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und den Konsulargerichtsbezirken zu). In
allen diesen Fällen handelt es sich jedoch nur
um das Recht zum Erlaß oder Milderung
rechtskräftig erkannter Strafen, nicht um das
vorher erwähnte Recht der Abolition. Todes-
urteile können erst vollstreckt werden, wenn
die Entschlietzung des Staatsoberhauptes, oder
in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster
Instanz erkannt hat, diejenige des Kaisers,
von dem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch
machen zu wollen, ergangen ist. Das Recht
der B. steht demjenigen Landesherrn zu, in
dessen Gebiet das erkennende Gericht erster
Instanz belegen ist, bzw. bei sog. gemein-
schaftlichen Gerichten (Oberlandesgerichtsbezirk
Jena) in der Regel dem Landesherrn des VBer-
urteilten. Was die Behandlung der
Gnadengesuche betrifft, so bestimmt die
Allg Verf. vom 14. Aug. 1879 (JMIBl. 237), daß
abgesehen von den Fällen des § 484 St PO.
(s. o.) die Bearbeitung nach Maßgabe der be-
stehenden Vorschriften durch die Staatsanwalt-
schaft des Landgerichtes, und zwar auch hin-
sichtlich dersenigen Sachen, in welchen das
Amtsgericht (Schöffengericht, Rheinschiffahrts-
gericht, Elbzollgericht) erkannt hat, zu erfolgen
habe. Immediatgesuche um Erlaß oder Miil-
derung polizeilicher, durch polizeiliche Verfü-
gung festgesetzter Strafen sind an den betreffen-
den Regierungspräsidenten, in Berlin an den
Polizeipräsidenten (Allg Bf. vom 8. Febr. 1854
— JU#l. 62), Begnadigungsgesuche in Joll-
und Steuerkontraventionsangelegenheiten, in
denen dem FM. die Befugnis zum Erlaß zu-
steht, an den Provinzialsteuerdirektor abzu-
geben (Reskript vom 18. Aug. 1837). Wegen
der Behandlung der Gnadengesuche in Dis-
ziplinarsachen s. Erl. vom 13. Mai 1862 (MBl.
305). Soweit es sich um Wiederverleihung
der bürgerlichen Ehrenrechte oder einzelner
derselben handelt (Rehabilitation), sind die
betreffenden Gesuche bei nicht im Militär-
verhältnisse stehenden Personen in erster Linie
von dem Regierungspräsidenten (in Berlin
dem Pollzeipräsidenten) zu erledigen (Allg Erl.
vom 30. Dez. 1852 — JMUl. 1853, 122 und
Mäeskript vom 18. Jan. 1853 — JUll. 123).
Die sog. „bedingte B.“ (richtiger: bedingte
Strafaussetzung) beruht auf dem AE. vom
23. Okt. 1895 (JMlBl. 348). Vgl. Zirk Vf. des
JIMNl-. vom 19. Mçov. 1895, Müllers Justiz-
verwaltung, 5. Aufl., S. 1832. Sie bezwecht,
den zu nicht längeren als sechsmonatigen
Freiheitsstrafen verurteilten, noch nicht 18 Jahre
alten, erstmalig bestraften Personen (lausnahms-
weise auch älteren sowie zu längeren Strafen
Verurteilten) Gelegenheit zu geben, sich durch
gute Führung den Erlaß der Strafe zu ver-
dienen. Die Justizbehörden prüfen von Amts
wegen, insbesondere auch da, wo Fürsorge-
erziehung auf Grund des G. vom 2. Juli 1900
(GS. 264) in Frage steht (A#f. vom 6. Febr.
1901 — Ill Bl. 31), ob ein geeigneter Fall
vorliegt, und berichten an den NI#. (bzw. an
den MIL. in den Fällen, wo diesem das Be-
gnadigungsrecht übertragen ist — Zirk Vf. vom
16. März 1896, Müller a. a. O. S. 1844).
Dieser ordnet den Strafaufschub an, der bei
schlechter Führung zurüchgenommen wird; bei
Begräbniskosten für Unvermögende — Begräbnisplätze.
guter Führung wird bei Ablauf des Stras-
aufschubs B. beantragt. Wegen der gnaden-
weisen Aichtberüchsichtigung von Strafen in
Führungszeugnissen s. Atteste Abs. 3.
Begräbniskosten für Unvermögende s.
Armenunterstützung.
Begräbnisplätze. I. Anlegung nirch-
licher Friedhöfe. Die alte Sitte der Be-
erdigung in den Kirchen oder um die
Kirchen herum ist durch die staatliche Gesetz-
gebung beschränkt. Aach AL. II, 11 § 184
sollen in den Kirchen und in bewohnten Ge-
genden der Städte Reine Leichen beerdigt
werden. Auf dem platten Lande kann aus
letzterem Grunde eine Verlegung der B. nicht
gefordert werden (Erl. vom 18. Juni 1819 —
v. Kamptz 3, 415). Im Geltungsbereiche des
französischen Rechts ist zum Teil noch das Dekret
vom 23. Prairial XII (11. Juni 1804) mit Ausfüh-
zungebestinmnungen vom 28. Januar 1805 und
7. Alärz 1806 in Kraft. Die Anlegung der
B. ist im Gebiete des AL. in der Regel
Sache der Kirchengemeinden (Erl. vom
30. Nov. 1832 — v. Kamptz 16, 927). Eine
Verpflichtung der bürgerlichen Gemeinden kann
in diesem Rechtsgebiet durch örtliches Gewohn-
heitsrecht begründet werden (O. 36, 440).
Wo die Anlegung von Kommunalfriedhöfen
nicht zu vermeiden ist, soll vor der Genehmi-
hung durch die Verwaltungsordnung für die
ahrung der konfessionellen Interessen gesorgt
werden (Erl. vom 26. Juli 1864 — Ml. 154;
vom 27. April 1886 — Al. des Konsistoriums
in Wiesbaden 25). Die Anlage nichttirchlicher
B. bedarf der Genehmigung der Ortspolizei-
behörde, die sich durch die Aufsichtsbehörde
mit den kRirchlichen Obern ins Benehmen zu
setzen hat (Erl. vom 12. Aug. 1891 — MBl.
139). Die Anlegung kirchlicher B. bedarf der
staatshoheitlichen Genehmigung des Regie-
rungspräsidenten (Allerh V. vom 30. Jan. 1893
— GS. 10 — bezüglich der ev. Kirchengemein-
den; Allerh V. vom 30. Jan. 1893 — GS. 13
— bezüglich der kath. Rirchengemeinden), außer--
dem nach ALR. I. 11 § 764 der Genehmigung
der kirchlichen Obern. Die Verwaltungsord-
nung für das kirchliche Vermögen in den
5. Pr. vom 17. Juni 1893 (GcVl. 23) 8§ 30
schreibt Berichterstattung an das Konsistorium
vor. Einer ausdrücklichen Genehmigung der
Aufsichtsbehörde bedarf es aber nach dem
altl. ev. Kirche ö. vom 18. Juli 1892 (8K6VWBl.
1893, 9) nicht mehr, dagegen ist die Genehmi-
gung des Konsistoriums erforderlich für die
ev.-luth. Gemeinden in Schleswig-Holstein
(Erl. vom 12. April 1893 — fGVlI 95), für
die ev.-luth. Gemeinden in Hannover (
vom 23. März 1893 — Kirchl. Anl. 25), für
die ev.-reform. Gemeinden in Hannover (Erl.
vom 15. April 1893 — Kirchl. AB#.# II. 115),
für die ev. Gemeinden im Konsistorialbezirk
Rassel (Erl. vom 12. April 1893 f # VBl. 21).
Die Staatsgenehmigung ist auch erforderlich
bei der veränderten Benutzung kirchlicher B.
(V. vom 9. Sept. 1876 — GS. 395 — Art. UI
für die altl. ev. Kirche und die gleichartigen
Verordnungen bezüglich der übrigen ev. Kirchen,
und V. vom 27. Sept. 1875 — EGöS. 571 —
Art. 1I Nr. 3 bezüglich der kath. Kirchengemein-