Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gemeindevertretung in Landgemeinden. 
Nassau umfaßt die G. in denjenigen Land- 
gemeinden, in welchen ein kollegialischer Ge- 
meindevorstand eingeführt ist, außer dem 
Gemeindevorsteher (Bürgermeister) oder seinem 
Stellvertreter als Vorsitzenden gewählte Ge- 
meindeverordnete in verschiedener Zahl, näm- 
lich in der Regel 12 in Gemeinden mit nicht 
mehr als 2500 Einw. und 18 in größeren 
Gemeinden. Diese Zahl kann aber durch 
Ortsstatut von 12 auf 15 oder 18 und von 
18 auf 21 oder 24 erhöht werden. Die hohen- 
zollernsche Gemp. (§ 20) weicht hiervon nur 
insofern ab, als die Einführung der G. in 
Landgemeinden erfolgen muß und nur erfolgen 
darf, wenn die Zahl der Stimmberechtigten 
mehr als 30 beträgt, ferner insofern, als die 
Nahl der Gemeindeverordneten in denjenigen 
andgemeinden, in welchen ein kollegialischer 
Gemeindevorstand (Gemeinderat) eingeführt ist, 
in Gemeinden mit nicht mehr als 1000 Einw. 9, 
in größeren 12 beträgt und durch Ortsstatut 
von 9 auf 12 und von 12 auf 15 erhöht wer- 
den Rkann. Endlich ist hier der Fürst von 
Hohenzollern Mitglied der G. in denjenigen 
Gemeinden, in welchen sein Grundbesitz mehr 
als ein Viertel der Gemeindegrundfläche um- 
faßt. Er kann sich aber durch ein Mitglied 
seiner Familie oder durch einen in den 
Hohenzoll. Landen angestellten Beamten oder 
einen seiner in der Gemeinde wohnhaften 
Pächter vertreten lassen. Soweit ihm die 
Witgliedschaft in der G. zusteht, ruht sein 
Recht zur Teilnahme an den Wahlen der Ge- 
meindeverordneten. 
b) In Westfalen (LGO. 8§§ 24, 26) besteht 
die Gemeindeversammlung, wenn die Zahl der 
stimmberechtigten Gemeindeglieder 18 über- 
steigt, aus Gemeindeverordneten. Es kann 
die Bildung einer gewählten G. aber auch in 
diesem Falle durch das Gemeindestatut aus- 
geschlossen werden. Die Zahl der Gemeinde- 
verordneten darf 6 bis 18 betragen und wird 
in den einzelnen Gemeinden durch das Ge- 
meindestatut festgesetzt. In den Städten, 
in denen die LöO. gilt, muß stets eine 
Gemeindeverordnetenversammlung eingeführt 
werden, die hier mindestens zur Hälfte aus 
Hausbesitern bestehen muß § 66 
c) In der Rheinprovinz (GemO. 8§ 45) 
setzt sich der Gemeinderat in denjenigen Ge- 
meinden, welche mehr als 18 zur Ausübung 
des Gemeinderechtes befähigte Gemeinde- 
glieder (Meistbeerbte) zählen, aus gewählten 
Gemeindeverordneten zusammen. Bei einer 
Verminderung der Meistbeerbten bis auf 18 
oder darunter tritt die Versammlung sämtlicher 
Meistbeerbter erst von dem Zeitpunkt ab, wo 
eine Aeuwahl von Gemeindeverordneten not- 
wendig gewesen wäre, an die Stelle der ge- 
wählten G. Zu dieser gehören außer den ge- 
wählten Verordneten auch die im Gemeinde- 
bezirt mit einem Wohnhause angesessenen 
meistbegüterten Grundeigentümer (sog. ge- 
borene Gemeinderatsmitglieder), welche von 
ihrem im Gemeindebezirke gelegenen Grund- 
besitze zu mindestens 150 M. Grund= und Ge- 
bäudesteuer jährlich veranlagt sind und die 
zur Ausübung des Gemeinderechtes er- 
v. Bitter, Handwörterbuch der preuhischen Verwaltung. 
  
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forderlichen persönlichen Eigenschaften besitzen 
(HGemO. 8 46). Dieses Recht der Meistbegüter- 
ten besteht auch in denjenigen Landgemeinden, 
die bei den Kreistagswahlen dem Wahlver- 
bande der Städte angehören (O. 19, 129). 
Es Rann aber nur physischen Personen (nicht 
auch Aktiengesellschaften u. dgl.) zustehen (Od. 
vom 19. Dez. 1894 — Pr1. 16, 334). Mit—- 
eigentum an einem Wohnhaus begründet das 
bezeichnete Recht nur insoweit, als die Vor- 
aussetzungen für Begründung des Gemeinde- 
rechtes durch das Miteigentum (GemO. 8 35 
Abs. 2) vorliegen (OV. 26, 113; 42, 12o9). 
Das Grundvermögen einer offenen Handels- 
gesellschaft ist bei der Beurteilung der Frage, 
ob ein Gesellschafter als Meistbegüterter Grund- 
besitzer ist, als Vermögen der einzelnen Gesell- 
schafter anzusehen (OV#G. 29, 117). Auch Be- 
amte und GEeistliche, die zum Gemeinderate 
nicht wählbar sind, können ihm als Meist- 
begüterte angehören (MBl. 1847, 75; 1848, 
175). — Die Zahl der zu wählenden Gemeinde- 
verordneten beträgt in Gemeinden von weniger 
als 1000 Einw. 6, von weniger als 1000 bis 
3000 Einw. 12, von 3001—10 000 Einw. 18, 
von 10 001—30 000 Einw. 24, von mehr als 
30 000 Einw. 30. Eine Vermehrung oder Ver- 
minderung der Einwohnerzahl soll eine Ver- 
änderung der Zahl der Gemeindeverordneten 
erst dann zur Folge haben, wenn aus anderen 
Gründen neue Wahlen vorzunehmen sind 
(SemO. 8 47). Bei Gemeinden, welche meh- 
rere Ortschaften enthalten, kann der Krl. 
durch Beschluß nach Verhältnis der Ein- 
wohnerzahl bestimmen, wieviel Miitglieder 
des Gemeinderates aus jeder einzelnen Ort- 
schaft zu wählen sind (G. vom 15. Mai 1856 
Art. 14). 
d) In Hannover (LO. § 51) kann auf 
Antrag der Gemeinde in größeren Gemeinden 
mit Genehmigung des KrA. ein Gemeinde- 
ausschuß gebildet werden, der in gleicher 
Weise durch Gemeindebeschluß auch wieder 
beseitigt werden kann. Er vertritt in der 
Regel die Gemeindeversammlung, doch können 
dieser einzelne Gegenstände vorbehalten werden 
(LGO. § 52). Die Zusammensetzung des Ge- 
meindeausschusses und sein Wirkungskreis wer- 
den durch den der Genehmigung des Kr A. unter- 
liegenden (Z . 8 32 Ziff. 1) Gemeindebeschluß 
bestimmt. Der Ausschuß soll sedoch mindestens 
8 und höchstens 24 Mitglieder zählen, deren 
Wahl durch die Gemeinde erfolgt. Sie haben 
im Ausschuß gleiches Stimmrecht und nur 
nach ihrer gewissenhaften Uberzeugung, nicht 
nach Aufträgen, zu stimmen (MBek. vom 28. April 
1859 88 21—25). 
Uber die Wählbarkeit eines Gemeindever- 
ordneten, über die Berechtigung zur Ableh- 
nung oder Viederlegung des Amtes und über 
die Verfügung von Nachteilen gegen Gemeinde- 
verordnete, die sich der Verwaltung ihres 
Amtes entziehen. 
II. Die Aufgaben der G. sind im all- 
gemeinen dieselben, wie die der Gemeindever- 
sammlung (s. d. Landg.). Außerdem hat aber 
die G. noch gewisse Befugnisse, die in den Ge- 
meinden ohne G. dem Gemeindevorsteher zu- 
stehen. Sie hat nämlich in allen Provinzen 
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