Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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in den östlichen Provinzen, eine Abstufung 
des Stimmrechts der Grundbesitzer ist jedoch 
nichr vorgesehen (§ 19). Die Wahlen der Ge- 
meindeverordneten erfolgen nicht nach dem 
Dreiklassenwahlsystem des G. vom 30. Juni 
1900, das in den Hohenzollernschen Landen 
nicht gilt, sondern nach einer besonderen durch 
§ 21 GemO. geregelten Klasseneinteilung der 
Stimmberechtigten in Höchstbesteuerte, Mittel- 
besteuerte und Mindestbesteuerte. 
Gemeindeurkunden f. Urkunden der 
Gemeinden und weiteren Kommunal- 
verbände. 
Gemeindeverfassungsgesetz für Frankfurt 
a. M. s. Städteordnungen I. 
Gemeindevermögen. Zum G. gehören die 
Grundstücke und sonstigen unbeweglichen Sachen 
(Gerechtigkeiten) sowie die beweglichen Sachen 
und Forderungen, die sich im Eigentum der 
Gemeinde befinden. Ihm stehen die Gemeinde- 
schulden gegenüber. Das G. ist entweder solches 
im engeren Sinne, das in den Städten Käm- 
mereivermögen genannt wird, oder Ge- 
meindegliedervermögen, das in den 
Städten als Bürgervermögen bezeichnet 
wird. Während an letzterem die Gemeinde 
nur das Eigentum besitzt, die Gemeindeglieder 
(Bürger) aber das Autzungsrecht haben, dient 
das erstere entweder nur der ertraglosen Be- 
nutzung, wie die Verwaltungseinrichtungen der 
Gemeinde, die öffentlichen Straßen und Plätze, 
Armenhäuser usw.(Verwaltungsvermögeny), 
oder es ist den Zwecken des Gemeindehaus- 
halts gewidmet und dient dann zur Gewin- 
nung von Erträgen, die zur Bestreitung der 
Kosten der Gemeindeverwaltung zu verwenden 
sind (Finanzvermögen). Manche Gegen- 
stände des G. dienen beiden Zwechken, insofern 
sie zum öffentlichen Gebrauch gegen Zahlung 
eines Entgelts bestimmt sind (z. B. Marktplätze, 
Markthallen, Schlachthäuser, Krankenhäuser). 
Sindsie vorzugsweise zum Zwecke des Gewinnes 
getroffene Einrichtungen (Gasanstalten u. dgl.), 
so stellen sie sich als gewerbliche Unterneh- 
mungen der Gemeinde dar, die nach R#. 
§ 3 grundsätzlich so zu verwalten sind, daß 
durch die Einnahmen mindestens die Ausgaben 
der Gemeinde, einschließlich der Verzinsung 
und der Tilgung des Anlagekapitals, aufge- 
bracht werden. Sind sie dagegen Veranstal- 
tungen, die von der Gemeinde im öffentlichen 
Interesse unterhalten werden (z. B. Kanalisa- 
tionsanlagen, Wasserleitungen), so Können (oder 
müssen unter gewissen Umständen) für ihre Be- 
nutzung von der Gemeinde nach 8# G. 8 4 
Gebühren (s. d.) erhoben werden. Es gibt auch 
zum G. gehörige Einrichtungen, die an sich 
nicht zu Erwerbszwecken, sondern im öffent- 
lichen Interesse getroffen worden sind, gleich- 
wohl aber für die Gemeinde Gewinn ab- 
werfen können (3. B. Sparkassen, Leihhäuser). 
Aicht zum G. gehört das sog. Interessenten- 
vermögen, wenn seine Verwaltung auch 
dem Gemeindevorsteher übertragen sein kann. 
Endlich ist auch von dem G. zu unterscheiden 
das besonderen Zwecken dienende von der Ge- 
meinde verwaltete Stiftungsvermögen, dessen 
Verwaltung und Verwendung nach Maßgabe 
der Bestimmungen jeder Stiftung zu erfol- 
  
Gemeindeurkunden — Gemeindevermögen. 
gen hat. Besondere Vorschriften bestehen für 
die Verwaltung der Gemeindewaldungen 
(s. Staatsaufsicht über die Forsten 
der Gemeinden ufw.) und über die 
Annahme von Schenkungen. Die Verwal- 
tung des G. liegt regelmäßig dem Gemeinde- 
vorstande ob, erfolgt aber unter Mitwirkung 
der Gemeindevertretung und unter Aufsicht 
des Staates. Uberall ist die Veräußerung 
oder wesentliche Beränderung von Sachen, die 
einen besonderen wissenschaftlichen, historischen 
oder Kunstwert haben, insbesondere von Ar- 
chiven (s. Archive, Denkmalpflege, Stadt- 
mauern), von der Genehmigung des Regie- 
rungspräsidenten (in Berlin des Oberpräsi 
denten) abhängig (ZG. §§ 16, 30). Im übrigen 
ist die Staatsaufsicht in den einzelnen StO. 
und Gemp. verschieden geregelt. Uber die 
Führung eines Lagerbuchs, in welches das G. 
einzutragen ist, s. Lagerbuch. 
1. Stadtgemeinden. Im Geltungsgebiete 
der St O. für die östlichen Provinzen vom 
30. Mai 1853 beschließen die Stadtverordneten 
über die Benutzung des eigentlichen G., über 
das nicht der Gemeindekorporation in ihrer 
Gesamtheit gehörige Vermögen (das Bürger- 
vermögen) aber nur dann, wenn sie hierzu 
durch den Willen der Beteiligten oder durch 
besondere Rechtstitel berufen sind. Die Ge- 
nehmigung des BezA. (in Berlin des Ober- 
präsidenten, LVG. 8§ 42, 43) ist erforderlich 
zur Veräußerung von Grundstücken und ihnen 
gesetzlich gleichstehenden Gerechtigkeiten und 
zu Anleihen, durch welche die Gemeinde mit 
einem Schuldenbestande belastet oder der be- 
reits vorhandene vergrößert wird. Die frei- 
willige Veräußerung von Grundstücken usw. 
darf nur im Wege des öffentlichen Meistgebots 
auf Grund einer Taxe stattfinden. Zur Gültig- 
keit des Verkaufs gehört die einmalige Be- 
kanntmachung durch das Amteblatt des Be- 
gierungsbezirks und die für Bekanntmachungen 
des Magistrats bestimmten öffentlichen Blätter, 
eine Frist von sechs Wochen von der Bekannt- 
machung bis zum Bietungstermine und die 
Abhaltung dieses Termins durch eine Justiz- 
oder Magistratsperson. Der Zuschlag kann 
nur mit Genehmigung der Stadtverordneten- 
versammlung erteilt werden, der stets das Er- 
gebnis des Verkaufs mitzuteilen ist. In be- 
sonderen Fällen kann der BezA. (in Berlin 
der Oberpräsident) den Verkauf aus freier 
Hand sowie einen Tausch gestatten, wenn der 
Vorteil der Gemeinde dadurch gefördert wird. 
Für den Grundbuchrichter genügt die Bestäti- 
gung des Vertrages durch den Bez A. (in Berlin 
den Oberpräsidenten) zum Bachweis, daß diese 
Vorschriften erfüllt worden sind (StO. 8 51). 
Als Justizbeamter ist für die Abhaltung des 
Termins der Amtsrichter oder ein Notar des 
Bezirks zuständig, in welchem das Grundstückh 
liegt. — Für die Prov. Westfalen enthält die 
dortige StO. vom 19. März 1856 (§§ 48—50) 
und für die Rheinprovinz die StO. vom 
15. Mai 1856 (88 45, 46) gleiche Vorschriften, 
wie die für die östlichen Provinzen. Sie ordnen. 
aber außerdem noch an, daß Verpachtungen 
von Grundstücken und Gerechtsamen der Stadt- 
gemeinden öffentlich an den Mieistbietenden er-
	        
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