Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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tung werden von den wahlberechtigten Ge- 
meindegliedern gewählt. Wahlberechtigt 
sind alle männlichen selbständigen, über 
24 Jahre alten Mitglieder der Gemeinde, 
welche bereits ein Jahr in der Gemeinde oder, 
wo mehrere Gemeinden am Orte sind, an 
diesem Orte wohnen und zu den kirchlichen 
Gemeindelasten nach Maßgabe der dazu be- 
stehenden Berpflichtung beitragen. Der Patron 
ist wahlberechtigt, auch wenn er nicht am Orte 
der Gemeinde wohnt. Ausgeschlossen vom 
Wahlrecht ist: 1. wer nicht im Vollbesitze der 
bürgerlichen Ehrenrechte sich befindet; 2. wer 
wegen eines Verbrechens oder wegen eines 
solchen Vergehens, welches die Untersagung 
der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte 
nach sich ziehen muß oder kann, in Unter- 
suchung sich befindet, bis zur Beendigung der 
Sache; 3. wer durch Verachtung des göttlichen 
Wortes oder unehrbaren Lebenswandel ein 
öffentliches, noch nicht durch nachhaltige Besse- 
rung gefühntes Argernis gegeben hat; 4. wer 
wegen Verletzung besonderer kNirchlichen Pflich- 
ten nach Vorschrift eines Kirch GS. des Wahl- 
rechts verlustig erklärt ist (s. hierzu Kirch G. vom 
30. Juli 1880 — KGl. 116). Das Wahlrecht 
ruht bei allen, welche mit Bezahlung Rirch- 
licher Umlagen über ein Jahr im Rüchkstande 
sind (6 34). Wählbar in die Gemeindever- 
tretung sind alle Wahlberechtigten, sofern sie 
nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffent- 
lichen Gottesdienste und von der Teilnahme 
an den Sakramenten ihre kRirchliche Gemein- 
schaft zu betätigen aufgehört haben. Wählbar 
in den Gemeindetirchenrat sind alle zum Ein- 
tritt in die Gemeindevertretung befähigten 
Personen, welche das dreißigste Lebensfsahr 
vollendet haben (§ 35). Wegen der Rehkla- 
mationen gegen die Wählerlisten und den 
Einspruch gegen die Wahl s. § 36 Abs. 2 u. 3 
und § 40. Die Gewählten Rkönnen das Ge- 
meindeamt nur ablehnen oder nieder- 
legen: 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr 
vollendet, oder 2. schon sechs Jahre das Altesten- 
amt bekleidet haben, oder 3. wegen anderer 
erheblicher Entschuldigungsgründe, z. B. Kränk- 
lichkeit, häufiger Abwesenheit, unvereinbarer 
Dienstverhältnisse. Uber die Erheblichkeit und 
tatsächliche Begründung entscheidet der G. 
und auf eingelegten Rekurs die Kreissynode. 
Die Entlassung eines Altesten oder Ge- 
meindevertreters erfolgt durch den Vorstand 
der Kreissynode nach Anhörung des G.: 1. wegen 
Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen 
Eigenschaft; 2. wegen grober Pflichtwidrigkeit. 
Gegen die Entscheidung des Vorstandes der 
Kreisfynode steht sowohl dem Betroffenen, als 
auch dem G. binnen vier Wochen die Be- 
rufung an das Konsistorium zu, welches mit Zu- 
diehung des Vorstandes der Provinzialsynode 
endgültig entscheidet (§ 44). Wenn eine Ge- 
meindevertretung beharrlich die Erfüllung 
ihrer Pflichten vernachlässigt oder verweigert, 
so kann das Konsistorium auf den Antrag des 
Vorstandes der Kreissynode dieselbe auflösen 
und den erwiesenen Schuldigen die Wählbar- 
keit auf bestimmte Zeit entziehen (§ 45). 
V. In bezug auf die Verwaltung des kirch- 
lichen Vermögens in den östlichen Provinzen 
  
Gemeindeklassenvermögen — Gemeindekrankenversicherung. 
der ev. Landeskirche hat der Ev. Oberkirchenrat 
eine sehr eingehende Verwaltungsordnun 
vom 15. Dez. 1886/17. Juni 1893 (KöBl. 23 
erlassen. Ahnliche Ordnungen sind für West- 
falen und die Rheinprovinz unterm 12. Nov. 
1887, bzw. 16. Jan. 1888 erlassen worden. 
B. Für die neuen Provinzen ist eine 
gleichartige Regelung erfolgt, und zwar für 
Schleswig -Holstein (Kirchenvorstand 
und Kirchenkollegium, letzteres nur in 
Gemeinden mit mehr als 500 Seelen) durch 
die KGSO. vom 4. Nov. 1876 (GS. 415) §8 1 
bis 71; für den Konsistorialbezirt Wies- 
baden (Kirchenvorstand und Gemeinde- 
vertretung, letztere nur in Gemeinden 
mit mehr als 300 Seelen) durch die KGS. 
vom 4. Juli 1877 (GS. 181) §§ 3—45; Ausf- 
Anw. und Instr. im Kirchl. AnBl. des Konsist. 
Wiesbaden 1880, 12 und 1884, 100; für den 
Konsistorialbezirt Kassel (Presbyterium 
und großes Presbyterium — Ge- 
meindeverordnete) durch die Presbyterial- 
und Synodalordnung vom 16. Dez. 1885 (GS. 
1886, 1) §§ 2—42; Abänderung 1901 (Eirchl. 
A#Bl. des Konsist. Kassel 69). — Für die 
reform. Kirche der Prov. Hannover 
(Kirchenrat [Presbyterium] und Gemeinde- 
vertretung) durch &GSO. vom 12. April 
1882 (GS. 224) 3—49; für Frankfurt 
a. M. durch die K#SO. vom 27. Sept. 1899 
(G., 425) §S 4—50; für Hohenzollern durch 
die Kirchengemeindeordnung vom 1. März 1897 
(GS. 69) §§ 2—42. — Die luth. Kirche 
Hannovers hatte bereits am 9. Okt. 1864 ihre 
GemO. erhalten. Dieselbe Rkennt aber neben 
dem Kirchenvorstand keine Gemeindever- 
tretung, sondern nur eine Gemeindeversamm- 
lung, durch die der Vorstand gewählt wird, 
und welcher er Bechenschaft ablegt (s. Kirchen- 
vorstandsordnung vom 9. Okt. 1864 8 5; 
Kirchenvorstandsgesetz vom 14. Okt. 1848 § 21; 
Lehmann, Kirchengesetze 1 S. 14, 86). S. auch 
Evangelische Landestkirche III. 
Wegen Besteuerung s. Kirchensteuer. 
Gemeindeklassenvermögen ist das Ge- 
meindegliedervermögen, dessen Autzung nicht 
sämtlichen, sondern nur einzelnen Gemeinde- 
gliedern oder Einwohnern als solchen zufsteht. 
S. Gemeindegliedervermögen. 
Gemeindekrankenversicherung tritt für 
alle versicherungspflichtigen Personen (s. Ver- 
sicherungspflicht 1) kraft Gesetzes ein, die 
einem andern Träger der Krankenversicherung 
nicht angehören. 
I. Errichtung. Träger der G. ist die Ge- 
meinde (Gutsbezirk, weiterer Kommunalver= 
band), deren Beamte die Verwaltung zu führen 
haben. Im Falle der Notwendigkeit der Ge- 
währung der Krankenunterstützung an ver- 
sicherungspflichtige Personen tritt die G. Rraft 
Gesetzes von selbst ein, ohne daß es einer be- 
sonderen Einrichtung bedarf (OV. vom 8. Mai 
1894 — Pr Vl. 15, 453). Die Gemeinde muß 
auch dann für die Versicherung eintreten, wenn 
für alle versicherungspflichtigen Personen Kran- 
kenkassen bestehen, den versicherungsberechtig- 
tigten Personen aber der Beitritt nicht wenig- 
stens zu einer Krankenkasse offensteht (Erl. 
vom 17. Juni 1884 und vom 24. Okt. 1900;
	        
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