Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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oder vorübergehende Störung der 
Geistestätigkeit bei einem der Eheschließen- 
den machen die Ehe nichtig. Jedoch ist diese 
als von Anfang an gültig anzusehen, wenn 
der Ehegatte sie nach dem Wegfalle der Ge- 
schäftsunfähigkeit usw. bestätigt, bevor sie für 
nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Die 
Bestätigung bedarf nicht der für die Eheschließung 
vorgeschriebenen Form (BE. § 1325). Bloß 
beschränkte Geschäftsfähigheit (minderjährige 
weibliche, wegen Geistesschwäche, Verschwen- 
dung oder Trunksucht entmündigte oder nach 
Bes. 8 1906 unter vorläufige Vormundschaft 
gestellte Personen) macht dagegen die Ehe 
nicht unmöglich, sondern nur die Einwilligung 
des gesetzlichen Vertreters, d. i. desjenigen, 
der zur Zeit der Eheschließung in den die 
Person betreffenden Angelegenheiten zur Ver- 
tretung des Eheschließenden berechtigt ist, not- 
wendig, und zwar bei Vermeidung der An- 
fechtbarkeit der Ehe. Ist dieser gesetzliche Ver- 
treter nicht der Vater oder die Mutter, denen 
die Vertretung der minderjährigen Tochter 
kraft elterlicher Gewalt zusteht, sondern ein 
Vormund oder ein Pfleger, so kann auf 
Antrag des Mündels die verweigerte Ein- 
willigung durch das Vormundschaftsgericht 
Fc. 43, 36) ersetzt werden. Vom Vor- 
mundschaftsgerichte muß dies geschehen, wenn 
die Eingehung der Ehe im Interesse des Mün- 
dels liegt (BEB. § 1304). Zur Erteilung der 
Einwilligung bedarf der Vormund oder Pfleger 
seinerseits nicht der Einwilligung des Vor- 
mundschaftsgerichts. 3. Aiemand darf eine 
Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe 
durch den Tod des anderen Ehegatten oder 
durch Scheidung aufgelöst oder für nichtig 
erklärt worden ist. Die Nichtigkeitserklärung 
ist jedoch nicht nötig, wenn die Ehegatten 
die Eheschließung wiederholen. Dieses E. be- 
wirkt die Vichtigkeit der zweiten Ehe. Wegen 
der neuen Ehe des Ehegatten einer für tot 
erklärten Person s. 1348—1352 BEB. 
4. Zwischen gewissen Personen darf eine 
Ehe nicht geschlossen werden, und zwar 
teilweise bei Vermeidung der Aichtigkeit: 
a) zwischen Verwandten in gerader Linie, 
voll= und halbbürtigen Geschwistern — wohl 
aber zwischen Onkel und Aichte, Tante und 
Neffen — und Verschwägerten in gerader 
Linie, wobei als Verwandtschaft auch die mit 
dem unehelichen Erzeuger und dessen Ver- 
wandten gilt, sowie zwischen Personen, von 
denen die eine mit Eltern, Voreltern oder 
Abkömmlingen des anderen Geschlechts- 
gemeinschaft gepflogen hat, zwischen Adoptiv- 
verwandten in gerader Linie und zwischen 
einem geschiedenen Ehegatten und der Person, 
mit der er die frühere Ehe gebrochen hat, 
wenn der Ehebruch in dem Scheidungsurteil 
als Grund der Scheidung festgestellt ist. Im 
letzteren Falle kann Befreiung bewilligt wer- 
den (8§ 1310—1312) für Deutsche, welche keinem 
Bundesstaate angehören, durch den Reichs- 
stempelfreien (TSt. 28 LSt G.) besonderen Er- 
kanzler, sonst in Preußen durch den IM 
(BGB. 8 1322; V. vom 16. Aov. 1899 — GS. 
562 — Art. 10; Vf. vom 14. Dez. 1899 — Jll l. 
748 — 88§ 2, 5). Die Ehe zwischen dem Vor- 
munde (Gegenvormunde, Pfleger) oder einem 
  
Ehefubiläumsmedaille — Ehekonsens. 
seiner Verwandten in gerader Linie und dem 
Mündel ist auch während bestehender Vor- 
mundschaft zulässig, es muß aber, da der 
Vormund die Einwilligung nicht erteilen 
kann, ein Pfleger bestellt werden (88 1795 
Abs. 1, 1897, 1909). 5. Eine Frau darf 
erst zehn Monate nach Auflösung oder 
-Richtigkeitserklärung ihrer früheren 
Ehe eine neue Ehe eingehen (Wartezeit), 
es sei denn, daß sie inzwischen geboren hat. 
Von diesem Hindernis kann sie befreit werden 
(§ 1313) durch das Amtsgericht, in dessen Be- 
zirke sie ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat, 
in Ermangelung eines hiernach zuständigen 
Gerichtes durch das Amtsgericht, in dessen 
Bezirke die Eheschließung erfolgen soll, falls 
aber die Ehe nicht in Preußen geschlossen 
werden soll, durch das Amtsgericht 1 Berlin, 
künftig Berlin-Mitte (BEB. § 1322; V. vom 
16. Nov. 1899 — GS. 562 — Art. 11). Wegen der 
Selchwerde gegen die Entscheidungen s. Art. 6,7 
Pr G#. 6. Wer eineheliches Kind hat, das 
minderjährig ist oder unter seiner Vormund- 
schaft oder Pflegschaft steht, muß, bevor er 
eine neue Ehe eingeht, durch ein Zeugnis des 
Vormundschaftsgerichts dartun, daß er seiner 
Pflicht zur Auseinandersetzung der be- 
stehenden Vermögensgemeinschaft mit dem 
Kinde nachgekommen ist, oder daß ihm diese 
Pflicht nicht obliegt (8§ 1314, 1669). Die Ver- 
letzung dieser Vorschrift berührt die Gültigkeit 
der Ehe nicht (s. auch Ehekonsens). Da die 
§8 1314, 1669 BE sich nur auf Reichsange- 
hörige beziehen, darf von einem oder einer zu 
einer neuen Ehe schreitenden ausländischen Ver- 
lobten eine Bescheinigung über die Erfüllung 
der gegenüber den erstehelichen Kindern be- 
stehenden Pflichten unter keinen Umständen 
gefordert werden (Md TVf. vom 27. Aov. 1905 
— AMDBl. 201). 
Ehejubiläumsmedaille wird aus Anlaß 
der goldenen oder diamantenen Hochzeit solchen 
Ehepaaren zuteil, welche sich stets durch einen 
sittlich reinen, friedlich frommen Wandel 
ausgezeichnet und sonach in einer über das 
gewöhnliche Maß hinausgehenden Weise durch 
ihr eheliches Leben, wie auch durch einen 
häuslichen, wirtschaftlichen Sinn vor anderen 
sich besonders hervorgetan haben, so daß 
sie durch eine solche musterhafte Führung als 
ein Vorbild in der Gemeinde betrachtet werden 
können. Anträge auf Verleihung sind recht- 
zeitig beim Oberpräsidenten zu stellen. Bei 
der Anzeige ist vom Geistlichen anzugeben, ob 
kirchliche Feier stattfinden soll (ungedr. Erl. 
vom 25. Sept. 1882, 8. Aov. 1882, 16. Febr. 1883,. 
21. Jan. 1885, und wegen Weiterverleihung 
Erl. vom 25. März 1889). Unterstützungeure 
dürftigen Eheleuten wird statt der Aledaille eine 
Geldunterstützung, früher bis zur Höhe von 
30 M., seit dem 1. April 1905 bis 50 Ml. be- 
willigt (s. auch Goldene Hochzeiten). 
Ehekonsens. Militärpersonen des Friedens- 
standes bedürfen zur Eingehung einer Ehe einer 
  
laubnis ihrer Vorgesetzten (Heiratsverordnung 
für die Militärpersonen des Heeres und der Land- 
gendarmerie vom 25. Mai 1902, gleiche V. für 
die Sanitätsoffiziere und die Marineoffiziere),
	        
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