640
Amtshandlungen dienen sollen, von dem Vor-
sitzenden und zwei Mitgliedern des Gemeinde-
rats unterschrieben werden, die hierzu jährlich
vom Gemeinderat aus seiner Mitte gewählt
werden (LGO. f. d. ö. Pr. und für Schleswig-
Holstein § 111, für Westfalen § 36, für die
Aheinprovinz § 65 und G. vom 15. MNäärz
1856 Art. 17, für Hessen = Aassau LEO. 8 75,
für Hohenzollern § 81, für Hannover MBek.
vom 28. April 1859 § 26). In Westfalen
(LGO. 8 32) müssen die Beschlüsse der G.
dem Amtmann, wenn er nicht selbst den Vor-
sitz geführt hat, vor der Ausführung vorgelegt
werden. Diese darf erst erfolgen, wenn der
Amtmann nicht innerhalb acht Tagen den
Beschluß beanstandet hat s. Beanstandungen)
und eine höhere Bestätigung nicht ausdrückh-
lich vorgeschrieben ist. In der Rheinprovinz
(GemO. 8 97) müssen alle Beschlüsse des Ge-
meinderats dem Bürgermeister, wenn er nicht
selbst den Vorsitz geführt hat, sogleich vor-
gelegt werden. Dort ist es auch dem Ge-
meinderat gestattet, zur Vorbereitung der zur
Verhandlung kommenden Gegenstände Kom-
missionen aus seiner Mitte zu ernennen, in
denen der Bürgermeister ebenfalls den Vorsitz
übernehmen darf (GemO. 8 68). Endlich ist
es dort den das Gemeinderecht besitzenden
Gemeindemitgliedern (Meistbeerbten) verboten,
irgend eine Vergütung außer dem Ersatz ihrer
baren Auslagen für die Ausübung ihres Ge-
meinderechts anzunehmen (GemO. 8 69).
X. Strafen und Nachteile dürfen wegen
pflichtwidrigen Verhaltens gegen die Mitglie-
der der G. unter folgenden Voraussetzungen
verhängt werden. In den sieben östlichen
Provinzen und in Schleswig-Holstein
(LöO. § 112), in Hessen-Massau (LSdO.
§ 76) und in Hohenzollern (GemO. 8 82)
kann durch Ortsstatut bestimmt werden, daß
ordnungswidriges Benehmen in der G. für
das betreffende Mitglied eine in die Gemeinde-
kasse fließende Geldstrafe von 1—3 Ml. nach
sich ziehe, und daß im Wiederholungsfalle,
nach Lage der Sache, Ausschließung aus der
Versammlung auf eine gewisse Zeit, bis auf
die Dauer eines Jahres, verhängt werde.
Uber die Verhängung dieser Strafen beschließt
die G. Gegen ihren Beschluß findet die Klage
im Verwaltungsstreitverfahren statt, die auch
dem Gemeindevorsteher (Bürgermeister) zusteht.
In Westfalen fehlt es an derartigen Vor-
schriften. — In der Rheinprovinz (G. vom
15. Mai 1856 Art. 18) müssen der Versamm-
lung des Gemeinderats alle Mitglieder regel-
mäßig beiwohnen. Ein Mitglied, das die
Versammlung dreimal hintereinander ohne
genügende Entschuldigung versäumt oder wie-
derholt durch ungebührliches Benehmen Ruhe
und Ordnung gestört und den Ordnungsruf
des Vorsitzenden nicht beachtet hat, kann durch
Beschluß des Gemeinderats aus dieser aus-
geschlossen werden. Gegen den Beschluß findet
ebenfalls die Klage im Verwaltungsstreitver-
fahren (nach 3. 88 27, 28) statt, die auch dem
Bürgermeister zusteht. Diese Ausschließung
kann auch gegenüber den sog. geborenen Mit-
gliedern des Gemeinderats (s. SHemeindever-
tretung [Landg.]le) ausgesprochen werden
Gemeindevertretung in Landgemeinden.
(OVG. 33, 220). Die Versäumnis muß, um die
Ausschließung zu begründen, sachlich nicht ge-
nügend entschuldigt sein (OV. vom 5. Juli 1892
— Pr Vl. 14, 97). — In Hannover (Gemp.
45) Rann der Gemeindevorsteher die Gemeinde-
mitglieder zu den G. bei Geldbuße bis zu
3 M. laden und bei gleicher Strafe das un-
zeitige Weggehen aus der Versammlung oder
sonstige Ungebühr darin verbieten, auch für
den Fall, daß die Ungebühr für die Verhand-
lungen störend werden sollte, ihren Urheber
aus der G. verweisen. Uber die Verhängung
der Strafe hat der Gemeindevorsteher, wenn
aber ein Gemeindeausschuß besteht (s. o. 1)),
dieser zu beschließen. Gegen den Beschluß
findet die Klage im Verwaltungsstreitverfah-
ren statt (3G. 88 27, 28).
Gemeindevertretung in Landgemeinden.
I. Die Einführung einer G., die an die Stelle
der Gemeindeversammlung zu treten hat, war
für Landgemeinden dem älteren Kommunal=
rechte, insbesondere auch dem ALR., fremd. Erst
in neuerer Zeit ist nach dem Vorgang der rhein.
Gemeindeverordnung eine der Stadtverord-
netenversammlung in den Städten (s. Stadt-
verordnetenversammlung) gleichende G.
auch für Landgemeinden teils zugelassen, teils
vorgeschrieben worden. Ihre Notwendigkeitoder
Zulässigkeit ist in den meisten LG. von der
Zahl der Gemeindeglieder abhängig gemacht.
Die G. wird in Westfalen auch Gemeindever-
sammlung, in der Rheinprovinz (ebenso wie die
Gemeindeversammlung) Gemeinderat oder
Schöffenrat, in Hessen-Nassau Gemeinde-
ausschuß oder Bürgerausschuß, in Hohen-
zollern Bürgerausschuß, in Hannover Ge-
meindeausschuß oder Gemeinderat ge-
nannt, ihre Mitglieder werden in der Regel
als Gemeindeverordnete, in Hannover
auch als Ausschußmitglieder bezeichnet. —
Die Voraussetzungen für die Einführung einer
G. und ihre Zusammensetzung weichen in den
einzelnen Gemeindeverfassungsgesetzen vonein-
ander ab.
a) In den sieben östlichen Provinzen
und in Schleswig-Holstein (LGO. 8 49)
sowie in Hessen-Aassau (LGO. 8F 20) tritt
eine G. in denjenigen Landgemeinden, in
welchen die Zahl der Stimmberechtigten mehr
als 40 beträgt, mit dem Zeitpunkt, wo die
Liste der Stimmberechtigten diese Zahl nach-
weist, an die Stelle der Gemeindeversammlung.
Die Landgemeinden sind jedoch berechtigt und,
falls der Kr A. auf Antrag Beteiligter oder im
öffentlichen Interesse es beschließt, sogar ver-
pflichtet, auch bei einer geringeren Anzahl
von Stimmberechtigten eine G. im Wege orts-
statutarischer Anordnung einzuführen. Die G.
besteht aus dem Gemeindevorsteher und den
Schöffen (s. d.) — in Schleswig-Holstein
aber aus dem Gemeindevorsteher und dessen
Stellvertreter, bei mehreren Stellvertretern aus
dem ersten Stellvertreter —, sowie aus den ge-
wählten Gemeindeverordneten (s. Gemeinde-
wahlen [Landg.p, deren Zahl mindestens das
Dreifache der Zuerstgenannten — in Schles-
wig-Holstein mindestens 6 — betragen muß.
Diese Zahl hann durch Ortsstatut auf 12, 15,
18 oder höchstens 24 erhöht werden. In Hessen-