Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. 
bei männlichen, noch im wehrpflichtigen Alter 
stehenden Personen die Militärverhältnisse des 
Gesuchstellers in Betracht zu ziehen sind. Die 
Beibringung einer Entlassungsurkunde aus 
dem bisherigen Untertanenverhältnisse wird 
im allgemeinen nicht gefordert. Eine solche 
Graxie besteht gegenwärtig nur noch der 
chweiz und den türhischen, persischen und 
marokhkanischen Untertanen gegenüber. Wegen 
der Renaturalisationen s. B 3. An- 
langend die Rechtsmittel, so findet nach 
§ 155 Abs. 2 ZG. gegen den Bescheid des Re- 
gierungspräsidenten, durch welchen Angehöri- 
gen eines anderen deutschen Bundesstaates 
oder einem früheren BReichsangehörigen die 
Erteilung der Aufnahmeurkunde versagt ist, 
die Klage bei dem OV. statt. Gegen einen 
die Naturalisation verweigernden Bescheid steht 
dagegen nur die Beschwerde im Dienstaussichts- 
wege offen, da Reichsausländern ein Becht 
auf Einbürgerung nicht zusteht. 3. Außer den 
vorstehenden Fällen wird die Staatsangehörig- 
keit noch erworben durch eine von der Re— 
gierung oder von einer Zentral= oder höheren 
erwaltungsbehörde ohne entsprechenden Vor- 
behalt vollzogene oder bestätigte Bestallung 
für einen in den unmittelbaren oder mittel- 
baren Staatsdienst oder in den Kirchen-, 
Schul- oder Kommunaldienst aufgenommenen 
Ausländer oder Angehörigen eines anderen 
Bundesstaates (§ 9). Der Offiziersdienst ist 
als Staatsdienst anzusehen. Ein im Reichs- 
dienst angestellter Ausländer erwirbt die 
Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundes- 
staate, in welchem er seinen dienstlichen Wohn- 
sitz hat. Hat ein solcher Angestellter seinen 
dienstlichen Wohnsitz im Auslande, so darf 
ihm die Verleihung der Staatsangehörigkeit 
von demjenigen Bundesstaate, in welchem er 
sie nachsucht, nicht versagt werden (G. vom 
20. 23. 1875 — Rnl. 324). 
-B. Verlust der Staatsangehörtgkeit. 
1. Verlust durch Entlassung. Die Staates- 
angehörigheit geht verloren durch Ent- 
lassung auf Antrag (StAngG. 88 14 ff.. 
Die Entlassung erfolgt in Preußen analog 
der Aufnahme und Naturalisation durch eine 
von dem Regierungspräsidenten (Polizeipräsi- 
denten in Berlin) auszustellende Entlassungs= 
urkunde (6 14). Sie muß sedem Staats- 
angehörigen erteilt werden, welcher die Staats- 
angehörigkeit in einem anderen Bundesstaate 
erworben hat (§ 15 Abs. 1). Im übrigen darf 
die Entlassung in Friedenszeiten nur mit 
Rücksicht auf den Militärdienst (aktiver Mili- 
tärpersonen: Offiziere des Beurlaubtenstandes 
und Beamten, bevor sie aus dem Dienst ent- 
lassen sind, und zum ahtiven Dienste einge- 
zogene Personen der Reserve und Land--[See- 
wehr; s. auch Beurlaubtenstand) und die 
Wehrpflicht verweigert werden, insbesondere 
soll sie Wehrpflichtigen nicht erteilt werden, 
welche sich im Alter vom vollendeten 17. bis 
zum vollendeten 25. Lebensjahre befinden, 
bevor sie ein Zeugnis der Ersatzkommission 
darüber beigebracht haben, daß sie die Ent- 
lassung nicht bloß in der Absicht nachsuchen, 
um sich der Dienstpflicht im stehenden Heere 
oder in der Flotte zu entziehen (§ 15). Das 
  
  
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Zeugnis kann vor der Aushändigung der 
Entlassungsurkunde zurüchgenommen werden, 
dagegen unterliegt es hinsichtlich der sachlichen 
Begründetheit nicht der richterlichen Nachprü- 
fung im Verwaltungsstreitverfahren (OV . 
15, 410). Die Entlassung eines Staatsange- 
hörigen, der unter elterlicher Gewalt oder 
Vormundschaft steht, kann von dem gesetz- 
lichen Vertreter nur mit Genehmigung des 
Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Die 
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu 
dem Antrag ist nicht erforderlich, wenn der 
Vater oder die Mutter die Entlassung für sich 
und zugleich kRraft elterlicher Gewalt für ein 
Kind beantragt. Erstreckt sich jedoch der Wir- 
Rungskreis eines der Mutter bestellten Bei- 
standes auf die Sorge für die Person des 
Kindes, so bedarf die Mutter der Genehmi- 
gung des Beistandes zu dem Intrage auf Ent- 
lassung des Kindes (§ 14a; EG B. Art. 41). 
Die Entlassung selbst erstreckt sich, sofern nicht 
dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich 
auf die Ehefrau und diejenigen Kinder, deren 
gesetzliche Vertretung dem Entlassenen kraft 
elterlicher Gewalt zusteht. Die Vorschriften 
finden indessen keine Anwendung auf Töchter, 
die verheiratet sind oder gewesen sind, sowie 
auf Kinder, die unter der elterlichen Gewalt 
der Mutter stehen, falls die Müutter zu dem 
Antrage auf Entlassung nach § 14 a zit. der 
Genehmigung des Beistandes bedarf (§ 19 
in der Fassung des Art. 41 EGB.). Die 
Entlassungsurkunde bewirkt mit dem Zeit- 
punkte der Aushändigung den Verlust der 
Staatsangehörigkeit. Die Entlassung wird 
jedoch unwirksam, wenn der Entlassene nicht 
binnen sechs Alonaten vom Tage der Aus- 
händigung der Entlassungsurkunde seinen 
Wohnsitz außerhalb des Reichsgebietes verlegt 
oder die Staatsangehörigkeit in einem an- 
deren Bundesstaate erwirbt (6 18). Gegen den 
Bescheid des Regierungspräsidenten, durch 
welchen die Erteilung der Entlassungsurkunde 
in Friedenszeiten versagt ist, findet die Klage 
beim OVl. statt (3. ⅛ 155 Ziff. 2). 2. Ent- 
lassung durch Ausspruch der Behörden 
(§§ 20, 22). Durch Beschluß der Zentral- 
behörde des Heimatsstaates kann ein Deut- 
scher seiner Staatsangehörigkeit für verlustig 
erklärt werden, wenn er a) im Falle eines 
Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch 
den Kaiser für das ganze Reichsgebiet anzu- 
uordnenden ausdrüchklichen Aufforderung zur 
Kackhhehr aus dem Auslande binnen der be- 
stimmten Frist nicht Folge leistet (§ 20), oder 
b) wenn er ohne Erlaubnis seiner Regierung 
in ausländische Staatsdienste eingetreten ist 
und einer ausdrücklichen Aufforderung zum 
Austritt nicht nachnommt (8§ 22). Wenn ein 
Deutscher mit Erlaubnis seiner Regierung bei 
einer fremden Macht dient, so verbleibt ihm 
seine Staatsangehörigkeit (§ 23). 3. Verlust 
durch Fristablauf. Die Staatsangehörig- 
keit geht durch zehnjährigen ununter- 
brochenen Aufenthalt im Auslande ver- 
loren (§ 21), zu welchem indessen die Schutz- 
ebiete (s. d.) nicht gehören. Die zehnjährige 
Avwesenhett muß eine ununterbrochene sein. 
Jede Rüchkehr in das Inland ist ohne Rück- 
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