Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Abwässerabführung. 
mannigfachen Beschränkungen teils privatrecht- 
licher, teils öffentlichrechtlicher Art. 
I. Nach den Grundsätzen des Privatrechts 
ist die Benutzung der Gewässer zur Abführung 
von Abwässern nur insoweit zulässig, als die 
dadurch verursachte Verunreinigung der Ge- 
wässer das gemeinübliche Maß nicht über- 
schreitet. Die Frage, ob letzteres der Fall, ist 
nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzel- 
falls unter Berüchsichtigung der Anschauungen 
der Beteiligten und der Verhältnisse der in 
Betracht kommenden Gegend zu beurteilen. 
Demgemäß kann der Uferbesitzer an einem 
Privatflusse gegenüber einer das gemeinübliche 
Maß überschreitenden Verunreinigung des 
Flusses durch einen Oberlieger im ordentlichen 
echtswege Klage auf Unterlassung der Ver- 
unreinigung und Androhung einer Strafe für 
jeden Fall der Zuwiderhandlung erheben 
(BöB. 88 903, 906, 1004; 3P. 8 890; RG3. 
16, 178; 38, 266; DJ3Z. 01, 214). Zur Be- 
gründung der lage genügt die Tatsache der 
Verunreinigung; Sache des Beklagten ist es, 
einwandweise geltend zu machen, daß die Ver- 
unreinigung das gemeinübliche aß nicht 
übersteige oder die Benutzung des Fluß- 
wassers den Kläger nicht oder nicht wesentlich 
beeinträchtige (Planck, Kommentar zum Bür- 
gerlichen Gesetzbuche, 3. Aufl., 3, 173: § 906 
GB. Anm. 5 bei d; Dernburg, Bürgerliches 
Becht, 3. Aufl., 3, 241). Gegen die Verunreini- 
gung eines öffentlichen Flusses kann im 
ordentlichen Rechtswege nicht vorgegangen 
werden, weil der öffentliche Fluß weder Eigen- 
tum der Uferanlieger ist noch im besonderen 
Eigentume des Fiskus steht (R##. 3, 232; 
4, 258). Der Einleitung von Abwässern in 
öffentliche Flüsse hann daher nur auf Grund 
öffentlichen Rechtes entgegengetreten werden. 
II. Die öffentlichrechtliche Grundlage für 
ein Einschreiten gegen eine zu weit gehende 
Verunreinigung der Gewässer durch Einführung 
von Abwässern bilden neben den Strafbestim- 
mungen der 8 43, 50 des Fischereigesetzes vom 
30. Mai 1874 (GS. 197) und des § 27 des Feld- 
und Forstpolizeigesetzes vom 1. April 1880 (GS. 
230) in Verb. mit § 3 des Privatflußgesetzes 
vom 28. Febr. 1843 (GS. 41), die insbesondere 
die Schädigung fremder Fischereirechte, die 
Beeinträchtigung des Bedarfs an reinem 
asser und eine erhebliche Belästigung des 
Publikums untersagen, der als allgemeines 
Hpreuß. Landesrecht (O#. 7, 391; 15, 434; 
# J. 21 C 60) für den ganzen Umfang der 
Wonarchie geltende § 10 ALR. U, 17 sowie der 
§6 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 11. März 
1850 (GS. 265) und der 8 6 der V. über die 
olizeiverwaltung in den neu erworbenen 
Landesteilen vom 20. Sept. 1867/6. 1529). Auf 
rund dieser allgemeinen, die Aufgaben der 
Polizei umgrenzenden Vorschriften kann die 
Polizeibehörde der Einführung von Abwässern 
in Gewässer jeder Art entgegentreten, sofern 
davon eine Verletzung öffentlicher Interessen 
zu besorgen ist, ohne Sdabei an die für ein 
Privatrechtliches Vorgehen unerläßliche Vor- 
aussetzung einer das gemeinübliche Maß über- 
eitenden Verunreinigung gebunden zu sein. 
nsbesondere wird sich ein polizeiliches Ein- 
  
23 
schreiten häufig aus dem Gesichtspunkte einer 
durch die A. und die damit verbundene Ver- 
unreinigung eines Gewässers drohenden Ge- 
sundheitsgefahr rechtfertigen lassen, wobei es 
genügt, wenn eine auch nur mittelbare Ge- 
sundheitsgefahr, wie sie z. B. üble Ausdün- 
stungen der Abwässer im Gefolge haben 
können, zu besorgen ist (OVG. im PrBil. 
17, 431 Abs. 5). Im Zusammenhange hiermit 
sei auch auf die den Schutz gegen übertrag- 
bare Krankheiten bezweckenden Bestimmungen 
im Seuchengesetz vom 30. Juni 1900 (Rößl. 300) 
§ 35 hingewiesen. Gegen die Einleitung von 
Abwässern in einen Privatfluß, von der eine 
Gefahr für das Gemeinwohl nicht zu befürchten 
ist und die auch Neinen Verstoß gegen eine 
der obenerwähnten Strafbestimmungen dar- 
stellt, darf die Polizeibehörde nicht einschreiten, 
auch wenn die dadurch veranlaßte Verun- 
reinigung des Flusses über das gemeinübliche 
Maß hinausgeht, da die Polizei zum Schutze 
rein privater Interessen nicht berufen ist. Da- 
gegen muß sie für berechtigt erachtet werden, 
unter den gleichen Voraussetzungen der Ab- 
wasserzuführung in einen öffentlichen Fluß 
entgegen zutreten, weil in einem solchen nie- 
mand ohne Genehmigung der zuständigen Be- 
hörde etwas vornehmen darf, was über den 
Gemeingebrauch hinausgeht, und deshalb die 
Beseitigung des Zustandes, der der Genehmi- 
gung bedurft hätte, diese aber nicht erhalten 
hat, von der Polizeibehörde lediglich deshalb 
verlangt werden kann, weil er nicht genehmigt 
worden ist (OV. 32, 263). Ein Privatrecht, 
in einen öffentlichen Fluß unmittelbar Ab- 
wässer in einem über den Gemeingebrauch 
hinausgehenden Umfange abzuleiten, kann 
auch durch unvordenkliche Verjährung nicht 
erworben werden (R. in der DJZ. 1903, 105). 
Für öffentliche Flüsse kommt ferner der § 366 
r. 10 StEb B. in Betracht, der die Ubertretung 
der zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlich- 
keit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffent- 
lichen Straßen, darunter auch Wasserstraßen, 
erlassenen Polizeiverordnungen unter Strafe 
tellt. 
v III. Was die Art des polizeilichen Vor- 
gehens betrifft, so kann dieses, abgesehen von 
der Einleitung eines gerichtlichen Strafver- 
fahrens oder der Verhängung einer Polizei- 
strafe nach Maßgabe des G. vom 23. April 1883 
(H S. 65) auf Grund der gedachten Straf- 
bestimmungen, entweder darin bestehen, daß 
die Einführung der Abwässer in bestimmte 
Wasserläufe, sei es allgemein, sei es für gewisse 
Arten von Abwässern, z. B. für Zuckerfabrik-, 
Brauerei-, Brennereiabwässer, durch Polizei- 
verordnung, selbstverständlich nur auf der 
Grundlage der oben aufgeführten gesetzlichen 
Bestimmungen, geregelt oder daß im Wege 
polizeilicher Verfügung gegen einzelne Abwässer- 
abführungsanlagen eingeschritten wird. In der 
Regel wird der letztere Weg vorzuziehen sein, da 
es sich empfiehlt, tunlichst jede schematische Be- 
handlung zu vermeiden und unter gebührender 
Berücksichtigung jedes einzelnen Falles und 
billiger Abwägung widerstreitender Interessen 
nach Maßgabe der obwaltenden örtlichen und 
wirtschaftlichen Verhältnisse zu verfahren. Dabei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.