Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

422 Eisenbahnen. 
Gewerbeordnung, Automaten, Bahn— 
wirtschaften, Buchhändler, Gewerbe— 
aufsicht, Gewerbeaufsichtsbeamte. Die 
E. werden nach verschiedenen technischen, recht- 
lichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein- 
geteilt; in technischer Beziehung nach der Spur- 
weite ebreitspurige, vollspurige, schmalspurige 
E.), nach der Art der bewegenden Kraft (Dampf, 
Elektrizität, gepreßte Luft u. dgl.), in recht- 
licher Beziehung nach ihren Eigentumsverhält- 
nissen (Staatsbahnen, Privatbahnen, Staats- 
bahnen unter Privatverwaltung, Privatbahnen 
unter Staatsverwaltung). In wirtschaftlicher 
Beziehung unterscheidet man für Preußen 
und die meisten übrigen deutschen Staaten: 
1. Hauptbahnen; 2. Aebenbahnen (zu 1 u. 2 
dem preuß. Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838 
unterstehend); 3. Kleinbahnen; 4. Privatan- 
schlußbahnen (zu 3 u. 4 dem G. vom 28. Juli 
1892 unterworfen); 5. Bahnen für Privatzwecke 
ohne Anschluß an öffentliche E., oder zwar 
mit Anschluß an öffentliche E., aber ohne Ein- 
richtung für den Betrieb mit Maschinen. Uber 
die E. zu 1—4 pvgl. die besonderen Artikel. 
Die Hauptbahnen und Aebenbahnen sind in 
Deutschland den Bestimmungen der Reichs- 
verfassung unterworfen (RV. Art. 4 Ziff. 8, 
Art. 41—47); sie unterscheiden sich rechtlich nicht 
voneinander, tatsächlich insofern, als die Aeben- 
bahnen einfacher gebaut und betrieben werden, 
worüber die Bau= und Betriebsordnung (s. 
Eisenbahn-Bau= und Betriebsordnung) 
das MAähere enthält. Die Aebenbahnen hießen 
früher Bahnen untergeordneter Bedeutung, 
auch Sekundärbahnen. Es unterliegt der Be- 
aufsichtigung und der esttgebhiun des Reichs 
das Eisenbahnwesen im Interesse der Landes- 
verteidigung und des allgemeinen Verkehrs, 
im Königreich Bayern nur im Interesse der 
Landesverteidigung (bayr. Reservatrecht). Die 
für die Landesverteidigung und den gemein- 
samen Verkehr notwendigen E. Rönnen durch 
Reichsgesetz auch gegen den Widerspruch 
des Bundesstaates, dessen Gebiet sie durch- 
schneiden, unbeschadet der Landeshoheitsrechte 
für Rechnung des Reichs angelegt oder an 
Privatunternehmer konzessioniert und mit dem 
Enteignungsrecht ausgestattet werden. Jede 
E. ist verpflichtet, sich den Anschluß neu an- 
gelegter E. auf deren Kosten gefallen zu lassen. 
Die gesetzlichen Bestimmungen, die bestehenden 
Eisenbahnunternehmungen ein Widerspruchs- 
recht gegen den Bau von Konkurrenz= oder 
Parallelbahnen einräumen, sind aufgehoben, 
ein solches Widerspruchsrecht Kann auch in 
späteren Konzessionen nicht mehr verliehen 
werden. — Die E. sind wie ein einheitliches 
AetZz zu verwalten, die neu herzustellenden. 
Bahnen nach einheitlichen Normen anzulegen 
und auszurüsten. Es sind übereinstimmende 
Betriebseinrichtungen zu treffen, gleiche Bahn- 
polizeireglements einzuführen. Die E. sind 
jederzeit in einem die nötige Sicherheit ge- 
währenden baulichen Zustande zu erhalten 
und mit Betriebsmitteln so auszurüsten, wie 
es das Verkehrsbedürfnis erheischt. Die E. 
sind verpflichtet, die für den durchgehenden 
Verkehr und zur Herstellung ineinandergrei- 
fender Fahrpläne nötigen Perfonerzüge mit 
  
(Allgemeines.) 
entsprechender Fahrgeschwindigkeit, ferner die 
nötigen Güterzüge einzuführen und direkte 
Abfertigung im Personen= und Güterverkehr 
unter Gestattung des Ubergangs der Trans- 
portmittel von einer Bahn auf die andere 
egen die übliche Vergütung zu gestatten. — 
as Tarifwesen untersteht der Kontrolle des 
Reichs, das auf Einführung übereinstimmender 
Betriebsreglements und auf Gleichmäßigkeit 
und Herabsetzung der Tarife hinzuwirken hat. 
Insbesondere ist die Einführung ermäßigter 
Tarife für Rohstoffe aller Art und Dünge- 
mittel, und zwar zunächst tunlichst des Ein- 
pfennigstarifs zu erstreben, d. h. eines Tarifs 
zum Satze von 1 Pf. (Silberpfennig) für den 
Zentner und die Meile -— 2,2 Pf. für die 
Tonne und den Kilometer. Bei Motständen, 
insbesondere ungewöhnlicher Teuerung der 
Lebensmittel, sind die E. verpflichtet, für 
Lebensmittel besonders niedrige Tarife ein- 
zuführen, die der Kaiser auf Vorschlag der 
Bundesratsausschüsse feststellt. Den Anforde- 
rungen der Reichsbehörden wegen Benutzung 
der E. zur Verteidigung Deutschlands haben 
alle E. unweigerlich Folge zu leisten. Das 
Militär und alles Kriegsmaterial ist & gleichen 
ermäßigten Sätzen zu befördern. Die Rechte 
des Reichs in Beziehung auf das Eisenbahn- 
wesen werden von dem durch G. vom 27. Juni 
1873 (RöBl. 164) eingesetzten Reichseisen- 
bahnamt (. d.) wahrgenommen. Auf Grund 
der erwähnten Bestimmungen sind vom Reich 
erlassen die Eisenbahnbau= und Betriebs- 
ordnung vom 4. MAov. 1904 (in Kraft getreten 
am 1. Mai 1905 — (. d.), die Eisenbahn- 
verkehrsordnung vom 26. Okt. 1899 (in 
Kraft getreten am 1. Jan. 1900 — fK. d.) — 
früher Betriebsreglement — und die Militär- 
transportordnung (s. d.) sowie der Militär- 
tarif, beide vom 18. Jan. 1899 (in Kraft getreten 
am 1. April 1899). Die letztgedachten Verord- 
nungen sind durch verschiedene Aachträge er- 
gänzt. Aur die Militärverordnungen finden 
auch auf Bayern Anwendung, auf die anderen 
Verordnungen bezieht sich das bayr. Reservat- 
recht, doch sind in Bayern selbständige, in allen 
wesentlichen Bestimmungen gleichlautende Ver- 
ordnungen über diese Angelegenheiten erlassen. 
Die preuß. E. unterstehen außerdem dem G. 
vom 3. Aov. 1838 über die Eisenbahnunterneh- 
mungen (s. Eisenbahnunternehmungen). 
I. Verwaltung, Aufsicht. In Preußen 
besteht das Staatseisenbahnsystem, d. h 
die ganz überwiegende Mehrzahl der E. sind 
im Eigentum und Betriebe des Staates, es 
gibt nur noch vereinzelte Privatbahnen. Diese 
werden durch eigene Direktionen verwaltet, 
unter Aufsicht des MdöA. und der von diesem 
bestellten Eisenbahnkommissare. Früher waren 
auf Grund des § 46 des G. vom 3. NAov. 1838 
besondere Behörden (Eisenbahnkommissariate) 
eingesetzt (Regul. vom 24. Aov. 1848 — M9#. 
319). Diese sind durch AE. vom 15. Dez- 
1894 (GS. 1895, 11 Ziff. IV) aufgehoben und 
die Aufsichtsrechte werden von einzelnen Prä- 
sidenten der RKgl. Eisenbahndirektionen, die 
zu Eisenbahnkommissaren ernannt sind, 
wahrgenommen. Die preuß. Staatsbahne# 
sind durch Staatsvertrag vom 23. Juni 18
	        
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