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besonders geeignete Ware ist, so erheben die
meisten Staaten eine solche Steuer, zum Teil
in sehr erheblichem Betrage. Hierbei kommen
die verschiedenartigsten Steuerformen zur An-
wendung (s. auch Verbrauchssteuern I).
1. Die Materialsteuer. Sie wird von
der Menge der zur Herstellung von Brannt-
wein verwendeten Rohstoffe erhoben, wobei
für die verschiedenen Arten von Rohstoffen je
nach ihrer Ergiebigkeit besondere Steuersätze
gelten können (Materialertragsteuer). Eine
A-ebenart der Materialsteuer ist die Maisch-
bottichsteuer, bei der nicht der zu verwen-
dende Rohstoff selbst, sondern der Rauminhalt
der zu dessen Aufnahme dienenden Gefäße,
der Maischbottiche, der Steuerberechnung zu-
grunde gelegt wird. 2. Die Halbfabrikat-
steuer (Würzesteuer). 3. Die Fabrikat-
steuer, bei der die Abgabe vom fertigen Er-
eugnis erhoben wird. Als Fabrikatsteuer
(Pobsschalierungolteued) ist auch der Blasen-
zins anzusehen, bei dem die Abgabe vom
Brennereibesitzer nach der Leistungsfähigkeit
des Brenngerätes erhoben wird. 4. Das
Monopol. Die zu 1—3 genannten Steuer-
arten kommen auch in der Form der Ab-
findung (s. d.) vor. Welche Steuerart den
Vorzug verdient, ist gerade bei der B. beson-
ders schwer zu entscheiden. Die Materialsteuer
hat gegen sich, daß sie die Brennereien un-
gleichmäßig belastet, indem sie weder die ver-
schiedene Ausgiebigkeit des Materials berück-
sichtigt, noch dem je nach der Vollkommenheit
der Brennereieinrichtungen verschiedenen Grade
der Ausnützung desselben Rechnung trägt.
Auch bedingt sie eine eingehende und daher
lästige Beaufsichtigung des meist ziemlich um-
ständlichen Maisch= und Brennverfahrens durch
die Steuerbehörde. Aur der ersterwähnte Ubel-
stand fällt bei der Materialertrags= und der
Würzesteuer fort. Zweckmäßiger erscheint
deshalb die Fabrikatsteuer, doch zwingt sie
wiederum zu einer eingehenden Fabrikatkon-
trolle (Sicherung des Brenngerätes, der Brannt-
weinrohrleitungen und der Aufbewahrungs-
gefäße gegen Entnahme durch amtliche Ver-
schlüsse) und ist deshalb dort nicht anwendbar,
wo die Branntweinerzeugung, wie dies in
einzelnen Gegenden der Fall ist, in zahlreiche
kkleine Betriebe zersplittert ist. Hier ist die
Abfindung die gegebene Steuerform. Diese
Verhältnisse bringen es mit sich, daß in vielen
Ländern, so z. B. in Deutschland, Osterreich--
Ungarn, Italien, Frankreich, mehrere Steuer-
foemen nebeneinander bestehen. Lediglich Ma-
terialsteuer wird in den -iederlanden und in
Belgien (hier als Maischbottichsteuer), Würze-
steuer wird in Großbritannien, Fabrikatsteuer
in Schweden und Norwegen, Dänemark, den
Vereinigten Staaten und Spanien erhoben, wäh-
rend in der Schweiz und in Rußland das Brannt-
wein- bewe, Branntweinverkaufsmonopol be-
steht. Eine erheblich höhere Belastung des
Branntweins mit Steuern und dementsprechend
beträchtlich höhere Erträge aus der B. als
Deutschland haben u. a. Großbritannien, die
Vereinigten Staaten, Rußland und Frankreich.
II. Geschichtliche Entwicklung der B.
in Deutschland. a) Bis zum 1. Okt. 1887.
Branntweinbesteuerung.
In Preußen wurde die Branntweinbereitung
bis 1810 nur in den Städten, nicht auf dem
flachen Lande besteuert. Ein Edikt vom 28. Okt.
1810 beseitigte diese Berschiedenheit und führte
allgemein einen Blasenzins, verbunden mit
einer Art von Materialsteuer ein. Um
verschiedenen, hierbei zutage getretenen Miß-
bräuchen entgegenzuwirken, wurde 1820 da-
neben noch die Maischbottichsteuer für die
Verarbeitung von Getreide und anderen meh-
ligen Stoffen eingeführt DAegul. vom 1. Dez.
1820, bestätigt durch AKRabO. vom 20. Juni
1822). Der Blasenzins wurde 1824 be—
seitigt. Bei der Gründung des Zollvereins
stellte es sich heraus, daß die Verhältnisse für
eine gleichmäßige Ausgestaltung der B. in den
Vereinsstaaten noch nicht reif waren. Indessen
wurde die preuß. B. durch besondere Staats-
verträge allmählich in einer Reihe der anderen
Vereinsstaaten eingeführt. Aachdem die Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes die Brannt-
weinsteuer als Gegenstand der Bundesgesetz-
gebung und die Einnahme daraus als gemein-
schaftlich ertlärt hatte, wurde durch das in
der Hauptsache noch heute geltende Bundes-
gesetz, betr. die Besteuerung des Branntweins
usw., vom 8. Juli 1868 (Bol. 384) die
preuß. Besteuerungsart auch in denjenigen
Gebietsteilen des Bundes eingeführt, in denen
sie bisher noch nicht galt (insbesondere Hessen,
Mechlenburg, Lübeck). Bayern, Württemberg
und Baden gehörten nach wie vor nicht zur
„Branntweinsteuergemeinschaft", während dieser
später — durch ein G. vom 16. Mai 1873 —
noch Elsaß-Lothringen hinzutrat. Aus dem
Inhalte des G. vom 8. Juli 1868 ist hervor-
zuheben, daß als Steuerformen Materialsteuer
— für Verarbeitung von Obst u. dgl. — und
Maischbottichsteuer — für Verarbeitung von
Kartoffeln, Getreide und anderen mehligen
Stoffen — nebeneinander gestellt sind. Letztere
Steuer wird in landwirtschaftlichen Bren-
nereien nur zu fünf Sechstel erhoben. Die
bierin liegende, später weiter ausgebildete Be-
günstigung dieser Art von Brennereien hat
ihren Grund darin, daß sie während einer
gewissen Zeit des Jahres, nämlich während
der Monate, in denen es an Grünfutter man-
gelt, behufs Gewinnung der erforderlichen
Schlempe in Betrieb sein, diesen Betrieb also
durchführen müssen, selbst wenn er an sich
nicht lohnend sein sollte. Eine Vergütung der
Steuer ist im G. vom 8. Juli 1868 nur für
den Fall der Ausfuhr vorgesehen. An der
bedeutenden Entwichlung der Branntwein-
industrie, die in Deutschland im Laufe des
vorigen Jahrhunderts eingetreten ist, hat
zweifellos diese Besteuerungsweise, insbeson-
dere die Maischbottichsteuererhebung, wesent-
lichen Anteil. Der Umstand, daß bei letzterer
derselbe Gteuerbetrag erhoben wird, ob nun
viel Rohstoff in der Mlaische enthalten ist oder
wenig, und ob viel oder wenig Branntwein
gewonnen wird, veranlaßte den Brenner, durch
sog. Dichmaischen den Maischraum möglichst
auszunützen, sowie auf tunlichst stärkehaltiges
Maischmaterial und vor allem auf ein mög-
lichst zwechmäßiges Brennverfahren zu halten
(s. Materialsteuer D. Trotzdem erwuchsen