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Jahren wählen (og. Kollektivstimmen).
Die Wahl erfolgt auf Einladung und unter
Leitung des Gemeindevorstehers. Ferner haben
diesenigen Besitzer, welche von ihrem im Ge-
meindebezirke belegenen Grundeigentum zu
einem Jahresbetrage von 20 bis ausschließlich
50 MAl. an Grund= und Gebäudesteuer vom
Staate veranlagt sind, je zwei, diejenigen Be-
sitzer, welche hiervon zu einem solchen von 50
bis ausschließlich 100 M. veranlagt sind, je
drei, und die noch höher veranlagten je vier
Stimmen in der Gemeindeversammlung. Auf
Antrag des Kreisausschusses können durch Be-
schluß des Provinziallandtages die erwähnten
Sätze erhöht oder, höchstens jedoch um die
Hälfte, ermäßigt werden. Auch kann Grund-
besitzern, welche zu den erwähnten Steuersätzen
veranlagt sind, eine größere Zahl von Stim-
men, jedoch nicht über 3, 4 und 5 Stimmen,
beigelegt werden. Den Gewerbetreibenden der
dritten Gewerbesteuerklasse sind zwei Stim-
men, denen der zweiten Klasse drei Stimmen
und denen der ersten Klasse vier Stimmen bei-
zulegen. Für den Fall der Erhöhung der Zahl
der Stimmen der Grundbesitzer sind diese
Stimmen der Gewerbetreibenden ebenfalls ent-
sprechend zu erhöhen. Keinesfalls darf aber
ein Stimmberechtigter in der Gemeindever-
sammlung mehr als ein Drittel der Eesamt-
zahl der Stimmen führen. — Bei Wahlen, die
von der Gemeindeversammlung vorgenommen
werden, ist das Stimmrecht dasselbe, wie bei
Deschlußfassung der Gemeindeversammlung
(LG. f. d. ö. Pr. und für Schleswig-Holstein
§ 80 Abs. 3, für Hessen-Aassau § 51). Zum
Zweche der Wahten der Gemeinde-
verordneten (s. Gemeindevertretun
Landg.], Gemeindewahlen (Landg.#
werden die Stimmberechtigten nach Maßgabe
der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern
in drei Abstufungen geteilt (s. Dreiklassen-
wahlsystem), von denen jede ein Drittel
der Gemeindeverordneten wählt (5 50 bzw.
§ 21 a. a. O.).
III. In der Provinz Westfalen begründet
das Gemeinderecht (s. d. Landg. 1) ebenfalls
ein Stimmrecht und Wahlrecht in der Ge-
meindeversammlung und ein Wahlrecht bei
den Wahlen der Gemeindeverordneten (Weftf.
LGO. vom 19. März 1856 8§§ 25, 27, 38).
Außer den das Gemeinderecht besitzenden Ge-
meindemitgliedern ist aber noch zum Stimm-
und Wahlrecht jeder berechtigt, der in der Ge-
meinde seit einem Jahre mehr als einer der
drei höchstbesteuerten Einwohner, sowohl an
direkten Staats= als an Gemeindeabgaben
entrichtet (ugl. OV#. 31, 137), auch wenn er
nicht im Gemeindebezirk wohnt, falls bei ihm
die übrigen Erfordernisse des Gemeinderechts
vorhanden sind. Dasselbe gilt von juristischen
Personen, wenn sie in solchem Maße in der
Gemeinde besteuert sind (& 1600. Dem Staats-
fiskus steht hiernach ein Stimmrecht nicht zu,
weil er keine Staatssteuern zahlt. — Eine Er-
höhung und eine Verminderung des Stimm-
rechts kann durch das Gemeindestatut insofern
bewirkt werden, als den Besitzern von Gütern,
die mindestens zu 225 M. Grundsteuer veran-
lagt sind, im Verhältnisse des Umfanges ihres
Gemeindestimmrecht und Gemeindewahlrecht (in Landgemeinden).
Besitztums zu dem der übrigen stimmberech-
tigten Gemeindemitglieder eine größere An-
zahl von Stimmen, den nicht mit einem Wohn-
haus angesessenen stimmberechtigten Gemeinde-
mitgliedern aber höchstens ein Drittel der
Stimmen in der Gemeindeversammlung bei-
gelegt werden darf (§ 25). Die Vorrechte der
ittergutsbesitzer im Stimmrecht sind durch
§ 23 Westf rO. beseitigt. Über die Zu-
lässigkeit der Stellvertretung bei Aus-
übung des Stimmrechts ist folgendes bestimmt
20): Befindet sich ein Wohnhaus im Besitz
einer Frauensperson oder einer unter elter-
licher Gewalt oder Vormundschaft stehenden
Person, die ihren übrigen Verhältnissen nach
zur Teilnahme am Gemeinderechte befähigt
sein würde, so ist die Ausübung dieses Rechts
durch Stellvertreter dahin gestattet, daß eine
Ehefrau durch ihren Ehemann, eine unver-
heiratete oder verwitwete Frauensperson durch
einen stimmberechtigten Eingesessenen, eine
unter elterlicher Gewalt stehende Person durch
den Vater und eine unter Vormundschaft
stehende Person durch den Vormund vertreten
werden kann. Der Ehemann, Vater und Vor-
mund muß, um zu dieser Stellvertretung be-
fugt zu sein, preuß. Untertan und selbständig
sein und seinen Wohnsitz in der Gemeinde
haben. Abgesehen hiervon können die außer-
halb der Gemeinde wohnenden Gemeinde-
mitglieder, sofern sie zu mindestens 15 M.
Grundsteuer von ihrer Besitzung veranlagt
sind, und ferner die zum Stimmrecht befähig-
ten, obenerwähnten juristischen oder außer-
halb des Gemeindebezirks wohnenden höchst-
besteuerten Personen sich durch ein stimmbe-
rechtigtes Gemeindemitglied vertreten lassen.
— In den nach der LE. verwalteten Städten
kann das Gemeindestimmrecht durch Stellver-
treter nur von den juristischen Personen und
den auswärts wohnenden Hocchstbesteuerten
ausgeübt werden (8 606).
IV. Inder Rheinprovinzbeschränktsich nach
der dortigen Gem O. vom 23. Juli 1845 und dem
G. vom 15. Mai 1856 das Stimm= und Wahlrecht
der Meistbeerbten und derjenigen Forensen, denen
das Gemeinderecht besonders verliehen worden
ist C( HemeinderechtsLandg.]IlI), auf die Teil-
nahme an den Beschlüssen des Gemeinderats
und an der Wahl von Gemeindeverordneten
(GemO. 8§ 35, 36, 45, 49). An letzteren Wahlen
nehmen die meistbegüterten Grundbesitzer, die
vermöge der Größe ihres Grundbesitzes (ohne
gewählt zu werden) Mitglieder des Gemeinde-
rats (sog. geborene Gemeinderatsmitglieder)
sind (Gem O. § 46) nur dann teil, wenn sie seit
einem Jahre ihren Wohnsitz im Gemeinde-
bezirte haben, und entweder zur Staatsein-
kommensteuer oder zu einem fingierten Vor-
malsteuersatze von 4 M. veranlagt sind oder
ein Einkommen von mehr als 660—900 M.
haben. Dagegen sind diejenigen von ihnen,
die nicht im Gemeindebezirk wohnen, nicht
wahlberechtigt (O„Ve. 27, 93; 31, 132). — Eine
Stellvertretung in Ausübung des Wahl-
rechts findet nicht statt. Juristische Per-
sonen, einschließlich des Staatsfiskus, und
Personengesamtheiten besitzen kein Stimm-
oder Wahlrecht, da ein solches nur physischen