorgehen der Po- 
lizei (OV. 37, 405; 39, 360 ff.; 40, 360). Uber 
die Wirkungen einer bedingt erteilten B. 
egen den Besitznachfolger des ursprünglichen 
auherrn vgl. O. 2, 356; 12, 366; 13, 424; 
20, 398; 23, 833; Pr VBl. 7, 197; 12 S. 303, 
511; Baltz, Baupolizeirecht, 3. Aufl., S. 107 
bis 109. 
III. Die B. wird vorbehaltlich der Bechte 
Dritter erteilt, auch wenn dies nicht im Bau- 
scheine ausdrücklich erklärt ist. Privatrecht- 
liche Streitigkeiten über den Baugrund, 
Bechte von Grundstücken (Fensterrecht, Servi- 
tuten, grundbuchliche Eintragungen, antichre- 
tisches Pfandrecht) hat die Baupolizeibehörde 
in der Regel nicht zu beachten (OV. 2, 448; 
5, 360; 6, 304; 45, 409). Doch sollen die Po- 
lizeibehörden (AL. 1, 8 5 68 und Md JE. vom 
6. April 1835 — v. Kamptz 19, 497) die ihnen 
bekannten nachbarlichen Verhältnissenicht 
unberüchsichtigt lassen und streitende Aachbarn 
zu vereinigen versuchen (vgl. Baltz a. a. O. 
S. 98). Die Erteilung der B. kann von Dritten, 
insbesondere vom Nachbar, jedoch nur durch 
Anrufen der Aufsichtsbehörde angegriffen wer- 
den (Pr VBl. 8, 261; 9 S. 143, 174; 11, 411; 
12, 570; 13, 262; 14, 378; O##. vom 4. Okt. 
1889 — IV 461 — und vom 5. Mai 1891 — 
12“
	        
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