Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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1880/1. Mai 1894 (REl. 1894, 409) zu den 
Befugnissen der Veterinärpolizeibehörden, des- 
gleichen die Impfung der einer Biehseuchen- 
gefahr ausgesetzten Tiere (ogl. §§ 13, 23—25, 
34, 37, 38, 40, 42, 45—47, 55). Nach § 57 
muß für die auf polizeiliche Anordnung ge- 
töteten oder nach dieser Anordnung ge- 
fallenen sowie für solche Tiere, die infolge 
einer nach § 45 angeordneten Impfung ein- 
gehen, vorbehaltlich der in den §§ 61—63 
angegebenen Ausnahmen eine Entschädigung 
ewährt werden. Diese ist nach dem gemeinen 
erte der Tiere ohne Rüchksicht auf den durch 
die Seuche oder die Impfung bedingten Min- 
derwert zu bemessen. Bei den mit Rotz be- 
hafteten Tieren hat die Entschädigung aber nur 
drei Viertel, bei dem mit Lungenseuche behaf- 
teten Rindvieh, sowie bei den nach Ausführung 
einer polizeilichen Impfung eingegangenen 
Tieren nur vier Fünftel des so berechneten 
Wertes zu betragen. Auf die E. sind anzurech- 
nen eine etwaige Versicherungssumme (bbei 
Rotz-, Lungenseuche, Eingehen infolge einer 
Impfung nur zu drei Viertel bzw. vier 
Fünftel) und der Wert der dem Besitzer noch zur 
Verfügung bleibenden Teile der getöteten oder 
eingegangenen Tiere (§ 59). Die Abschätzung 
des Wertes erfolgt in einem in den 88 17 
bis 21 des AG. zum Biehseuchengesetze vom 
12. Alärz 1881 (GS. 128) näher geregelten 
Verfahren. 
III. Nach § 12 desselben G. ist die Entschä- 
digung für Tiere, die mit Rotz oder Lungen- 
seuche behaftet waren, von den Provinzialver- 
bänden oder den ihnen gleichstehenden anderen 
Kommunalverbänden, in allen sonstigen Fällen 
aus der Staatskasse zu leisten. Innerhalb der 
Provinzialverbände werden die zur Bestrei- 
tung der Entschädigungen und der Verwal- 
tungskosten erforderlichen Beträge nach Alaß- 
gabe des vorhandenen Bestandes an Ein- 
hufern (Rotz) und Rindvieh (Lungenseuche) 
unter die Besitzer der Tiere dieser beiden Gat= 9 
tungen verteilt. Die näheren Vorschriften hier- 
über und über die Verwaltung etwaiger aus 
Uberschüssen der Abgaben gebildeten Fonds sind 
von den Vertretungen der Verbände durch 
Reglements festzusetzen, die von den Ministern 
des Innern und für Landwirtschaft & geneh- 
migen sind E8 15 u. 16 a. a. O.). ine Zu- 
sammenstellung der Reglements findet sich bei 
Beyer, Viehseuchengesetz, 4. Aufl., Berlin 1897, 
S. 240 ff. Die Tötungs= und Entschädigungs- 
vorschriften haben besondere praktische Bedeu- 
tung für Rotz und Lungenseuche. Sie bestan- 
den in ähnlicher Form in Preußen auch schon vor 
dem Reichsviehseuchengesetz seit 1876 auf Grund 
des preuß. Viehseuchengesetzes vom 25. Juni 
1875 (6S. 306). Auf Grund aller erwähnten 
Vorschriften sind in der Zeit von 1876—1904 
an Entschädigungen gezahlt worden: aus Anlaß 
des Botzes: aus der Staatskasse 2 125 230 M., 
von den Verbänden 6969747 M., zusammen 
9094977 M.; aus Anlaß der Lungenseuche: 
aus der Staatskasse 1 160 272 M., von den 
Verbänden 7136005 M., zusammen 8296277 M., 
insgesamt also über 17 Mill. M., davon aus 
der Staatskasse rund 3 Mill., von den Ver- 
bänden rund 14 Mill. M. Außerdem haben 
  
Entschädigung für Wahrnehmung der Standesamtsgeschäfte. 
die meisten Verbände (mit Ausnahme von 
Brandenburg mit Berlin, von Schlesien, Sachsen 
und Hannover) aus den Uberschüssen der Ab- 
gaben Reservefonds angesammelt, die gegen- 
wärtig zusammen nahezu 5 Mill. M. betragen. 
IV. Nach § 22 AG. können die Provinzial- 
und die ihnen gleichstehenden Kommunalver= 
bände auch beschließen, für die an der Pocken- 
seuche gefallenen Schafe Entschädigungen zu 
gewähren. Diese Vorschrift ist aber nicht 
praktisch geworden und hat gegenwärtig ihre 
Bedeutung ganz verloren, da die genannte 
Seuche seit längerer Zeit in Preußen nur noch 
selten und vorübergehend aufgetreten ist. 
V. Endlich ist durch die preuß. G. vom 
29. Juni 1890/6S. 221) und vom 22. April 1892 
(6GS. 90) bestimmt, daß die mehrbezeichneten 
Verbände die Gewährung von Entschädigungen 
für an Milzbrand oder Rauschbrand ge- 
fallene Pferde und Rindviehstücke oder für ge- 
tötete Tiere dieser Gattungen, die sich bei der 
tierärztlichen Obduktion als behaftet mit einer 
der beiden Seuchen erweisen, beschließen 
Können. Die Grundsätze lehnen sich im allge- 
meinen an diejenigen des Viehseuchengesetzes 
über die Entschädigungen für Rotz und Lungen- 
seuche an. Die Entschädigung darf vier Fünftel 
des Wertes nicht übersteigen. Für die Be- 
streitung der Entschädigung kKkönnen die oben- 
bezeichneten Reservefonds verwendet werden. 
Von der in den Milzbrandentschädigungsge- 
setzen gegebenen Befugnis haben die Prov. 
Brandenburg, Schlesien, die Rheinprovinz, 
die Kommunalverbände der Reg.-Bez. Kassel 
und Wiesbaden, sowie der hohenzollernschen 
Lande alsbald Gebrauch gemacht. Ihnen sind 
nachgefolgt die Prov. Westfalen im Jahre 1894, 
Ostpreußen im Jahre 1898, die Stadt Berlin 
im Jahre 1902, die Prov. Schleswig-Holstein 
im Jahre 1903, Posen und Westpreußen im 
Jahre 1904 und Pommern im Jahre 1905. 
Es fehlen also nur noch die Prov. Sachsen und 
annover. Die in den Reglements vorgesehenen 
Entschädigungen schwanken zwischen drei Fünf- 
tel (drei Viertel) und vier Fünftel des Wertes. 
Auf Grund der von den einzelnen Verbänden 
beschlossenen Reglements (ovgl. die älteren bei 
Beyer a. a. O. S. 314 ff.) sind in den Jahren 
1893—1904 für 1248 Pferde und 25 345 Rinder: 
587 320 + 5595 260 Ml. zusammen 6 182 580 Ml. 
an Entschädigungen gezahlt worden. 
VI. Die Entschädigungen haben sich als ein sehr 
wirksames Mittel zur Bekämpfung der Seuchen 
bewährt, weil sie einen starken Anreiz zur 
ordnungsmäßigen Erfüllung der Anzeigepflicht 
bilden, deren Vernachlässigung den Verlust des 
Entschädigungsanspruchs r Folge hat. 
Entschädigung für ahrnehmung der 
Standesamtsgeschäfte. Soweit eine Ent- 
schädigung, d. i., eine persönliche Vergütung 
für die Mühewaltung der von den Gemeinden 
bestellten Standesbeamten ([. Standesämter 
und Standesbeamteh erforderlich ist oder 
von dem im § 7 Abs. 2 PSto. vom 6. Febr. 
1875 (RGl. 23) gegebenen Rechte auf Ent- 
schädigung Gebrauch gemacht wird, fällt sie 
der Gemeinde zur Last (8§ 7 Abs. 1 das.). Be- 
stellt die höhere Verwaltungsbehörde andere 
Personen zu Standesbeamten oder zu deren
	        
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