Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeinderecht in den Landgemeinden. 
versammlung (Gemeindevertretung) schon vor 
Ablauf der gesetzlichen Wohnsitzfrist von einem 
Jahre (in Hessen = Nassau und Hohenzollern 
von zwei Jahren) erfolgen, sofern die sonsti- 
gen Voraussetzungen für seinen Erwerb vor- 
liegen, wenn ein Gemeindeglied seinen Wohn- 
sitz in eine andere Gemeinde oder der Be- 
sitzer eines selbständigen Gutes seinen Wohnsitz 
in eine Landgemeinde verlegt. — Der Ver- 
lust des G. und der unbesoldeten Gemeinde- 
ämter tritt ein, sobald eines der vorgeschrie- 
benen Erfordernisse für seinen Erwerb nicht 
mehr zutrifft oder der Wohnsitz in dem Ge- 
meindebezirt aufgegeben wird. In Hessen- 
Aassau und in den Hohenzollernschen Landen 
verbleiben sie jedoch demsenigen, bei welchem 
die oben unter a bis c erwähnten Erforder- 
nisse des Hausbesitzes oder der Steuerveran- 
lagung deshalb nicht mehr vorhanden sind, 
weil er seinen Grundbesitz, unter Vorbehalt 
von Einsitzberechtigungen, Altenteilen, Aus- 
zugsrechten, Leibgedingen oder sonstigen Lei- 
stungen an seine Abkömmlinge oder andere 
Personen verteilt oder übergeben hat. Auch 
ist dort bei Einführung der neuen GemO. das 
G. für seine damaligen Besitzer nicht deshalb 
verloren gegangen, weil bei ihnen die eben 
erwähnten Erfordernisse nicht zutrafen. Wer 
durch rechtskräftiges Erkenntnis der bürger- 
lichen Ehrenrechte verlustig gegangen ist, ver- 
liert dadurch dauernd die bisher von ihm be- 
kleideten Amter in der Verwaltung und Ver- 
tretung der Gemeinde und für die im Urteile 
bestimmte Zeit das Gemeindestimm= und Wahl- 
recht, sowie die Fähigkeit es zu erwerben und 
Gemeindeämter zu bekleiden. Im übrigen s. 
über den Verlust dieser Amter unter Gemeinde- 
(Kommunalhämter. —Die Ausübung des G. 
ruht, wenn gegen ein Gemeindeglied gericht- 
liche Haft verfügt oder wegen eines Verbrechens 
oder Vergehens, welches die Aberkennung der 
bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, 
das Hauptverfahren eröffnet ist, solange bis das 
Strafverfahren beendet ist; ferner wenn ein 
Gemeindemitglied in Konkurs verfällt bis zur 
Beendigung des Verfahrens (in Hessen-Nassau 
und in Hohenzollern auch solange ein Gemeinde- 
glied entmündigt ist); wenn ein Gemeindeglied 
rmenunterstützung aus öffentlichen Mitteln 
empfängt, während sechs Monate nach dem 
Empfang der Unterstützung, sofern es nicht 
früher die empfangene Unterstützung erstattet; 
endlich wenn ein Gemeindeglied die schuldigen 
Gemeindeabgaben nach Alahnung durch den 
Steuerzahler nicht (in Hessen-Nassau und in 
Hohenzollern nicht innerhalb acht Tagen) ge- 
zahlt hat, bis zur Entrichtung dieser Abgaben 
(in den bezeichneten Landesteilen von Ab- 
lauf der acht Tage ab). Während das volle 
nur mänunlichen Personen zusteht, können 
weibliche Personen (ebenso wie Forensen, 
juristische Personen und gewisse Gesellschaften) 
unter gewissen Voraussetzungen in der Ge- 
meinde das Stimmrecht (s. Gemeindestimm- 
recht und Gemeindewahlrecht [Landg.]) 
besitzen. Der Gemeindevorsteher hat eine 
Sisse der Gemeindeglieder (und sonstigen 
timmberechtigten) zu führen und alljährlich 
im Januar zu berichtigen (G5O. f. d. ö. Pr. und 
  
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ger Schleswig-Holstein § 39; für Hessen-Aassau 
9; für Hohenzollern § 9). 
II. In Westfalen und in der Rheinpro- 
vinz, wo die nach den dortigen Lö. ver- 
walteten Ortschaften sich weder als reine Ein- 
wohnergemeinden noch als Grundbesitzerge- 
meinden, sondern als eine Verbindung beider 
Arten darstellen, ist zu unterscheiden zwischen 
Einwohnern, Gemeindemitgliedern und Ge- 
meindeberechtigten. 
Aasch der westfälischen Lö. steht den 
„Einwohnern" der Gemeinde (Personen, die in 
der Gemeinde ihren Wohnsitz haben) das Recht 
zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde- 
anstalten (s. d.) zu (6 2), während „Mitglieder“ 
der Gemeinden nur die „selbständigen“, d. h. 
mindestens 24 Jahre alten, einen eigenen Haus- 
stand besitzenden und in der Verfügung über 
ihr Vermögen durch richterliche Anordnung 
nicht beschränkten Einwohner und in den Land- 
gemeinden (nicht in den nach der GemO. ver- 
walteten Städten) auch noch die im Gemeinde- 
bezirk mit einem Wohnhause angesessenen, aus- 
wärts wohnenden Personen sind (8§ 14, 17, 66). 
Ihnen steht nach Maßgabe der Verfassung 
jeder Gemeinde die Teilnahme an den Ge- 
meindenutzungen zu (s. Gemeindeglieder- 
vermögen). Das G., d. h. das Recht zur 
„Teilnahme an den öffentlichen Geschäften der 
Gemeinde“, steht nur denjenigen Gemeinde- 
mitgliedern zu (§ 15), welche preuß. Untertanen 
und selbständig sind und seit einem Jahre Reine 
Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln 
empfangen, die sie betreffenden Gemeindeab- 
gaben gezahlt haben und entweder: a) im Ge- 
meindebezirk mit einem Wohnhaus angesessen 
sind und von ihrem dortigen Grundbesitz zu 
mindestens 6 M. Grund= und Gebäudesteuer 
(oder zu dem unter besonderen Ortsverhält- 
nissen mit Genehmigung des KrA. festgesetzten 
niedrigeren Satz) veranlagt sind, oder b) ihren 
Wohnsitz im Gemeindebezirke haben und außer- 
dem zur Staatseinkommensteuer oder zu einem 
fingierten Normalsatze von 4 M. veranlagt oder, 
wenn eine fingierte Veranlagung nicht statt- 
gefunden hat, ein Jahreseinkommen von mehr 
als 660 Ml beziehen (ogl. Eink Stch. § 77). 
Steuerzahlungen und Grundbesitz der Ehefrau 
werden hierbei dem Ehemanne, die der unter 
elterlicher Gewalt befindlichen Rinder dem Vater 
angerechnet. Nicht selbständigen und weiblichen 
Personen steht das G. nur dann zu, wenn es 
auf den Besitz eines Wohnhauses im Gemeinde- 
bezirke beruht (88 17, 20). Uber ihre Stell- 
vertretung in Ausübung des Rechts und das 
Stimm= und Wahlrecht der Forensen und ju- 
ristischen Personen s. Gemeindestimmrecht 
und Gemeindewahlrecht (Landg.). In 
städtischen Gemeinden, die nach der L#l. 
verwaltet werden (s. Städteordnungen I 
und Landgemeindeordnungen), werden die 
auswärts wohnenden Hausbesitzer nicht zu den 
Gemeindemitgliedern, sondern zu den Forensen 
gerechnet (§ 66). Hinsichtlich des Erwerbes 
des G. vor Ablauf der einjährigen Frist bei 
Verlegung des Wohnsitzes, des Verlustes und 
des Ruhens des G. gelten dieselben Bestim- 
mungen wie in den östlichen Provinzen (oben 
unter ). 
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