620
tung werden von den wahlberechtigten Ge-
meindegliedern gewählt. Wahlberechtigt
sind alle männlichen selbständigen, über
24 Jahre alten Mitglieder der Gemeinde,
welche bereits ein Jahr in der Gemeinde oder,
wo mehrere Gemeinden am Orte sind, an
diesem Orte wohnen und zu den kirchlichen
Gemeindelasten nach Maßgabe der dazu be-
stehenden Berpflichtung beitragen. Der Patron
ist wahlberechtigt, auch wenn er nicht am Orte
der Gemeinde wohnt. Ausgeschlossen vom
Wahlrecht ist: 1. wer nicht im Vollbesitze der
bürgerlichen Ehrenrechte sich befindet; 2. wer
wegen eines Verbrechens oder wegen eines
solchen Vergehens, welches die Untersagung
der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte
nach sich ziehen muß oder kann, in Unter-
suchung sich befindet, bis zur Beendigung der
Sache; 3. wer durch Verachtung des göttlichen
Wortes oder unehrbaren Lebenswandel ein
öffentliches, noch nicht durch nachhaltige Besse-
rung gefühntes Argernis gegeben hat; 4. wer
wegen Verletzung besonderer kNirchlichen Pflich-
ten nach Vorschrift eines Kirch GS. des Wahl-
rechts verlustig erklärt ist (s. hierzu Kirch G. vom
30. Juli 1880 — KGl. 116). Das Wahlrecht
ruht bei allen, welche mit Bezahlung Rirch-
licher Umlagen über ein Jahr im Rüchkstande
sind (6 34). Wählbar in die Gemeindever-
tretung sind alle Wahlberechtigten, sofern sie
nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffent-
lichen Gottesdienste und von der Teilnahme
an den Sakramenten ihre kRirchliche Gemein-
schaft zu betätigen aufgehört haben. Wählbar
in den Gemeindetirchenrat sind alle zum Ein-
tritt in die Gemeindevertretung befähigten
Personen, welche das dreißigste Lebensfsahr
vollendet haben (§ 35). Wegen der Rehkla-
mationen gegen die Wählerlisten und den
Einspruch gegen die Wahl s. § 36 Abs. 2 u. 3
und § 40. Die Gewählten Rkönnen das Ge-
meindeamt nur ablehnen oder nieder-
legen: 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr
vollendet, oder 2. schon sechs Jahre das Altesten-
amt bekleidet haben, oder 3. wegen anderer
erheblicher Entschuldigungsgründe, z. B. Kränk-
lichkeit, häufiger Abwesenheit, unvereinbarer
Dienstverhältnisse. Uber die Erheblichkeit und
tatsächliche Begründung entscheidet der G.
und auf eingelegten Rekurs die Kreissynode.
Die Entlassung eines Altesten oder Ge-
meindevertreters erfolgt durch den Vorstand
der Kreissynode nach Anhörung des G.: 1. wegen
Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen
Eigenschaft; 2. wegen grober Pflichtwidrigkeit.
Gegen die Entscheidung des Vorstandes der
Kreisfynode steht sowohl dem Betroffenen, als
auch dem G. binnen vier Wochen die Be-
rufung an das Konsistorium zu, welches mit Zu-
diehung des Vorstandes der Provinzialsynode
endgültig entscheidet (§ 44). Wenn eine Ge-
meindevertretung beharrlich die Erfüllung
ihrer Pflichten vernachlässigt oder verweigert,
so kann das Konsistorium auf den Antrag des
Vorstandes der Kreissynode dieselbe auflösen
und den erwiesenen Schuldigen die Wählbar-
keit auf bestimmte Zeit entziehen (§ 45).
V. In bezug auf die Verwaltung des kirch-
lichen Vermögens in den östlichen Provinzen
Gemeindeklassenvermögen — Gemeindekrankenversicherung.
der ev. Landeskirche hat der Ev. Oberkirchenrat
eine sehr eingehende Verwaltungsordnun
vom 15. Dez. 1886/17. Juni 1893 (KöBl. 23
erlassen. Ahnliche Ordnungen sind für West-
falen und die Rheinprovinz unterm 12. Nov.
1887, bzw. 16. Jan. 1888 erlassen worden.
B. Für die neuen Provinzen ist eine
gleichartige Regelung erfolgt, und zwar für
Schleswig -Holstein (Kirchenvorstand
und Kirchenkollegium, letzteres nur in
Gemeinden mit mehr als 500 Seelen) durch
die KGSO. vom 4. Nov. 1876 (GS. 415) §8 1
bis 71; für den Konsistorialbezirt Wies-
baden (Kirchenvorstand und Gemeinde-
vertretung, letztere nur in Gemeinden
mit mehr als 300 Seelen) durch die KGS.
vom 4. Juli 1877 (GS. 181) §§ 3—45; Ausf-
Anw. und Instr. im Kirchl. AnBl. des Konsist.
Wiesbaden 1880, 12 und 1884, 100; für den
Konsistorialbezirt Kassel (Presbyterium
und großes Presbyterium — Ge-
meindeverordnete) durch die Presbyterial-
und Synodalordnung vom 16. Dez. 1885 (GS.
1886, 1) §§ 2—42; Abänderung 1901 (Eirchl.
A#Bl. des Konsist. Kassel 69). — Für die
reform. Kirche der Prov. Hannover
(Kirchenrat [Presbyterium] und Gemeinde-
vertretung) durch &GSO. vom 12. April
1882 (GS. 224) 3—49; für Frankfurt
a. M. durch die K#SO. vom 27. Sept. 1899
(G., 425) §S 4—50; für Hohenzollern durch
die Kirchengemeindeordnung vom 1. März 1897
(GS. 69) §§ 2—42. — Die luth. Kirche
Hannovers hatte bereits am 9. Okt. 1864 ihre
GemO. erhalten. Dieselbe Rkennt aber neben
dem Kirchenvorstand keine Gemeindever-
tretung, sondern nur eine Gemeindeversamm-
lung, durch die der Vorstand gewählt wird,
und welcher er Bechenschaft ablegt (s. Kirchen-
vorstandsordnung vom 9. Okt. 1864 8 5;
Kirchenvorstandsgesetz vom 14. Okt. 1848 § 21;
Lehmann, Kirchengesetze 1 S. 14, 86). S. auch
Evangelische Landestkirche III.
Wegen Besteuerung s. Kirchensteuer.
Gemeindeklassenvermögen ist das Ge-
meindegliedervermögen, dessen Autzung nicht
sämtlichen, sondern nur einzelnen Gemeinde-
gliedern oder Einwohnern als solchen zufsteht.
S. Gemeindegliedervermögen.
Gemeindekrankenversicherung tritt für
alle versicherungspflichtigen Personen (s. Ver-
sicherungspflicht 1) kraft Gesetzes ein, die
einem andern Träger der Krankenversicherung
nicht angehören.
I. Errichtung. Träger der G. ist die Ge-
meinde (Gutsbezirk, weiterer Kommunalver=
band), deren Beamte die Verwaltung zu führen
haben. Im Falle der Notwendigkeit der Ge-
währung der Krankenunterstützung an ver-
sicherungspflichtige Personen tritt die G. Rraft
Gesetzes von selbst ein, ohne daß es einer be-
sonderen Einrichtung bedarf (OV. vom 8. Mai
1894 — Pr Vl. 15, 453). Die Gemeinde muß
auch dann für die Versicherung eintreten, wenn
für alle versicherungspflichtigen Personen Kran-
kenkassen bestehen, den versicherungsberechtig-
tigten Personen aber der Beitritt nicht wenig-
stens zu einer Krankenkasse offensteht (Erl.
vom 17. Juni 1884 und vom 24. Okt. 1900;