Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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um 25%. Bleibt der nach dem GewöSt G. ver- 
anlagte Steuersatz hinter einem gewissen Pro- 
millesatz (z. B. 1%0 des Anlage= und Betriebs- 
kapitals) zurüch, so tritt dieser an seine Stelle. 
Der hiernach nach dem Ertrage oder dem 
Anlage= und Betriebskapital bemessene Steuer- 
satz wird für Betriebe, welche entweder mehr 
als eine gewisse Zahl von Personen, z. B. 20, 
beschäftigen oder Räume mit einem Gebäude- 
steuernutzungswert von gewisser Mindest- 
höhe, z. B. 1000 M., benutzen, in gewissen 
Abstufungen dieser Merkmale progressiv er- 
höht, nach dem Muster 1. bei nicht mehr als 
200 Personen für je 10 um 1%, bei 200—1000 
Personen für je 50 um 6% , bei mehr als 
1000 Personen für je 100 um 1500, 2. bei Ge- 
bäudesteuernutzungswert von 1000—10000 M. 
für je 1000 M. um 0,5%, bei 10000—100000 M. 
für je 5000 M. um 3%% und bei mehr als 
100000 M. für je 10000 M. um 8% . Die 
Erhöhungen nach Personenzahl und Autzungs- 
wert treten gegebenenfalls nebeneinander ein; 
jedoch ist der Erhöhung eine gewisse Maximal- 
grenze, im Aluster 300%, gezogen. B. Das 
andere Muster ist nur für Betriebe bestimmt, 
die eine gewisse Mindestzahl, z. B. 100, Personen 
mit Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 
2000 M. beschäftigen. Für diese Betriebe beträgt 
die Steuer einen gewissen Prozentsatz des Er- 
trages zuzüglich eines für jede der vorbezeich- 
neten Personen zu entrichtenden Prozentsatzes 
eines „Einheitssatzes“, der in folgender Weise 
berechnet wird: es wird festgestellt, wieviel im 
letzten oder im Durchschnitt mehrerer Vorjahre 
an Schul-, Armen-, Wege= und Polizeilasten auf 
den Kopf der Bevölkerung entfällt, und wie- 
viel hiervon danach auf sämtliche Arbeiter und 
Angestellte der vorbezeichneten Betriebe und 
deren Haushaltungsangehörige kommt; von 
dieser Summe wird die von den gedachten 
Personen gezahlte Gemeindeeinkommensteuer 
abgezogen, und der Rest, dividiert durch die 
Zahl der in Rechnung zu stellenden Arbeiter 
und Angestellten, ergibt den Einheitssatz. 
Sämtliche Muster sollen den Gemeinden nur 
Anhaltspunkte geben: es bleibt ihnen die 
Modifizierung je nach ihren örtlichen Verhält- 
nissen überlassen. Bis zum Jahre 1904 hatten, 
mit verschiedenartiger Modifikation, Gebrauch 
gemacht von dem Muster zu l nur 3 Gemein- 
den, darunter Königshütte und Staßfurt, von 
dem zu IIA ca. 30, darunter Waldenburg, 
Beuthen in Oberschl., Halle a. S., Mülhausen, 
Berg.-Gladbach, Stolberg bei Aachen, von dem 
unter IIB 11, darunter Essen a. Ruhr und Peine. 
III. Aus der eigenen Initiative der Ge- 
meinden sind hervorgegangen: 1. Die — 1904 in 
Bcau. 75 Gemeinden, darunter Dortmund, Reckling- 
hausen, Witten, Herne, Hörde, Wattenscheid und 
sehr zahlreiche Zechengemeinden im Ruhrkohlen- 
gebiet, eingeführten — sog. Gewerbekopfsteuern, 
d. h. Gewerbesteuern nach dem Maßstabe der 
im Betriebe beschäftigten Personenzahl; bei 
Bemessung der Steuersätze soll von der Höhe 
der durch die steuerpflichtigen Betriebe der 
Gemeinde verursachten, durch die übrigen Ge- 
meindesteuerleistungen der Unternehmer und 
ihres Personals nicht gedechten Ausgaben aus- 
gegangen werden. 2. Steuern nach der Summe 
  
Gemeindegliedervermögen. 
der gezahlten Löhne und Gehälter; solche 
Steuern bestehen in Malstatt-Burbach und 
andern Gemeinden des Saarkohlenreviers. 
3. Steuern nach dem Ertrage, aber mit pro- 
gressiven Sätzen und mit der Maßgabe, daß, 
wenn bei größeren Betrieben der Ertrag hinter 
einem gewissen Prozentsatz des Anlage= und 
Betriebskapitals oder einem solchen des ge- 
meinen Werts der Betriebsräume zurüchbleibt, 
der den höheren Betrag darstellende dieser 
Prozentsätze an die Stelle des Ertrages tritt 
(. B. in Cöln, Hannover, Elbing, Aordhausen, 
M.-GEladbach). 4. Steuern nach dem Anlage- 
und Betriebskapital, z. B. in Kiel, Linden, 
Ruhrort. Andere Steuerformen finden sich 
vereinzelter. Im ganzen hatten bis 1904 
ca. 160—170 Städte und größere, insbesondere 
industrielle Landgemeinden auf Grund des 
§ 29 KW. besondere G. eingeführt, davon 
mehr als 120 erst in den Jahren 1898—1904, 
ca. 80 erst in den Jahren 1900—1904. Außer 
diesen ca. 160—170 hatten weiter ca. 50 Ge- 
meinden, darunter Schöneberg, Spandau und 
andere Vororte Berlins, von der durch § 31 
Ziff. 1 KA#GS. gewährten Befugnis, wenn die 
einzelnen Gewerbearten in verschiedenem Maße 
von den Veranstaltungen der Gemeinde Vor- 
teil ziehen oder ihr Kosten verursachen, soweit 
die Ausgleichung nicht durch Gebühren, Bei- 
träge oder steuerliche Mehr= oder Minder- 
belastung erfolgt, die Gewerbesteuersätze und 
Prozente verschieden abzustufen, ohne Ein- 
führung besonderer Gewerbesteuern den höheren 
Gewerbesteuerklassen gegenüber Gebrauch ge- 
macht. Vgl. Mittd St. Heft 47 S. 100 ff., wo 
auch die grundlegenden Bestimmungen der drei 
amtlichen Muster und der Gewerbesteuerord- 
nung der Stadt Cöln abgedrucht sind. 
Gemeindegliedervermögen (Bürgerver- 
mögen, Gemeindenutzung, Allmanden, 
Gemeinheiten, Allmandgut) ist dassenige 
Gemeindevermögen (s. d.), an welchem der 
Gemeinde zwar das Eigentum, den Gemeinde- 
angehörigen (s. d.) oder einzelnen von ihnen 
aber auf Grund dieser ihrer Eigenschaft ein 
Autzungsrecht zusteht (ogl. OVG. 15, 190). Von 
ihnen verschieden ist das sog. Interessenten— 
vermögen (s. d.), an welchem den Grund- 
besitzern in der Gemeinde oder einzelnen von 
ihnen Eigentum oder Mutzungsrechte auf Grund 
eines privatrechtlichen Titels (insbesondere einer 
Gemeinheitsteilung) zustehen. Die Autzungen 
des G. stehen entweder allen Gemeindeangehö- 
rigen zu, so daß nur Gemeindeangehörigkeit 
einzige Voraussegung der Berechtigung ist, oder 
nur einzelnen Gemeindeangehörigen derart, 
daß außer der Gemeindeangehörigkeit noch ein 
bestimmter Grundbesitz oder die Zugehörigkeit 
zu einer bestimmten Klasse von Gemeinde- 
angehörigen oder bestimmte persönliche Ver- 
hältnisse zur Begründung des Rechtes auf die 
Gemeindenutzung erforderlich sind. Bei Strei- 
tigkeiten über dieses auf dem öffentlichrecht- 
lichen Titel der Gemeindeangehörigkeit be- 
ruhende Autzungsrecht ist der ordentliche 
Rechtsweg unzulässig; zulässig ist er dagegen bei 
Streitigkeiten über das Interessentenvermögen. 
Für diese Zulässigheit ist allein das entschei- 
dend, was der Kläger zur Begründung des
	        
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