Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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war. Nichtsdestoweniger blieb die Tatsache 
bestehen, daß der in den meisten Brennereien 
gewonnene Branntwein wegen seiner unreinen 
Beschaffenheit, insbesondere wegen seines Ge- 
haltes an gesundheitsschädlichen Stoffen (Fusel- 
öl) einer Reinigung (Rektifikation) bedarf, ehe 
er zum menschlichen Genuß geeignet ist. Da 
der Rohbranntwein beim Reinigungsverfahren 
(Filtration über Kohle, Destillation auf äußerst 
vollkommenen Brenngeräten) einen Alkohol- 
verlust erleidet, so mußte, sollte nicht die Reini- 
gung erschwert oder unmöglich gemacht werden, 
Fürsorge getroffen werden, daß für jenen 
Schwund Steuererlaß eintritt. Der Bundes- 
rat hat deshalb auf Grund des § 11 Absl. 3 
des G. vom 24. Juni 1887 die Reinigung 
von unter Steuerkontrolle stehendem 
Branntwein unter Schwundvergütung 
zugelassen. Zurzeit gelten hierfür die Be- 
stimmungen der Branntweinreinigungsord- 
nung (s. Branntweinbesteuerung III), deren 
wesentlicher Inhalt folgender ist. 
I. Allgemeine Vorschriften. Die B. 
müssen gewissen Voraussetzungen (Führung 
Kkaufmännischer Bücher, in der Regel min- 
destens Jahresverarbeitung von 10000 Ul) ge- 
nügen (§ 2). Hinsichtlich der Anmeldung der 
Räume und Geräte, der Herrichtung der Lager- 
gefäße, der Vermessung und Bezeichnung der Ge- 
räte, der Anzeige von Veränderungen usw. gelten 
ähnliche Bestimmungen wie für den Brennerei- 
betrieb (s. Branntweinverbrauchsabgabe 
Ue, 1 u. 5). Veränderungen der Betriebs- 
räume bedürfen steuerlicher Genehmigung 
( 4—9). Die Reinigung ist so weit auszu- 
dehnen, daß der Branntwein Reinen größeren 
Gehalt an Mebenerzeugnissen der Gärung 
und Destillation (Fuselöl u. dgl.) als 1% be- 
sitzt. Branntwein, der dieser Vorschrift nicht 
entspricht, darf aus der Anstalt nicht abgemeldet 
werden. Weitere Verbote betreffen die Ent- 
fernung von Branntwein oder Nebenerzeug- 
nissen ohne amtliche Abfertigung, die Ein- 
führung von Mebenerzeugnissen in die Anstalt, 
die Aufnahme von Branntwein, der im freien 
Berkehr steht, in die Anstalt bzw. die ver- 
schlossenen oder bewachten Geräte oder Räume, 
die zur Herbeiführung von Täuschungen der 
Steuerbeamten geeignete Veränderung der Ge- 
räte usw. (§ 14). Bei Verstößen gegen diese 
Verbote tritt eine Vertragstrafe bis zu 1000 Ml. 
ein, falls sie mit Wissen und Willen des An- 
staltsbesitzers oder seines Bertreters begangen 
werden (88 20 u. 31). 
II. Steuerliche Abfertigung. Wegen der 
Abfertigung zur Anstalt fs. Branntwein- 
verbrauchsabgabe II 1e. Bei der Ab- 
fertigung von der Anstalt (zur Versendung, 
zum Lager, zur Versteuerung usw., vgl. II#1 
des eben bezeichneten Artikels) hat der Führer 
des Reinigungsbuches, in das der Branntwein 
bei der Aufnahme in die Anstalt eingetragen 
wird, zu bescheinigen, daß in diesem Buche 
genügender Branntwein zu dem Abgabensatze, 
zu dem die Abfertigung begehrt wird, an- 
m steht — 19). MNebenerzeugnisse 
Fuselöl) dürfen abgabenfrei abgelassen werden, 
wenn sie einen Olgehalt von mindestens 75 % 
besitzen. Die Prüfung des Fuselöls erfolgt 
  
Branntweinreinigungsanstalten. 
nach vorgeschriebenem Verfahren durch Steuer- 
beamte oder Chemiker (§ 20). Vgl. im übri- 
gen auch wegen der Abfertigungsstellen in 
B. Branntweinverbrauchsabgabe III2. 
III. Steuerkontrolle. Nach der Art, wie 
diese durchgeführt wird, unterscheidet man 
a) Anstalten, in denen der Branntwein bis 
zur Ausgangsabfertigung, mithin auch wäh- 
rend des Reinigungsverfahrens unter dau- 
erndem Steuerverschluß steht (88 1, 32 bis 
35); b) Anstalten, in denen eine gegen die heim- 
liche Wegbringung von Branntwein sichernde 
amtliche Bewachung derart stattfindet, daß 
auch der Gang des Arbeitsverfahrens und der 
Verbleib des Branntweins und der Meben- 
erzeugnisse verfolgt werden kann (8§ 1, 36—44); 
Ie) Anstalten, in denen weder die Kontrolle 
zu anoch diejenige zu b stattfindet (88 1, 
45—51). Die Verschlußeinrichtung unter à er- 
folgt in ähnlicher Weise wie in den Verschluß- 
brennereien. erschlußverletzungen bedürfen, 
wie in diesen, der Anzeige und Feststellung 
. Branntweinverbrauchsabgabe Ue 3, 
4 u. 80). Im Falle zub sind ähnliche Ein- 
richtungen zu treffen, wie in den Zuckerfabriken 
— Abschluß der Aufbewahrungs= und Fabrika= 
tionsräume oder Umfriedigung der Anstalt — 
(ogl. Zuchersteuer IIIf2). Die Vergünstigung 
zu c, bei der der Anstaltsbesitzer die erheb- 
lichen Kosten spart, die die steuersicheren Ein- 
richtungen zu a und b verursachen, während 
andererseits die Steuerkontrolle erschwert ist, 
ist nur bei solchen Anstalten zulässig, die in 
dieser Weise schon vor dem Inkrafttreten der 
RO. Branntwein gereinigt haben. Hier ist 
für die auf dem Branntwein ruhenden Ab- 
goben in der Regel Sicherheit zu leisten. 
erner treten zu den unter I aufgeführten 
Verboten noch weitere, gleichfalls durch die 
Vertragsstrafe gesicherte Verpflich- 
tungen. Es darf näfmlich bereits durch 
Destillation gereinigter Branntwein in die 
Anstalt nicht ausgenommen und umgebehrt 
darf Branntwein, der in der Anstalt nicht 
einer Destillation unterzogen ist, also z. B. 
bloß filtrierter, nicht abgemeldet werden. 
Branntwein und ANebenerzeugnisse müssen in 
der Regel möglichst bald nach der Ausgangs- 
abfertigung vor den Augen der Abfertigungs- 
beamten aus der Anstalt entfernt werden usw. 
Diese Verbote und Verpflichtungen, sowie die 
bezüglichen Strafbestimmungen sind durch 
Aushang in der Anstalt zur öffentlichen 
Kenntnis zu bringen. 
Jährlich einmal 
IV. Schwundnach laß. 
findet im Beisein des Anstaltsbesitzers eine 
Bestandsaufnahme statt, bei der die ge- 
samte in der Anstalt vorhandene Alkoholmenge 
festzustellen ist. Die sich hierbei ergebenden 
Fehlmengen sind abgabenfrei zu lassen, wenn 
nicht in der Anstalt Hinterziehungen begangen 
worden sind. Doch gilt dies in vollem Um- 
fange nur bei den gemäß III a und d kon- 
trollierten Anstalten. In den unter UIc be- 
zeichneten Anstalten darf nicht mehr als 3% 
der durch Destillation in der Anstalt ver- 
arbeiteten Alkoholmenge außer Steueranspruch 
gelassen werden. Dasselbe gilt für die unter 
IIIa und b aufgeführten Anstalten, wenn sie
	        
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