Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindestimmrecht und Gemeindewahlrecht (in Landgemeinden). 
männlichen Personen zusteht (§ 35). Forensen 
sind nur dann stimm= und wahlberechtigt, 
wenn ihnen das Gemeinderecht besonders ver- 
liehen worden ist (§ 36). Die Wahlen der 
Gemeindeverordneten erfolgen nach dem Drei- 
kllassenwahlsystem, wobei auch die von den 
wahlberechtigten Meistbegüterten zu zahlenden 
Personal= und Realsteuern in Ansatz zu bringen 
sind (OVG. 27, 93; 31, 132). Die Forensen, 
welchen das Gemeinderecht verliehen worden 
ist, gehören zur ersten Abteilung. Die von 
ihnen bezahlte Steuer kommt aber bei der 
Bildung der Wählerabteilungen nicht in An- 
rechnung (8 50). 
V. In der Provinz Hannover ist nach der 
Loö0O. vom 28. April 1859 das Stimmrecht in der 
Gemeindeversammlung und bei den Wahlen zur 
Gemeindevertretung (Gemeindeausschuß) von 
den Vorschriften der in jeder Gemeinde bestehen- 
den Stimmordnung abhängig S. Gemeinde- 
recht (Landg.) III. Das Stimmrecht der -ichtan- 
sässigen Kann nur von diesen persönlich ausgeübt 
werden. Dagegen ist bei Ausübung des auf dem 
Grundbesitze beruhenden Stimmrechts eine 
Stellvertretung durch Bevollmächtigte in 
folgender Weise zulässig (LG#O. 88 12—16). Unter 
elterlicher Gewalt, BVormundschaft oder Pfleg- 
schaft stehende Personen sind durch den Vater, 
Vormund oder Pfleger zu vertreten. Bei den 
unter Interimswirtschaft stehenden Höfen haben 
die Interimswirte das Stimmrecht auszuüben. 
Als Bevollmächtigte können auftreten Per- 
sonen, die für sich Stimmrecht in der Ge— 
meinde haben, und die Pächter oder Verwalter 
der betreffenden Güter, sofern sie nicht zu 
schwerer Strafe verurteilt, unbescholten und 
selbständig sind. Verwalter sind jedoch auch 
dann als Bevollmächtigte zulässig, wenn sie 
in Kost und Lohn stehen. Gutsbesitzer, Stell- 
besitzer und stellbesitzende Witwen können sich 
außerdem durch volljährige Söhne vertreten 
lassen, auch wenn diese in Kost und Lohn oder 
unter elterlicher Gewalt stehen. Durch einen 
vom KrA. genehmigten Gemeindebeschluß kann 
ferner bestimmt werden, daß und inwieweit sonst 
noch unbescholtene Verwandte als Bevollmäch- 
tigte zugelassen werden sollen. Jeder Bevoll- 
mächtigte kann nur einen Abwesenden vertre- 
ten. Jedoch können Ausnahmen durch Gemeinde- 
beschluß mit Genehmigung des Kr. gestattet 
werden. Das Maß des Stimmrechts jedes 
einzelnen Stimmberechtigten soll regelmäßig 
durch eine Klasseneinteilung der stimmberech- 
tigten Gemeindemitglieder festgestellt werden 
(LGO. § 17). Die Grundlage für diese Eintei- 
lung bilden die verschiedenen Klassen der in der 
Gemeinde vorhandenen Höfe und Güter. Die 
Nih chtansässigen bilden, soweit sie nicht nach 
Maßgabe ihrer Beiträge zu den Gemeinde- 
lasten einer dieser Klassen einzureihen sind, die 
unterste Klasse. Das Stimmengewicht der Mit- 
glieder der einzelnen Klassen ist unter Berück- 
sichtigung der Beitragsleistung zu den Ge- 
meindelasten und des Interesses an den Ge- 
meindeangelegenheiten zu bemessen. Jedoch 
gelten hierbei folgende Einschränkungen: Das 
Stimmrecht eines einzelnen Gemeindegliedes 
darf in der Regel nicht mehr als ein Drittel 
desjenigen der sämtlichen Gemeindemitglic 
  
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der betragen. Wenn aber ein einzelnes Ge- 
meindeglied die Hälfte oder mehr aller Ge- 
meindelasten trägt, so ist ihm auf seinen An- 
trag ein Stimmrecht bis zur Hälfte zu verleihen. 
Auch ist ein einzelnes Gemeindemitglied, welches 
mehr als die Hälfte aller Gemeindelasten trägt, 
berechtigt, gegen die Ubernahme der alleinigen 
Bestreitung aller Gemeindelasten die Einräu- 
mung des ausschließlichen Stimmrechts in 
der Gemeinde zu verlangen, insofern und solange 
die Mehrheit der übrigen Gemeindemitglieder 
damit einverstanden ist. Das Stimmengewicht 
dersenigen Grundbesitzer, deren in der Ge- 
meinde belegener Grundbesitz so groß ist, daß 
er zur Bewirtschaftung zwei Pferde oder mehr 
erfordert, soll regelmäßig überwiegen. Die 
Stimmenzahl der ANichtansässigen darf ein 
Drittel derjenigen der Grundbesitzer nicht über- 
steigen. Bei Samtgemeinden (s. d.) muß fest- 
gestellt werden, ob in den Angelegenheiten, 
für welche die Verbindung besteht, durch die 
Samtgemeinde abgestimmt werden, oder ob 
den einzelnen Bestandteilen der Samtgemein- 
den (Ortsgemeinden, Gütern usw.) eine Stimme 
zustehen soll. Im letzteren Falle ist das 
Stimmengewicht dieser Bestandteile nach Maß- 
gabe ihres Beitragsverhältnisses zu den ge- 
meinsamen Lasten oder zu den gesamten 
direkten Staatssteuern zu regeln (5 20). — 
Wird in der Gemeinde ein Gemeindeaus- 
schuß gebildet, so sind seine Mitglieder von 
den stimmberechtigten Gemeindegliedern zu 
wählen. Das Dreiklassenwahlsystem findet 
hierbei aber keine Anwendung. Bielmehr 
sollen in der Regel Wahlabteilungen ge- 
bildet werden, für welche die in der Ge- 
meinde bestehenden Stimmenrechtsklassen als 
Anhalt zu dienen haben, und zwar in der 
Weise, daß das Stimmenverhältnis im Aus- 
schusse dem in der Gemeinde bestehenden tun- 
lichst entspricht. Wird hierbei den Eigentümern 
der Dominal-, Kloster= und sonstigen Güter 
und Höfe, die von ihrem im Gemeindebezirke 
belegenen Grundbesitz zu mindestens 150 M. 
Grundsteuer veranlagt sind, nicht schon eine 
angemessene selbständige Stimmberechtigung 
zuteil, so kann ihnen nach Anhörung der 
Gemeindeversammlung ein ihrem Stimm= und 
Beitragsverhältnis entsprechendes Stimmrecht 
in dem Ausschuß (s. Gemeindevertretung 
[Landg.]) beigelegt werden (88 53, 54). 
VI. In den Hohenzollernschen Landen 
ist das Stimm= und Wahlrecht durch die GemO. 
vom 2. Juli 1900 für Stadt= und Landgemeinden 
gleichmäßig geregelt, und zwar wesentlich in 
derselben Weise, wie in den Landgemeinden der 
östlichen Provinzen. Hinsichtlich der Zulässigkeit 
der Vertretung bei Ausübung des auf dem 
Grundbesitz beruhenden Stimmrechts gilt die 
Besonderheit, daß der Fürst von Hohenzollern, 
der Fürst zu Fürstenberg sowie der Fürst von 
Thurn und Taxis sich je durch ein Mitglied 
ihrer Familie oder durch einen ihrer in den 
Hohenzollernschen Landen angestellten Beamten 
oder einen ihrer in der Gemeinde wohnhaften 
Pächter vertreten lassen können (Gem O. § 17). 
Eine Verminderung des Stimmrechts der 
A¾ichtangesessenen tritt unter den gleichen Vor- 
aussetzungen und in gleicher Weise ein, wie
	        
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