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in folgenden Fällen Beschlüsse zu fassen (3G.
§ 27; L. f. d. ö. Pr. und für Schleswig-
Holstein §§ 66, 67; für Hessen-Rassau und für
Hohenzollern § 37): 1. auf Beschwerden und
Einsprüche, betreffend den Besitz oder den
Verlust des Gemeinderechtes, die Zugehörig-
keit zu einer bestimmten Klasse von Stimm-
berechtigten, die Wählbarkeit zu einer Stelle
in der Gemeindeverwaltung oder G., die Aus-
Übung des Stimmrechtes durch einen Dritten,
sowie über die Richtigkeit der Gemeindewähler-
liste; 2. über die Gültigkeit der Wahlen zur
G.; 3. über die Berechtigung der Ablehnung
oder N?iederlegung einer Stelle in der G. oder
Gemeindeverwaltung, über die NAachteile, welche
gegen Gemeindeglieder wegen MNichterfüllung
der ihnen nach den G. obliegenden Pflich-
ten, sowie über die Strafen, welche gegen
Mitglieder der G. wegen Zuwiderhandlungen
gegen die Geschäftsordnung oder wegen un-
entschuldigten Ausbleibens nach Maßgabe der
Gemeindeverfassungsgesetze (s. u. V) zu ver-
hängen sind. Diese Beschlüsse bedürfen Reiner
Genehmigung oder Bestätigung durch den
Gemeindevorstand oder die Aufsichtsbehörde,
sind aber mit der innerhalb zweier Wochen
zu erhebenden Klage bei dem KrA. anfecht-
bar. Die Klage steht auch dem Gemeinde-
vorstande, sowie in Westfalen dem Amt-
manne zu. — Eine Besonderheit besteht in
der Rheinprovinz für Gemeinden, in denen
verschiedene örtliche Abteilungen des Ge-
meindebezirkes nach der Gemeindeverfassung
eine rechtliche Selbständigkeit haben (s. Samt-
gemeinden). Hier wird bei Streit unter den
einzelnen Abteilungen über ihre besonderen
Rechte nicht vom Gemeinderat verhandelt,
sondern nur von den beteiligten Abteilungen.
Abteilungen, die nicht mehr als zehn Meist-
beerbte enthalten, werden hierbei durch alle
Mieistbeerbten, andere Abteilungen durch fünf
von den Meistbeerbten aus ihrer Mitte zu er-f
wählende Deputierte vertreten. Die Verhand-
lung erfolgt unter Leitung des Bürgermeisters.
Kommt keine Einigung zustande, so müssen
die Vertreter der Abteilungen zur Ausführung
ihrer Ansprüche Bevollmächtigte ernennen.
Die Deputierten stehen in Beziehung auf den (
Streitgegenstand in dem Verhältnisse des Ge-
meinderates, der Bevollmächtigte aber in dem
Verhältnisse der ausführenden Behörde (des
Bürgermeisters). Gegen den Beschluß der
letzteren findet innerhalb zwei Wochen die
Klage bei dem KrA. statt, wenn es sich bei
dem Streit um das Recht der Mitbenutzung
der öffentlichen Gemeindeanstalten oder das
Recht zur Teilnahme an den A#utzungen und
Erträgen des Gemeindevermögens handelt
(Gem O. § 59; 86. 8§ 34; OV. vom 1. Dez.
1894 — Pr VWBl. 16, 348; Erl. vom 21. Aov.
1872 — MVBl. 1873, 4).
III. Hinsichtlich der Zusammenberufung,
des Ortes der Sitzung und des Vorsitzes in
der G. gelten dieselben Borschriften wie für die
Gemeindeversammlung (s. d. Landg. IV u. VIh.
Jedoch kann auch in den östlichen Pro-
oinzen und in Schleswig-Holstein (EGO.
§ 105), sowie in Hessen-Aassau (LGO. S 69)
und in Hohenzollern (GemO. 8 75) die G.
Gemeindevorsteher in den Landgemeinden.
regelmäßige Sitzungstage festsetzen. Geschieht
dies, so müssen dennoch die Gegenstände der
Beratung, und zwar mit Ausnahme dringen-
der Fälle mindestens zwei Tage vorher, den
Mitgliedern der G. angezeigt werden.
IV. Beschlußfähig ist die G., wenn mehr
als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend sind
(LGO. f. d. ö. Pr. und für Schleswig-Holstein
§ 106, für Westfalen § 34, für die Rheinpro-=
vinz § 64, für Hessen-Aassau § 70, für Hohen-
zollern § 76, für Hannover § 59). Bei wieder-
holter Zusammenberufung wegen Beschlußun-
fähigkeit zur Beratung über denselben Gegen-
stand, sowie hinsichtlich der Form der Einladung
hierbei gelten dieselben Vorschriften wie für
die Gemeindeversammlung (s. d. Landg. IV.
u. V). Ebenso findet eine Offentlichkeit
der Sitzungen der G. in demselben Umfange
statt wie bei den Gemeindeversammlungen
([s. d. Landg. VI). Auch für die Form der Be-
schlußfassung und die Protokollierung der
Beschlüsse gelten dieselben Vorschriften wie
für die Beschlüsse der Gemeindeversammlung
(s. d. Landg. VIII u. IX).
V. Strafen und Nachteile für ordnungs-
widriges Verhalten oder unentschuldigtes Aus-
bleiben in der G. kRönnen in der Rhein-
provinz und in Hannover von der G. unter
denselben Voraussetzungen und in derselben
Weise wie bei ordnungswidrigem Verhalten oder
unentschuldigtem Ausbleiben in der Gemeinde-
versammlung (s. d. Landg. X) verhängt werden.
In Westfalen bestehen kteine derartigen
Vorschriften. In den östlichen Provinzen,
Schleswig-Holstein, Hessen-êAassau und
Hohenzollern Bhönnen nach den dortigen LGO.
die für ordnungswidriges Benehmen in der Ge-
meindeversammlung (s. d. Landg. X) zu ver-
hängenden Nachteile nicht nur hierfür, sondern
auch für unentschuldigtes Ausbleiben aus den
Sitzungen der G. angedroht werden (LG.
. d. ö. Pr. und für Schleswig-Holstein § 112,
für Hessen = Aassau § 76, für Hohenzollern
§ 82). — Uber die Nachteile, die gegen ein
Gemeindemitglied verhängt werden können,
das sich weigert, dieses Amt zu übernehmen,
oder sich ihm tatsächlich entzieht, s. Gemeinde-
ommunal-)ämter.
VI. Uber die Zulässigkeit der Auflösung
der G. s. Auflösung IU.
Gemeindevorsteher in den Landgemein-
den. I. G. (Gemeindevorstand) in einer
Landgemeinde ist die Obrigkeit des Ortes
und die Behörde, welche die Gemeinde
nach außen hin zu vertreten und ihre Ge-
schäfte zu leiten hat (KHemeindebehörden).
Eine Ausnahme hiervon besteht in der Bhein-
provinz, wo der Bürgermeister (s. d. II) der
Vertreter der Gemeinde und der G. nur dessen
Organ ist. In der älteren Zeit war in vielen
Gemeinden das Amt des G. (Schulze, Scholze,
Lehnsmann, Richter, Dorfrichter) mit dem Be-
sitz eines Grundstückhes verbunden (s. Erb-
schulzen), in anderen wurde der G. von dem
Gutsherrn (s. Gutsherrschaften) der Ge-
meinde ernannt GSetzschulze), in noch anderen von
den Mitgliedern der Gemeinde gewählt. Letzte-
res bildet jetzt die Regel. Die Bestellung eines
G. durch die Aufsichtsbehörde ist nur noch