Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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werden (s. Akademische Grade, Diplom- 
ingenieure, Technische Hochschulen III, 
Universitätslehrer I.). 
Dissidenten. Unter D. im weiteren Sinne 
werden Anhänger sektiererischer und separatisti- 
scher Bewegungen verstanden, auch wenn sie 
im übrigen innerhalb der Landestkirche bleiben 
(s. über ihre Behandlung vom evangelischen 
Standpunkt z. B. den Erl. des Ev. Ober- 
kirchenrats vom 15. Dez. 1884 im Kirchl. 
GBWl. 1885, 1). Im engeren Sinne versteht 
man unter D. diejenigen Personen, welche 
aus der Kirche ausgetreten sind, sei es, daß 
sie eine neue Religionsgesellschaft bilden oder 
nicht (s. Austritt aus der Kirche). Diese 
neugebildeten Religionsgesellschaften stehen 
zum Teil auf christlichem Boden, wenn sie 
auch im einzelnen von der anerkannten Lehre 
abweichen, zum HBeil aber leugnen sie die 
Grundlagen des Christentums. Zu letzteren 
gehören die sog. freien oder freireligiösen uff. 
(s. Erl. des Ev. Oberkirchenrats vom 10. Juni 
1851, vom 25. Febr. 1860 — Aktenstücke des 
Ev. Oberkirchenrats 2, 36; 11, 57). Der Reli- 
gionsunterricht derselben ist ein Akt der durch 
Art. 12 Bl. vom 31. Jan. 1850 (GS. 17) ge- 
währten Religionsfreiheit. Soweit er aber 
den Kindern den schulplanmäßigen Religions- 
unterricht ersetzen soll, fällt er unter die Vor- 
schriften über den genehmigungspflichtigen 
Privatunterricht. Die Rinder der D. sind ver- 
pflichtet, an dem obligatorischen schulplan- 
mäßigen Religionsunterricht der von ihnen 
besuchten öffentlichen BVolksschule teilzunehmen, 
soweit nicht ein genügender Ersatzunterricht 
nachgewiesen wird (Erl. vom 16. Jan. 1892 
und vom 6. Jan. 1893 — U 3Bl. 435 u. 253; 
K#. vom 17. April 1893 — U 3 Bl. 665). 
Distriktskommissarien heißen in der Prov. 
Posen die Polizeiverwalter auf dem Lande. 
Während der Zugehörigkeit der Provinz zum 
Herzogtum Warschau wurde die gutsherrliche 
Polizei aufgehoben und in den Städten den 
Bürgermeistern, auf den Dörfern den „Woyten“ 
übertragen. Nach der Wiedervereinigung mit 
dem Staate Preußen blieb diese Einrichtung 
bestehen, bis die KabO. vom 9. März 1833 
(v. Kamptz 17, 118) die Zusammenlegung 
der Guts= und Landgemeinden zu Polizei- 
bezirten verfügte, an deren Spitze Woyte 
traten. Letztere wurden in der KabO. vom 
10. Dez. 1836 (v. Kamptz 20, 943; vgl. O. 
36, 153) durch D. ersetzt. Diese sind den 
Landräten als Gehilfen in allen Zweigen 
ihres Wirkungskreises unterstellt (Dienstanw. 
vom 21. Okt. 1837 — v. Kamptz 21, 718). 
Bei Erledigung ihrer Geschäfte können sie 
sich der Gemeinde= und Gutsvorsteher bedienen 
(LGO. f. d. ö. Pr. vom 3. Juli 1891 — GS. 
233 — 8§8 90, 123). Die Anstellungsbe- 
dingungen regelt die Instr. vom 9. Aug. 1887 
(MVl. 176). Auswahl und Notierung der 
Anwärter erfolgt durch den Oberpräsidenten. 
Bewerber dürfen nicht über 35 Jahre alt sein, 
müssen den ehrenvollen Abschied als Offizier 
erhalten haben oder über die für höhere Be- 
amte erforderliche allgemeine Bildung ver- 
fügen, in geordneten Vermögensverhältnissen 
leben und Rörperlich tauglich sein. Nach er- 
  
  
Dissidenten — Disziplinarbehörden. 
folgreichem zweijährigen Vorbereitungsdienst, 
der je zur Hälfte auf Landrats= und Distrikts- 
ämtern zugebracht wird, vollzieht der Ober- 
präsident zunächst die interimistische und 
frühestens nach einem Jahre die endgültige 
Anstellung. Alit Genehmigung des Wds. 
kann, von der vorgeschriebenen Altersgrenze 
und Vorbildung abgesehen, auch die Vor- 
bereitungszeit auf ein halbes Jahr abgehürzt 
werden, namentlich wenn geeignete Subaltern- 
beamte als Bewerber auftreten (Erl. vom 
28. Febr. 1903 — Al K. 33). Die D. haben 
den gleichen Dienstrang wie die Subaltern- 
beamten der Regierungen (AEGE. vom 12. Juli 
1896 — G5S. 171). S. auch Bewaffnung 
und Uniformierung der Polizeibeam- 
en. 
Distriktsoffiziere der Landgendarmerie 
s. Gendarmerie. 
Disziplinarbehörden. I. D. werden diejeni- 
gen Behörden genannt, denen die Befugnis zu- 
steht, Disziplinarmaßregeln gegen die ihnen 
untergebenen Beamten zu verhängen. Man# 
unterscheidet zwischen „Disziplinarbehörden“ 
und „entscheidenden Disziplinarbehörden“. Die 
Eigenschaft der ersteren haben alle Dienstvor- 
gesetzten, da ihnen die Befugnis übertragen 
worden ist, Warnungen und Verweise als 
Disziplinarstrafen zu verhängen (Disziplinar- 
gesetz vom 21. Juli 1852 § 18). Entscheidende 
D. sind die im förmlichen Disziplinarverfahren 
erkennenden Behörden, die Disziplinargerichte 
(s. d.). Welche Behörde im einzelnen Falue 
die zuständige D. bildet, bestimmt das Gesetz 
([s. wegen der Staats= und Reichsbeamten 
Disziplinargerichte, Disziplinarver-= 
fahren und Disziplinargesetz). 
II. D. der Kommunalbeamten sind die 
Vorsteher derjenigen Behörden, denen die Be- 
amten angehören, dann aber auch die Staats- 
beamten, denen die Dienstaufsicht über diese 
Behörden zusteht. Jeder Vorsteher einer Be- 
hörde ist als Dienstvorgesetzter zu Warnungen 
und Verweisen gegen gFeins Untergebenen be- 
fugt (Disziplinargesetz § 18), soweit nicht durch 
ausdrückliche gesetzliche Bestimmung ihm ein 
Ordnungsstrafrecht entzogen ist. Die Befugnis 
zur Verhängung von Geldbußen (und Arrest- 
strafen gegen gewisse Klassen von Unterbe- 
amten) steht den Dienstvorgesetzten als D. im 
verschiedenen Maße zu (s. Ordnungsstrafen). 
Es wird hierbei unterschieden zwischen den 
Vorstehern derjenigen Behörden, die unter den 
Provinzialbehörden stehen, ferner den Provin- 
zialbehörden und endlich den Ministern. Als 
D. der ersten Art kommen für Kommunal= 
beamte in Betracht die städtischen Bürger- 
meister gegenüber den städtischen Beamten, 
die Amtmänner in Westfalen und die Bürger- 
meister in der Rheinprovinz gegenüber Unter- 
beamten der Gemeinden, Anter und Bürger- 
meistereien, die Landräte gegenüber den 
Kreisbeamten, den ländlichen Gemeindevor= 
stehern, den Amtmännern in Westfalen, den 
ländlichen Bürgermeistern in der Rheinprovinz, 
den Schäöffen, den Miitgliedern des kollegiali- 
schen Gemeindevorstandes, den Gutsvorstehern, 
Verbandsvorstehern der Zwechsverbände und 
den sonstigen Beamten der Landgemeinden,
	        
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