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vom 5. März 1835 (v. Kamptz 19, 104) die Ge-
meindeverwaltung geordnet. Danach wird jede
Parochie (§ 1) in ihren Angelegenheiten durch
ein aus dem Pfarrer oder den Pfarrern,
Altesten, Kirchenmeistern und Diakonen be-
stehendes Presbyterium vertreten (8 6),
dem in Gemeinden mit über 200 Seelen eine
größere Repräsentation der Ortsge-
meinde, bestehend aus einer nach der Seelen-
zahl abgestuften Anzahl von gewählten Re-
präsentanten hinzutritt (88 18 ff.). Uber die Be-
fugnisse der beiden Körperschaften s. 88 14 u. 18
a. a. O. In den östlichen Provinzen wurden
mehrfach Versuche gemacht, um eine ähnliche
Organisation herbeizuführen. Tuebesonders
gab nach den Bewegungen des Jahres 1848
der AE. vom 29. Juni 1850 (GS. 343) die
Grundzüge einer GemO., deren Annahme in
dem AE. vom 27. Febr. 1860 (GS. 90) gefor-
dert wurde. Eine volle Durchführung. dieser
Grundsätze ist aber erst durch die Kirchen-
gemeinde= und Synodalordnung vom 10. Sept.
1873 für die östlichen Provinzen (G. 418),
abgeändert durch Kirch G. vom 9. Alärz 1891
(GS. 44), erreicht (Staatsgesetze vom 25. Mai
1874, 3. Juni 1876, 7. April 1891 — ES.
147 bzw. 125 u. 43; rev. Instr. z. 8C6SO. vom
25. Jan. 18822 — KGBBl. 1). Aus derselben
ist folgendes zu bemerken:
I. Organe der Kirchengemeinde. Die
Kirchengemeinden haben ihre Angelegenheiten
innerhalb der gesetzlichen Grenzen selbst zu
verwalten. Als Organe dieser Selbstver-
waltung dienen der Gemeindekirchenrat
und die Gemeindevertretung (§ 1). Die
Verwaltung liegt in den Händen des Gemeinde-
kirchenrats, mit dem sich in den durch das
Gesetz bestimmten Fällen (s. II die Gemeinde-
vertretung als beschließendes Organ vereinigt.
In denjenigen Gemeinden, in welchen eine
Gemeindevertretung nicht gebildet wird (IIIa),
tritt an deren Stelle die Versammlung der G
wahlberechtigten Gemeindeglieder.
II. Gemeindekirchenrat. a) Zusammen-
setzung. Der G. besteht: 1. aus dem Pfarrer
(Pastor, Prediger) der Gemeinde oder dessen
Stellvertreter im Pfarramt (sind mehrere Pfarr-
geistliche vorhanden, so gehören dieselben sämt-
lich dem G. an), 2. aus mehreren durch die
Gemeinde gewählten Altesten (§ 3), wegen
der Zahl s. § 6. In Patronatsgemeinden hat
der Patron die Befugnis, ein Gemeinde-
glied, welches die zur Wählbartkeit erforder-
lichen Eigenschaften besitzt, zum Altesten zu
ernennen. Macht der Patron von seiner Be-
fugnis keinen Gebrauch und besitzt er die zur
Wählbarteit erforderlichen Eigenschaften (. IV),
so Rkann er selbst in den G. eintreten 6).
Den Vorsitz im G. führt der Pfarrer (8 8.
Wegen seiner Vertretung im Vorsjitze s. ebd.
b) Zuständigkeit. Der G. hat den Beruf,
in Unterstützung der pfarramtlichen Tätigkeit
nach bestem Vermögen zum religiösen und
sittlichen Aufbau der Gemeinde zu helfen, die
christlichen Gemeindetätigheiten zu fördern und
die Kirchengemeinde in ihren inneren und äuße-
ren Angelegenheiten gKu vertreten (§ 13). Ins-
besondere liegt dem G. ob: 1. Christliche Ge-
sinnung und Sitte in der Gemeinde, sowohl
Gemeindetbirchenrat und Kirchengemeindevertretung.
durch eigenes Vorbild, als auch durch beson-
dere Anwendung aller dazu geeigneten und
statthaften Alittel aufrechtzuerhalten und
u fördern und zu diesem Zwecke bei der
andhabung der Kirchenzucht mitzuwirken.
Hält der Pfarrer für notwendig, eine von
ihm begehrte Amtshandlung oder die Zu-
lassung zu einer solchen im einzelnen Falle
abzulehnen, und gelingt es ihm nicht, auf
seelsorgerischem Wege die Beteiligten zum Ver-
zicht zu bewegen, so hat er unter schonender
einstweiliger Luruckhhaltung des Betroffenen
auf Verlangen desselben den Fall dem G.
zur Beschlußfassung vorzulegen. Spricht dieser
die Zurüchkhweisung aus, so steht den Betei-
ligten dagegen binnen vierzehn Tagen der
Rekurs an die Kreissynode bzw. deren
Vorstand zu. Ertklärt sich der G. gegen die
Zurückweisung, so hat der Geistliche, falls er
sich bei diesem Beschlusse nicht beruhigen will,
binnen gleicher Frist die Sache zur Entschei-
dung der Kreissynode bzw. des Kreissynodal-
vorstandes zu bringen. Bis zum Erlaß der
letzteren bleibt die Ausführung des angefoch-
tenen Beschlusses ausgesetzt (s. hierzu Kirch G.,
betr. die Trauungsordnung, vom 27. Juli 1880
— 80#VBl. 109 — § 13; G., betr. Verletzung
kirchlicher Pflichten, vom 30. Juli 1880 —
Ko#BBl. 116 — 8§8 2, 11). Der G. ist wie
berechtigt so verpflichtet, Verstöße des Geist-
lichen und der Altesten in ihrer Amtsführung
oder ihrem Wandel in seinem Schoße zur
Sprache zu bringen. Jedoch steht ihm behufs
weiterer Verfolgung nur zu, der vorgesetzten
Kirchenbehörde davon Anzeige zu machen (8 14).
2. Der G. hat für die Erhaltung der
äußeren gottesdienstlichen Ordnung zu
sorgen und die Heilighaltung des Sonntags
zu befördern. Zur Abänderung der üblichen
Zeit der öffentlichen Gottesdienste bedarf der
Pfarrer der Zustimmung des G. (§ 15). 3. Der
. hat die religiöse Erziehung der
Jugend zu beachten und die Interessen der
Kirchengemeinde in bezug auf die Schule zu
vertreten. Eine unmittelbare Einwirkhung auf
die Schule steht ihm nicht zu. Mißstände in
der religiösen Unterweisung der Jugend oder
in sittlicher Beziehung sind von ihm bei den
gesetzlichen Organen der Schulverwaltung zur
Anzeige zu bringen (§ 16). 4. Dem G. liegt
die Leitung der kirchlichen Einrichtungen
für Pflege der Armen, Kranken und
Verwahrlosten ob (§5 17). 5. Der G. stellt
die Liste der wahlberechtigten Ge-
meindeglieder auf, nimmt die dazu er-
forderlichen Anmeldungen entgegen, bereitet
die Wahlen zum Altestenamt und zur Ge-
meindevertretung vor, hält diese Wahlen ab,
beruft die Gemeindevertretung ein und bringt
die Beschlüsse derselben in Ausführung (8§ 18).
6. Dem G. kommt, vorbehaltlich der Rechte
Dritter, die Ernennung der niederen
Kirchendiener zu. Er beaufsichtigt ihre
Dienstführung und übt das Recht der Ent-
lassung aus Rhündbaren Anstellungen (§ 21).
7. Det G. vertritt die Gemeinde in ver-
mögensrechtlicher Beziehung und ver-
waltet das Kirchenvermögen. Zufeder die
Gemeinde verpflichtenden schriftlichen Willens-