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durch alles dies den gesteigerten Ansprüchen
des Staatswesens entsprechende Organisation
zu setzen. Die Grundzüge dieser Organisation
find in Kürze folgende: Das Staatsgebiet ist
in Provinzen eingeteilt, die Provinzen zer-
fallen in Regierungsbezirke, die Regierungs-
bezirke in Kreise. Von den Kreisen sind die
ansehnlichen Städte ausgenommen. Träger
der gesamten Staatsverwaltung ist der König,
höchstes staatsleitendes Organ desselben ur-
sprünglich der Staatskanzler, nach Fortfall
dieser Stellung das Staatsministerium. Oberste
Verwaltungsbehörden innerhalb eines sachlich
abgegrenzten Wirkungskreises sind die Mit-
nister. An der Spitze der Provinzen stehen
die Oberpräsidenten; an der Spitze der Re-
gierungsbezirke die Regierungen; an der Spitze
der Kreise die Landräte. er Oberpräsi-
dent, welcher zugleich Präsident der Regie-
rung an seinem Amtssitze ist, hat als solcher
eine vorwiegend leitende und aufsichtsführende
Stellung; der Kreis der seiner eigenen Ver-
waltung zugewiesenen Gegenstände ist ver-
hältnismäßig gering und in der Hauptsache
auf die das Interesse der gesamten Provinz
berührenden Angelegenheiten, darunter auch
die Kommunalen Angelegenheiten der Provinz
beschränkt. Unter seiner Leitung und seinem
Vorsitz stehen für die Verwaltung der höheren
Lehranstalten und Seminarien der Provinz
das Provinzialschulkollegium, anfänglich
eine Abteilung des Konsistoriums, und als
wissenschaftlich und technisch ratgebende Be-
hörde auf dem Gebiete des Miedizinalwesens
das Medizinalkollegium. Die frühere
Verbindung des Oberpräsidenten mit dem Kon-
sistorium ist durch die V. vom 27. Juni 1845,
betr. die Ressortverhältnisse der Provinzial-
behörden für das ev. Kirchenwesen (GS. 440)
gelöst worden. Der Schwerpunkt der Ver-
waltung liegt in den Regierungen. Miit
den erforderlichen technischen Hilfskräften aus-
gestattet vereinigen sie in sich die gesamte innere
andesverwaltung, und ihre Wirksambeit ist
nur insoweit begrenzt, als für bestimmte An-
gelegenheiten Spezialverwaltungsbehörden ein-
grrichtet sind. Organe der Regierungen und
ertreter der Staatsgewalt sind, von den Groß-
städten abgesehen, welche den Regierungen un-
mittelbar untergeordnet sind, die Landräte.
Sie sind, wie die Regierungen für ihren Bezirk,
so für ihren Kreis der Mittelpunkt der Verwal-
tung. Sie führen die Aussicht über die ländlichen
Gemeindebehörden und sämtliche Polizeiverwal-
tungen des Kreises und finden in diesen und
in den Ortsvorständen die lokalen Organe zur
Durchführung der ihnen zugewiesenen staat-
lichen Aufgaben. Zu ihrer Unterstützung hier-
bei dienen die den Regierungen nachgeordneten,
auf die Kreise verteilten technischen Beamten,
soweit diesen nicht ein selbständiger Wir-
Rungskreis zugewiesen ist, so insbesondere die
Kreismedizinalbeamten, die RKreistierärzte, die
Kreisschulinspektoren, die Katasterkontrolleure,
die Kreiskassenrendanten. Die in den Kreisen
stationierten Gendarmen stehen zu ihrer Ver-
fügung. Endlich steht der Landrat an der
Spitze der Kkommunalen Verwaltung des Krei-
ses und vertritt letzteren nach außen. — Als
Behördenorganisation der preuß. Verwaltung.
provinzielle Fachverwaltungen neben den Re-
ierungen — zum Teil über die Grenzen einer
Provins hinausgehend —, kommen, nachdem
das Post= und Telegraphenwesen auf das Reich
übergegangen ist, in Betracht für die Ver-
waltung der Zölle und indirekten Steuern
die Provinzialsteuerdirektoren; für die
Verwaltung des Bergwesens die Oberberg-
ämter für die Gemeinheitsteilungen und Ab-
lösungsangelegenheiten die Generalkom-
missionen, deren Geschäfte früher bei einzel-
nen Regierungen von besonderen landwirt-
schaftlichen Abteilungen wahrgenommen wur-
den; endlich seit Entwickelung des Eisenbahn-
wesens die Eisenbahnkommissariate bzw.
Eisenbahndirektionen (s. das Nähere bei
den betreffenden Artikeln).
III. Der äußere Bau dieser Organisation
besteht in der Hauptsache noch gegenwärtig
und ist auch auf die im Jahre 1866 mit dem
Staate vereinigten Gebiete, sowie auf die schon
früher erworbenen hohenzollernschen Lande,
bei letzteren mit gewissen Modifikationen, über-
tragen worden. In seiner Ausgestaltung sind
dagegen durch die im Jahre 1872 begonnene
und im Jahre 1889 abgeschlossene Verwaltungs-
reform tiefgreifende Veränderungen eingetreten.
Das Ziel dieser Reform war, die Verwaltung
in den mittleren und oberen Instanzen zu
entlasten; zur Erledigung der staatlichen Ge-
schäfte Laienkräfte in verstärkttem Maße heran-
zuziehen- und gegenüber bestimmten staatlichen
erwaltungsakten den Beteiligten durch eine
unabhängige BVerwaltungsrechtsprechung
einen vermehrten Schutz zu gewähren. Der
entscheidende Schritt zur Durchführung dieses
Zieles wurde in der KrO. f. d. ö. Pr. vom
13. Dez. 1872 (GS. 661) getan, nachdem be-
reits durch das AG. z. UWG. vom 8. März
1871 (GS. 130) in der Einrichtung der Depu—
tationen für das Heimatwesen der erste Anfang
zu einer unabhängigen Verwaltungsgerichts-
barkeit in Preußen gemacht worden war.
Durch die Kreisordnung wurde in dem Kreis:
ausschuß ein aus dem Landrate als Vor-
sitzenden und sechs von dem Kreistage ge-
wählten Kreisangehörigen bestehendes Laien=
kollegium geschaffen, welches, mit der kreis-
Rkommunalen Verwaltung betraut, zugleich zum
Träger einer großen Anzahl bisher der staat-
lichen Verwaltung, und zwar in der Hauptsache
den Regierungen vorbehaltenen Geschäfte ge-
macht wurde. Ein Teil dieser Angelegenheiten
wurde als „streitige“ Verwaltungssachen aus-
gesondert, für dieselben ein geordnetes pro-
zessualisches Verfahren mit mündlicher und
öffentlicher Verhandlung vorgeschrieben und
als Berufungsinstanz für die in diesen Sachen
ergangenen Entscheidungen in Anlehnung an
die Deputationen für das Heimatwesen und
unter Uberweisung ihrer Geschäfte in jedem
Regierungsbezirke ein Verwaltungsgericht
eingesetzt, in welchem die Zahl der Laienmitglie-
der diesenige der rechtshundigen Mitglieder
gleichfalls überwog. Damit war bei gleich-
eitiger, umfassender Dezentralisierung das
Prin ip der Selbstverwaltung und das Prinzip
der Verwaltungerechtsprechung grundsätzlich in
die staatliche Verwaltung eingeführt. Eine