Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Beweis und Beweisaufnahme. 
probeweise Inbetriebsetzung eines b. D. durch 
den Verfertiger nach der Abnahme ist als 
Beginn des Gewerbebetriebes im Sinne der 
GewO. 8 49 aufzufassen (Erl. vom 12. Aug. 
1905 — HM. Bl. 256). Die Zuständigkeit der 
Kesselprüfer für die regelmäßige technische Unter- 
suchung der b. D. richtet sich nach dem Wohn- 
sitze des Besitzers oder des von ihm zu be- 
zeichnenden ständigen mit Vollmacht versehenen 
Vertreters (Anw. 8 31). Uber die Aufstellung 
und den Betrieb von beweglichen Kraft- 
maschinen sollen übereinstimmende Polizei- 
verordnungen erlassen werden; vgl. Erl. vom 
6. Juli 1905 (HM Bl. 207). 
Beweis und Beweisaufnahme. I. Beide 
Begriffe sind hauptsächlich für den Zivil= und 
Strafprozeß entwichelt worden, haben aber 
nicht bloß für jedes prozessuale Verfahren, 
sondern auch für das der Verwaltungsbehörden 
Bedeutung. Des Beweises bedürfen bestrittene 
und ungewisse Tatsachen. Bewiesen ist eine 
Tatsache, wenn die mit der Angelegenheit be- 
faßte Behörde nach den hierfür etwa geltenden 
formellen Beweisregeln (gesetzliche Beweis- 
theorie), sonst und jetzt ganz überwiegend nach 
dem maßgebenden Grundsatze der freien Be- 
weiswürdigung, d. i. nach pflichtmäßiger Uber- 
geugung- sie als feststehend ihrer Anordnung 
oder Entscheidung zugrunde zu legen hat. 
Gegenstand des Beweises können nur Tat- 
sachen, ausnahmsweise jedoch auch Rechtssätze 
(ausländisches Recht, Gewohnheitsrecht), sein 
und sind nur erhebliche Tatsachen, d. h. solche, 
die unmittelbar oder mittelbar — im Wege 
einer Schlußfolgerung — für die Anordnung 
oder Entscheidung von Bedeutung sind. Auch 
der Beweis selbst kann ein unmittelbarer oder 
bloß mittelbarer sein, letzteres wenn der Be- 
weis der zu beweisenden Tatsache in der Art 
geführt wird, daß zunächst eine andere Tat- 
sache bewiesen und dann von dieser auf die 
zu beweisende geschlossen wird (Indizienbeweis, 
worunter aber auch noch in allgemeinerer 
Weise der Fall zu verstehen ist, daß von einer 
oder mehreren feststehenden Tatsachen auf eine 
nicht feststehende und deshalb zu beweisende 
geschlossen wird). Unter Umständen ist tbein 
volles Beweisen, sondern nur ein Glaubhaft- 
machen verlangt (s. Eides Statt) und werden 
ferner zur Erleichterung des Beweises Ver- 
mutungen aufsgestellt, die aber widerlegbar 
sind (praesumtio juris), sofern nicht das Gesetz 
anders bestimmt (praesumtio juris et de jure). 
eweismittel im modernen BPechte sind 1. der 
Augenschein der Behörde, wenn die Tatsache 
noch gegenwärtig wahrnehmbar ist; 2. Aus- 
sagen dritter Personen (Zeugen), welche die 
atsache wahrgenommen haben (s. Zeugen); 
Gutachten Sachverständiger, wenn eine jetzt 
noch mögliche Wahrnehmung nur mit Hilfe 
esonderer Sachkenntnis, über welche die Mit- 
#lieder der Behörde nicht verfügen, oder unter 
nuer besonderen Mühewaltung, die ihnen 
acht zuzumuten ist, z. B. Besichtigung eines 
sochturmdachs, gemacht werden kann — es 
ne en hier die Sachverständigen die Wahr- 
nehmung machen und darüber der Behörde 
ssagen —; außerdem kann das Gutachten 
achverständiger als Beweismittel noch dann 
  
  
  
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dienen, wenn es zur Feststellung einer Tat 
sache eines Urteiles bedarf, das nur auf 
Grund besonderer Sachkenntnis möglich ist 
(. Sachverstän dige); 4. Urkunden, d. h. 
Schriftstüche, welche beweiserhebliche Erklä- 
rungen enthalten und zu deren Feststellung 
vorgelegt werden (s. Urkundenbeweis); 
5. der Eid, d. i. das Beschwören der Richtig- 
keit oder Unrichtigkeit einer Tatsache. Während 
die anderen Beweismittel als selbstverständlich 
zugelassen überall bestehen, wo sie nicht aus- 
nahmsweise ausgeschlossen sind, ist der Eid 
kein zulässiges Beweismittel, wenn und soweit 
er als solches nicht ausdrüchklich zugelassen ist, 
deshalb z. B. nicht im preuß. Verwaltungs- 
streitverfahren. Beweisantretung ist die An- 
gabe der Beweismittel, deren sich jemand zu 
einer Beweisführung bedienen will, Beweis- 
thema ist die zu beweisende Tatsache, Gegen- 
beweis der Beweis für das behauptete Gegen- 
teil oder doch die Unwahrheit einer anderweit 
behaupteten Tatsache, im Gegensatze wozu dann 
von dem Beweise dieser Tatsache als dem 
Hauptbeweise gesprochen wird, und Beweis- 
einrede jedes Vorbringen einer selbständigen 
Tatsache, durch welches jemand die Beweis- 
führung des Gegners entkräften will. Die 
Beweislast, d. i. die Pflicht, eine Tatsache zu 
beweisen, widrigenfalls sie zum Vachteile des 
Beweispflichtigen als ungewiß angesehen wird, 
ist im Zivilprozesse wegen der geltenden Ver- 
handlungsmaxime und der als nur von 
wenigen Ausnahmen durchbrochene Regel 
geltenden Unzulässigkeit einer Beweisauf- 
nahme von Amts wegen von großer Wichtig- 
keit, und die Frage, wie sie unter den Prozeß= 
parteien zu verteilen ist, hier sehr zweifelhaft 
und streitig; wo Untersuchungsmaxime gilt, 
wie im Verwaltungsverfahren und grundsätz- 
lich auch in allen Arten des Verwaltungs- 
streitverfahrens, spielt die Beweislast keine 
große Rolle. Die Aufnahme der erforderlichen 
Beweise erfolgt teils ohne äußerliche Unter- 
scheidung innerhalb des sonstigen Verfahrens, 
teils in einem sich von diesem abhebenden be- 
sonderen Verfahren, dem Beweisverfahren. 
Das letztere erfordert einen die zu beweisenden 
Tatsachen (das Beweisthema) und die Beweis- 
mittel angebenden Beweisbeschluß, mitunter, 
wie im jetzigen Zivilprozesse teilweise noch beim 
Eide, ein Urteil. 
II. Nach der Art der Beweismittel gestaltet 
sich die Beweisaufnahme verschieden. Beim 
Zeugen= und Sachverständigenbeweise besteht 
sie in der Vernehmung der Zeugen oder Sach- 
verständigen. Die Einnahme des Augenscheins 
vollzieht sich durch die Wahrnehmung, die mit den 
eigenen Sinnen am Augenscheinsgegenstande 
gemacht wird. Beim Urkundenbeweise besteht 
sie in dem Einsehen und Lesen oder Verlesen der 
Urkunde und beim Eide in der Eidesleistung. 
Sie erfolgt teils unmittelbar vor der ent- 
scheidenden oder anordnenden Behörde (Prinzip 
der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, das 
namentlich im Zivil= und Strafprozesse gilt), 
teils vor einer darum ersuchten oder damit 
beauftragten Behörde oder Beamten. 
III. Die hauptsächlichsten Bestimmungen 
über den B. u. die B. sind für den Zivil-
	        
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