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und sodann zur Wahrung kommunaler
Interessen (§§ 4 u. 5). In erster — polizei-
licher — Hinsicht bestimmt § 3, unter Aufhebung
aller übrigen Beschränkungen (Abs. 3): a) in-
soweit bestrafte Personen nach den Lan-
desgesetzen Aufenthaltsbeschränkungen durch
die Polizeibehörden unterworfen werden Bhön-
nen, behält es hierbei sein Bewenden; b) sol-
chen Personen ferner, welche derartigen Aufent-
haltsbeschränkungen in einem Bundesstaate
unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate
innerhalb der letzten zwölf Monate wegen
wiederholten Bettelns oder wegen wiederhol-
ter Landstreicherei bestraft worden sind, kann
der Aufenthalt in jedem anderen Bun-
desstaate von der Landespolizeibehörde ver-
weigert werden. Danach (zu a) ist in Preußen
insbesondere die Bestimmung des § 2 Ziff. 2
des obengenannten G. über die Aufnahme neu-
anziehender Personen vom 31. Dez. 1842 in
Kraft geblieben, nach welcher die Landes-
polizeibehörde (nicht die Ortspolizeibehörde)
einem neuanziehenden entlassenen Sträfling
von dem dauernden Aufenthalte an gewissen
Orten ausschließen kann. Hierzu ist sie jedoch
nur in Ansehung solcher Sträflinge befugt,
welche zu Zuchthaus oder wegen eines Ver-
brechens oder Vergehens, wodurch der Täter
sich als einen für die öffentliche Sicherheit
oder Moralität gefährlichen Menschen darstellt,
zu einer anderen Strafe, insbesondere auch
mit Stellung unter Polizeiaufsicht (s. d.) ver-
urteilt, o der in einer Korrektionsanstalt ein-
gesperrt gewesen sind. Die fortdauernde Gül-
tigkeit dieser Bestimmungen ist durch zahlreiche
Entscheidungen des O#. anerkannt. Ihre
Anwendung beschränkt sich in der Praxis im
wesentlichen auf Berlin und Umgegend, wo
die Anhäufung bestrafter Personen aus sicher-
heitspolizeilichen Gründen besonders bedenk-
lich ist. Ahnliche Aufenthaltsbeschränkungen
bestehen auch in anderen Bundesstaaten, ins-
besondere in Bayern nach dem dortigen Hei-
matsgesetze vom 30. Juli 1899. Bei der Auf-
rechterhaltung der Aufenthaltsbeschränkungen
für bestrafte Personen war in erster Linie auf
diesenigen Personen gerüchsichtigt, welche unter
Polizeiaufsicht gestellt sind. Die betreffenden
Befugnisse der Polizeibehörden gründeten sich
beim Erlasse des Gesetzes auf lan desgesetz-
liche Vorschriften. Dadurch, daß die Bestim-
mungen, nach denen Personen auf Grund ge-
richtlicher Verurteilung unter Polizeiaufsicht
gestellt und infolgedessen Aufenthaltsbeschrän-
kungen unterworfen werden können, durch
Aufnahme in das StGB. 88 38 u. 39 reichs-
gesetzlich geregelt sind, hat die Tragweite
des § 3 FreizügG. nicht geändert werden
sollen, es ist vielmehr anzunehmen, daß dem
Ausdrucke „Landesgesetze“ in diesem Para=
graphen auch für die jetzige Gesetzesanwendung
jener Inhalt und jene Tragweite belassen wer—
den muß, welche zur Zeit des Erlasses des
Freizügch. maßgebend waren (Erl. vom
30. Aov. 1902 — MBl. 1903, 8). Bestraften
Personen (zu b), welche infolge dieser Be-
strafung Aufenthaltsbeschränkungen in ihrem
Heimatsstaate unterworfen sind, konnte auch
anderen Bundesstaaten gegenüber nicht das
Freizügigkeit.
volle Recht der F. gegeben werden. Daneben
erschien es unerläßlich, gewisse, besonders
lästige und der öffentlichen Sicherheit gefähr-
liche Personen, nämlich diejenigen, welche wegen
wiederholten Bettelns, ober wegen wiederhol-
ter Landstreicherei innerhalb der letzten 12
Monate bestraft sind, von dem Rechte der F.
auszuschließen.
Wegen der Handhabung der Bestimmun-
gen des § 3 Freizüg G. sind nach Erl. vom
28. Juli 1894 (M Bl. 147) im BR. folgende
Grundsätze vereinbart: 1. Reichsangehörige,
welche Aufenthaltsbeschränkungen der im 8§ 3
Abs. 1 Freizüg G. bezeichneten Art unterliegen
oder innerhalb der letzten 12 Monate wegen
wiederholten Bettelns oder wiederholter Land-
streicherei bestraft worden sind, wird der Aufent-
halt in einem Bundesstaate nicht verweigert
werden, wenn sie in diesem Staate die Staats-
angehörigkeit oder einen UW. (Heimatsrecht)
besitzen. Zur Verweigerung des Aufenthaltes
genügt eine einmalige Bestrafung innerhalb
der 12 monatlichen Frist, sofern nur vor Be-
ginn derselben bereits eine Bestrafung statt-
gefunden hat; 2. die Ausweisung darf in den
Fällen des § 3 Abs. 2 Freizüg G. nicht für länger
als die Dauer der Aufenthaltsbeschränkungen
bzw. die Dauer der von der Verbüßung der letzten
Strafe wegen Bettelns oder Landstreicherei zu
berechnenden 12 Monate verfügt werden; 3. aus
Bundesstaaten, in welchen auf Grund landes-
rechtlicher Bestimmungen bereits nach einmali-
ger Bestrafung wegen Bettelns oder Land-
streicherei eine Aufenthaltsbeschränkung poli-
zeilich verfügt werden kann, wird wegen einer
derartigen Aufenthaltsbeschränkung eine Aus-
weisung nicht erfolgen; 4. bei Ausweisungen
auf Grund des § 3 Abs. 2 Freizüg G. sind be-
züglich des Verfahrens die Bestimmungen des
Gothaer Vertrages vom 15. Juni 1851 (s. d.)
und die zur Ausführung derselben später ge-
troffenen Vereinbarungen zur Anwendung zu
bringen.
Aach den Bestimmungen des § 3 Abs. 2
Freizügcb. Kann in einem Bundesstaate —
die sonstigen Erfordernisse vorausgefetzt —
der Aufenthalt nur solchen Reichsangehörigen
verweigert werden, welche in einem anderen
Bundesstaate entweder Aufenthaltsbeschrän-
Rkungen unterliegen oder wegen wiederholten
Bettelns oder wiederholter Landstreicherei be-
straft find. Diese Auffassung wird von Bayern,
Württemberg und Baden, denen sich später
Hamburg und Lübeck angeschlossen haben, nicht
geteilt. # diesen Bundesstaaten wird viel-
mehr die Ausweisungsbefugnis bereits für ge-
eben erachtet, wenn die betreffenden strafbaren
Handlungen im eigenen Gebiete begangen sind.
Der preuß. Md J. hat deshalb durch obigen
Erlaß angeordnet, daß diesen Bundesstaaten
gegenüber in derselben Weise verfahren wer-
den soll (ogl. auch MBl. 1895 S. 18, 28).
Um die Landespolizeibehörden in stand zu
setzen, von der ihnen nach 8 3 Absl. 2
Freizüg G. zustehenden Befugnis Gebrauch zu
machen, sind durch JUE. vom 27. Mai
1903 die Staatsanwaltschaftsbehörden ange-
wiesen, den Landespolizeibehörden von jeder
wegen Bettelns oder Landstreichens erfolgen-