Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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ständiges Rechtsverhältnis war, sondern die 
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate 
zur Grundlage und Voraussetzung hatte. In- 
folgedessen war für die Formen und Bedingun- 
en, unter welchen die Erwerbung und der 
erlust der Bundesangehörigkeit stattfand, 
eine territoriale Gesetzgebung maßgebend, in 
welcher nicht nur zwischen den werschiedenen 
Bundesstaaten, sondern auch innerhalb der 
einzelnen Landesteile desselben Bundesstaates 
mannigfache Abweichungen bestanden. Die 
Verknüpfung der Bundesangehörigkeit mit 
der Staatsangehörigkeit erforderte daher ge- 
bieterisch für beide die Einführung überein- 
stimmender Aormen im ganzen Bundesgebiete. 
Die verfassungsmäßige Mäöglichkeit hierzu war 
durch Art. 4 der Bundesverfassung gegeben, 
welche die Bestimmungen über Staatsbürger- 
recht unter diesenigen Gegenstände gestellt hat, 
welche der Beaufsichtigung und Gesetzgebung 
des Bundes unterliegen. Diese Regelung ist 
erfolgt durch das G. über die Erwerbung 
und den Verlust der Bundes= und 
Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 
(Böl. 355), welches nach Errichtung des 
Deutschen Reiches auf das gesamte Gebiet des 
Rechtes, durch G. vom 8. Jan. 1873 (RoöBl. 51) 
auch auf Elsaß-Lothringen und durch kais. V. 
vom 22. März 1891 (Rö#ll. 21) auf Helgoland 
ausgedehnt worden ist. 
II. Erwerb und Verlust der Staats- 
angehörigkeit. An der Spitze des G. vom 
1. Kunt 1870 ist zunächst wieder der ver- 
fassungsmäßige Grundsatz zum Ausdruck ge- 
bracht, daß die Reichsangehörigkeit durch die 
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate 
erworben wird und mit deren Berlust erlischt 
1). Uber die Erwerbung und den Verlust 
der Staatsangehörigkeit wird sodann unter 
Berüchksichtigung der durch Art. 41 EcBG. 
herbeigeführten Anderungen das Folgende be- 
stimmt: 
A. Erwerbung der Staatsangehörig- 
keit. Die Staatsangehörigkeit wird erwor- 
ben: 1. Mittelbare Erwerbung durch Ab- 
stammung, Legitimation oder Verhei- 
ratung. Durch die Geburt, auch wenn sie 
im Auslande erfolgt, erwerben eheliche Kin- 
der eines Deutschen die Staatsangehörigkeit 
des Vaters, uneheliche Kinder einer Deut- 
schen die Staatsangehörigkeit der Mutter (§ 3). 
Durch Legitimation eines unehelichen Kindes 
seitens eines Deutschen erwirbt das Kind die 
Staatsangehörigkeit des Baters (# 4). Die 
Adoption hat diese Wirkung nicht. Die Ver- 
heiratung mit einem Deutschen begründet für 
die Ehefrau die Staatsangehörigkeit des 
A##Ees (§ 5). 2. Unmittelbare Erwer- 
bung durch Verleihung. Die Verleihung 
der Staatsangehörigkeit wird Aufnahme ge- 
nannt, wenn es sich um einen Deutschen, und 
Aaturalisation, wenn es sich um einen 
Ausländer handelt. Sie erfolgt durch die 
Aushändigung einer Aufnahme= oder Naturali- 
sationsurkunde, welche in Preußen von dem 
Regierungspräsidenten (in Berlin dem Polizei- 
präsidenten) ausgestellt wird (St AngG. 8§ 2, 
6, 10; 3G. 8§ 155; LVe#. § 41). a) Die Auf- 
nahmeurkunde muß nach § 7 a. a. O. 
  
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. 
jedem Angehörigen eines anderen Bundes- 
staates erteilt werden, welcher sie nachsucht 
und nachweist, daß er sich in dem Bundes- 
staate, in welchem er die Aufnahme nachsucht, 
niedergelassen hat, sofern kein Grund vor- 
liegt, welcher nach den §# 2—5 Freizüg. 
die Abweisung eines Aeuanziehenden oder die 
BVersagung der Fortsetzung des Aufenthalts 
rechtfertigt. b Die Aaturalisations- 
urkunde darf nach § 8 a. a. O. Auslän- 
dern nur dann erteilt werden, wenn sie 1. nach 
den Gesetzen ihrer bisherigen Heimat dispo- 
sitionsfähig sind, es sei denn, daß der Mangel 
der Dispositionsfähigkeit durch die Zustim- 
mung des Vaters, des Vormundes oder Ku- 
rators des zu Aaturalisierenden ergänzt wird; 
2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt 
haben; 3. an dem Orte, wo sie sich nieder- 
lassen wollen, eine eigene Wohnung oder ein 
Unterkommen finden; 4. an diesem Orte nach 
den daselbst bestehenden Berhältnissen sich 
und ihre Angehörigen zu ernähren imstande 
sind. Uber die Erfordernisse zu Nr. 2, 3 u. 4 
ist zuvor der zuständige AB. zu hören. Hat 
der Aachsuchende sich früher schon in einem 
anderen Bundesstaate aufgehalten, so soll die 
Entscheidung nicht eher getroffen werden, als 
bis den Behörden dieses Bundesstaates Ge- 
legenheit zur Außerung gegeben is (B##eschl. 
vom 22. Jan. 1891 — M.UBl. 171). Die Dis- 
positionsfähigkeit und die Möglichkeit ihrer 
Ergänzung ist nach dem Rechte des Heimats- 
staates des Nachsuchenden zu beurteilen. Unter 
Niederlassung ist die Begründung eines Wohn- 
sitzes (Domizils) im Gegensatz zum bloßen 
Aufenthalt zu verstehen. Zur Begründung 
des Aaturalisationsgesuches wird in der Regel 
die zuvorige Tiederlalsung; sedenfalls aber 
die ernste Absicht des Gesuchstellers gefordert, 
sich dauernd im Inlande aufzuhalten und da- 
selbst einen neuen Wohnsitz zu begründen. 
Die Verleihung der Etaatsangegorigueit er- 
strecht sch nach § 11 in der Fassung des 
Art. 41 E#B. zugleich auf die Ehefrau 
und diejenigen minderjährigen Kinder, deren 
gesetzliche Bertretung dem Aufgenommenen 
oder Vaturalisierten kraft elterlicher Gewalt 
zusteht. Ausgenommen sind Töchter, die ver- 
heiratet sind, oder verheiratet gewesen sind. 
Da von diesem Grundsatze im § 11 zit- 
Ausnahmen ausdrüchklich zugelassen sind, und 
in Preußen für die Aufnahme und Naturali- 
sationsurkunden der Zusatz vorgeschrieben ist, 
daß sich die Aufnahme oder Naturalisation 
nur auf die in der Urkunde ausdrüchklich be- 
nannten Personen beziehen soll, so wird hier- 
durch mittelbar eine Ausschließung der in der 
Urkunde nicht genannten Familienmitglieder 
bewirkt (Erl. vom 28. April 1902). Die 
Voraussetzungen des die Naturalisation von 
Ausländern betreffenden § 8 bilden nur das 
Mindestmaß der zu erfüllenden Bedingungen, 
und es ist den einzelnen Landesregierungen 
unbenommen, noch weitere Anforderungen 
B. hinsichtlich des Alters, der Dauer der 
Kiederkassung, der Erwerbsverhältnisse usw. 
zu stellen. In Preußen sind derartige be- 
stimmte, für alle Fälle bindende Vorschriften 
nicht erlassen, doch gilt es als Grundsatz, daß 
 
	        
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