Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend 
das Recht der Mitbenutzung der öffentlichen 
Gemeindeanstalten (s. d.) und das Recht zur 
Teilnahme an den A#tzungen und Erträgen 
des Gemeindevermögens, die Festsetzung der 
Wahlbezirke und der in jedem zu wählenden 
Gemeindeverordneten, die Vorbereitung und 
Ausführung der Gemeindebeschlüsse, die Ver- 
mögensverwaltung der Gemeinde oder ihre 
Beaufsichtigung, die Anweisung der Ein- 
nahmen und Ausgaben, die Führung oder 
Beaussichtigung des Rechnungs= und Kassen- 
wesens, die Verteilung und Einziehung der 
Gemeindeabgaben und Gemeindedienste, der 
Entwurf des Voranschlags für den Gemeinde- 
haushalt und die Vorprüfung der Gemeinde- 
rechnung übertragen werden (§ 89). — In 
seiner Stellung als Ortsobrigkeit ist der G., 
falls er nicht selbst Amtsvorsteher ist, dessen 
Organ für die Polizeiverwaltung (in Posen 
das des Polizeidistriktskommissarius). Ver- 
möge dessen hat er das Recht und die Pflicht, 
da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, 
Ordnung und Sicherheit ein sofortiges polizei- 
liches Einschreiten notwendig macht, das dazu 
Erforderliche vorläufig anzuordnen und aus- 
führen zu lassen. Insbesondere hat er das Recht 
und die Pflicht der vorläufigen Festnahme und 
der Verwahrung einer Person, wenn die gesetz- 
lichen Voraussetzungen zu diesen Maßregeln 
vorliegen, ferner die Beaufsichtigung der unter 
Polizeiaufsicht stehenden Personen, die Aus- 
führung der ihm von dem Amtsvorsteher (in 
Posen von dem Distriktskommissarius) auf- 
gegebenen polizeilichen Maßregeln sowie die 
Aufnahme der von jenem angeordneten Verhand- 
lungen und die Entgegennahme der vorgeschrie- 
benen polizeilichen An= und Abmeldungen neu 
Anziehender und Abziehender (§§ 90, 91). Dem 
G. liegt als Beamter des Polizei= und Sicher- 
heitsdienstes auch die Entgegennahme von 
Strafanzeigen und Strafanträgen, die Erfor- 
schung strafbarer Handlungen und die Anzeige 
von unnatürlichen Todesfällen nach Mlaßgabe 
der St PO. ob. Er ist ferner Hilfsbeamter der 
Staatsanwaltschaft (s. d.) und Vertreter des 
Ortsarmenverbandes (s. d.). Sodann liegen ihm 
ob die Vorarbeiten für die Veranlagung der 
staatlichen Einkommen-, Ergänzungs-, Ge- 
werbe-, Grund= und Gebäudesteuer, die Füh- 
rung der Rekrutierungsstammrolle, eine Mit- 
wirkung bei der Musterung und Aushebung 
der Militärpflichtigen und bei der Kontrolle 
der Wehrpflichtigen, die Verteilung der Quar- 
tierleistungen und sonstigen Aaturalleistungen 
für die bewaffnete Macht, die Unterverteilung 
und Erhebung der Kreisabgaben, die Erhebung 
der Betriebssteuer für den Kreis, die Aufstellung 
der Urlisten für die Auswahl der Schöffen und 
Geschworenen, die Aufstellung der Wählerlisten 
für die Reichstagswahlen und die Wahlen zum 
Abgeordnetenhaus, eine Mitwirkung auf dem 
Gebiete der Kranken-, Unfall-, Invaliditäts= und 
Altersversicherung, in gewerbepolizellichen An- 
gelegenheiten, die Vertretung der Separations- 
interessenten und die Aufnahme von Aottesta- 
menten (l. Testamente). — Über die Führung 
der Gutsvorstehergeschäfte durch den G. einer 
benachbarten Gemeinde s. Gutsvorsteher. 
  
Gemeindevorsteher in den Landgemeinden. 
III. In der Prov. Westfalen wird der 
G. nach der LGO. vom 19. März 1856 aus 
der Zahl der stimmberechtigten Gemeinde- 
glieder gewählt. Von dem Amt sind aber aus- 
geschlossen die von der Staatsregierung ernann- 
ten Mitglieder der Aufsichtsbehörde, Geistliche, 
Lehrer an öffentlichen Schulen, die Mitglieder 
des Richterstandes und die Beamten der Staats- 
anwaltschaft, die Polizeibeamten, die zum stehen- 
den Heer oder zur Landwehr gehörigen Personen, 
sowie Personen, die das Gewerbe der Gastwirt- 
schaft, Schankwirtschaft oder des Kleinhandels 
mit Branntwein betreiben (LO. 8S8 38, 39). 
Der G. hat nur auf Entschädigung für Dienst- 
unkosten Anspruch, der vom KrA. nach Ver- 
nehmung der Gemeindeversammlung festgesetzt 
wird. Seinem Stellvertreter wird nur Er- 
sottung barer Auslagen gewährt (Gemp. 
40; 36. 8 32 Ziff. 4). Der G. hat unter 
Aufsicht des Amtmannes (s. d.), der ihn hierbei 
unterstützen soll, die Gemeindeangelegenheiten 
zu verwalten und ist Organ des Amtmannes 
für die Verwaltung der Ortspolizei (Kr O. für 
Westfalen § 29). Er ist auch für alle sonstigen 
Angelegenheiten, die zum Geschäftskreis des 
Amtmannes gehören, dessen Organ und Hilfs- 
behörde (LGO. 8 41). Sind für einzelne 
Teile der Gemeinde Dorf= oder Bauerschafts- 
vorsteher bestellt (s. Dorfvorsteher), so sind 
sie Organe des G. und verpflichtet, seinen 
Anordnungen Folge zu leisten und ihn nament- 
lich in den örtlichen Geschäften ihres Bezirkes 
zu unterstützen (6 42). Der Gemeindehaus- 
haltsetat wird vom G. in Gemeinschaft mit 
dem Amtmanne entworfen (§ 460), die Jahres- 
rechnung von ihnen geprüft und der Gemeinde- 
versammlung vorgelegt (§ 48). Ebenso erfolgt 
die Verwaltung der Einkünfte der Gemeinde, 
die Anweisung der Einnahmen und Ausgaben, 
sowie die Uberwachung des Rechnungs= und 
Kassenwesens durch den G. unter Mitwirkung 
des Amtmannes (§ 49). Urkunden, durch welche 
die Gemeinde verpflichtet werden soll (auch 
Prozeßvollmachten), müssen von dem Amt- 
manne und dem G. vollzogen werden (8 65). 
Der G. ist endlich auch Mitglied der Amts- 
versammlung. Als Ortsobrigkeit liegen den 
G. in Westfalen dieselben Geschäfte ob wie 
in den östlichen Provinzen (s. o. 10. 
IV. In der Rheinprovinz ist nach der 
Gem. vom 23. Juli 1845 nicht der G., sondern 
der Bürgermeister (s. d.) derjenige Beamte, 
dem die Vertretung der Gemeinde nach außen 
und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten 
obliegt. Der G. ist nur Organ des Bürger- 
meisters für die Verwaltung der Angelegen- 
heiten der Gemeinde, der Bürgermeisterei, so- 
weit sie die Gemeinde betreffen, und der Orts- 
polizei im Gemeindebezirk (Gem O. 88 76, 108; 
KrO. f. d. Rheinprovinz 8 28). Das Etats-, 
Kassen= und Rechnungswesen darf ihm vom Bür- 
germeister nicht übertragen werdenlGem O. 8 78). 
Gemeindevorstand im Sinne des 3G., des RK##. 
und der sonstigen neueren Gesetzgebung ist hier 
ebenfalls nicht der Vorsteher der Gemeinde, 
sondern der Bürgermeister. Der Vorsteher hat 
selbständig die Gemeinderolle (das Verzeichnis 
der zur Ausübung des Stimmrechtes befähig- 
ten Meistbeerbten) zu führen (5 41) und kann
	        
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